Einer, von dem wir mehr sehen wollen: Kenji Lim in Wien

Es ist nicht alles Gold, was glänzt, aber es ist auch nicht alles fake, das schimmert – oder doch? Vielleicht muss man mehrere Wahrheiten zulassen, wenn man in Kenji Lims Welten – Alternative Sphären mit frischen Ästhetiken – eintauchen will.


Seltsame Hybridwesen haben aktuell die Galerie Reinthaler als Revier eingenommen. Schon am Eingang grüßt der „Hummysuckle“, ein bisschen Pelz, ein bisschen Farbe, ein langer Rüssel, der an einer gelben Substanz saugt, ein groteskes und doch sympathisches Gesicht. Sein Komplize liegt zentral am Boden der Galerie.

„A Sleeping Beauty“, ein glänzend-schimmernder Charakter in Wurmgestalt mit schaurigem Gesicht aus einer in Gips abgeformten Baumrinde. „Wir betrachten ultravioletten Schimmer als artifiziell, doch in der Natur kommen solche Töne zahlreich vor – unter Meereslebewesen etwa“ – erklärt Kenji Lim das Werk im Gespräch mit PARNASS. Die Kuriositäten Kabinette der Naturhistorischen Museen inspirieren den Künstler, doch auch Literatur und Meme-Culture. Seine Ausstellung ein buntes Kaleidoskop, in dem man erst den gemeinsamen Autor finden muss. So bietet Lim nicht nur seine eigensinnigen Wesen, sondern auch faszinierende Tapisserien und gleichsam sorgfältige wie intuitiv entstandene Malerei. Wer nachfragt wird belohnt und darf auch durch das aquarellierte Artist Book „The Broken Whiteness of Light The Light That Travels Furthest“ blättern.

Wir betrachten ultravioletten Schimmer als artifiziell, doch in der Natur kommen solche Töne zahlreich vor – unter Meereslebewesen etwa

Kenji Lim

Kenji Lim, A Sleeping Beauty, Courtesy by Galerie Reinthaler

Lim, der gemeinsam mit der ebenfalls durch die Galerie vertretenen Catharina Bond am Royal College of Art, London studierte, ist das erste Mal solo in Wien zu Gast. Mitgebracht hat er Arbeiten der letzten drei Jahre und die Erkenntnis, dass „alles eine Persönlichkeit hat“. Eine Realität ohne Menschen mit alternativen Wesen fasziniert ihn, doch auch das Verstehen der gegebenen Realitäten lässt ihn nicht ganz los. Das ungespannte Leinen mit Acrylmalerei „Study for Mapping the Known World“ ist ein poetischer Kommentar und konzeptueller als die jüngsten Arbeiten. Die Pandemie habe sein Schaffen ein wenig verändert, erzählt der Künstler, sie habe ihn freier gemacht und noch neugieriger zu experimentieren.

Vielleicht ist dieser Wurm hier in der Mitte der Ausstellung das, was alles zusammenhält, vielleicht erträumt er sich diese Ausstellung.

Kenji Lim

Ausstellungsansicht, Kenji Lim, Shivering Cloud, Courtesy by Galerie Reinthaler

„SHIVERING CLOUD“ – so der Titel der Ausstellung – ist eine große Akkumulation an Ideen und Techniken. Eine Art Sampling aus der Welt eines Künstlers, der das Potenzial hat, uns in den kommenden Jahren noch öfter zu überraschen, wenn er sich weiter vortastet in eine Welt, die irgendwo zwischen dem Wahrnehmbaren und literarischer Fiktion angesiedelt ist. Auf die Frage, wie denn die so unterschiedlichen Arbeiten der Schau in der Galerie Reinthaler koexistieren, meint Kenji Lim: „Vielleicht ist dieser Wurm hier in der Mitte der Ausstellung das, was alles zusammenhält, vielleicht erträumt er sich diese Ausstellung.“

Galerie Reinthaler

Gumpendorfer Straße 53, 1060 Wien
Österreich

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