Auf Arabisch malen

Etel Adnan im Lenbachhaus

In München richtet das Lenbachhaus das Licht auf das Schaffen einer außergewöhnlichen Künstlerin, deren Werk und Leben sich zwischen unterschiedlichen Kontinenten, Sprachen und Kulturen, aber auch Gattungen und Medien bewegte.


Etel Adnan sah den Mount Tamalpais bei San Francisco jeden Tag durch ihr Fenster. Der Berg war ein Bezugspunkt für die Künstlerin – die, wie sie sagt, wichtigste Begegnung ihres Lebens. Sie malte ihn unzählige Male, über Jahre hinweg. Meistens auf kleinen Formaten, Leinwand oder Papier, mal in einem einzigen Tuscheschwung, mal in leuchtender Farbvielfalt.

Die Bilder wirken abstrakt, die Landschaft lässt sich meist nur erahnen. Sie malt „das Gefühl von Natur“, nicht deren Abbild. Farbe ist dabei das essenzielle Vehikel, denn für Adnan ist sie es, die uns die Intensität der Natur begreifen lässt.

Als „Sammlung verschiedener Fenster in ihre Welt“ wiederum beschreibt der Kurator Sébastien Delot, Direktor am LaM Lille Métropole Musée d’art moderne, die Ausstellung im Lenbachhaus. Man schaut in ein ebenso vielschichtiges wie vielgestaltiges Œuvre zwischen Malerei, Poesie und Literatur und in ein bewegtes Leben – auch wortwörtlich, war es doch zwischen Libanon, Frankreich und Kalifornien angesiedelt. Erst spät – 2012, mit Ende 80 – wurde Adnan dem breiten Kunstpublikum bekannt, als ihre Bilder auf der documenta 13 zu sehen waren. Ihr schriftstellerisches und lyrisches Werk hatte zuvor schon Bekanntheit erlangt; der erste Roman „Sitt Marie-Rose“ wurde ein Klassiker der modernen arabischen Literatur.

Porträt von Etel Adnan in der Türkei, Winter 1973/74. Courtesy Estate Etel Adnan und Galerie Lelong & Co. Foto: Simone Fattal

Ich musste nicht mehr auf Französisch schreiben, ich malte einfach auf Arabisch.

Etel Adnan

In Beirut als Tochter einer Griechin und eines Syrers geboren, wuchs Adnan dort mehrsprachig auf. Sie begann ein Studium der Philosophie, das sie in Paris und ab 1955 in Berkeley und Harvard fortsetzte. Die Malerei wurde erst Ende der 1950er-Jahre zu einem weiteren Ausdrucksmittel Adnans. Da war sie Anfang 30 und lehrte Philosophie an der Dominican University of California in San Rafael. Zu dieser Zeit kämpfte Algerien für die Unabhängigkeit von Frankreich. Ihre Sprache in Malerei zu übersetzen, bedeutete für Adnan, sich solidarisch loszulösen von der Sprache der Kolonialmacht, mit der auch sie aufgewachsen war: „Ich musste nicht mehr auf Französisch schreiben, ich malte einfach auf Arabisch“.

Etel Adnan, Untitled, 2020, Courtesy of the Estate Etel Adnan and Sfeir-Semler Gallery Beirut / Hamburgn © VG Bild-Kunst, Bonn 2022

Städtische Galerie im Lenbachhaus

Luisenstraße 33, 80333 München
Deutschland

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