Im Porträt

Eckart Hahn

Nur wenige Künstler schaffen es, sich ins kollektive Gedächtnis zu malen. Eckart Hahn (* 1971) ist einer von ihnen. Seine existenzielle Sicht breitet er regelmäßig bildgewaltig in großen internationalen Ausstellungen aus. Sammler warten oft Jahre auf ein Bild. Zeit für ein Gespräch mit dem Ausnahmetalent.


Seine Werke hängen in großen Museen, aber auch beim Schweizer Künstler Roman Signer, dem saudischen König, beim Top-Model Nadja Auermann oder beim amerikanischen GTA-Milliardär Jeff Rosa. Zuspruch erhielt der Wahl-Reutlinger bereits früh. So auch durch den Autor John Wray, der Hahns Gemälde „Cocoon“ von 2015 kurzerhand für das Titelcover seines prämierten Romans „Gotteskind“ auswählte. Jüngst war Hahn, international führender Vertreter eines „Neuen Magischen Realismus“, in der Ausstellung „Ganz anders gleich“ der Galerie Crone und in der Sammlung Ludwig im Schloss Oberhausen zu sehen.

Nach seinem Studium der Fotografie, Kunstgeschichte und Grafik (1990–1998), und rund sechzig Ausstellungen später, werfen wir durch unseren Autor Sebastian C. Strenger im Gespräch mit dem mehrfach ausgezeichneten Künstler einen Blick auf dessen Spektrum an Leinwänden, Papierarbeiten, Leuchtkästen und Skulpturen, um Antworten zum Werk des heute 49-jährigen Malerei-Autodidakten zu erhalten.

PARNASS: Was malst du gerade?

Eckart Hahn: Soeben habe ich ein Bild fertiggestellt, das die Geste des "Ungläubigen Thomas" zeigt. Eine Hand, die an der Stelle der Lanzenwunde Christi, kurz unterhalb des Rippenbogens, prüfend in seine rechte Brust hinein greift, um die Seile, wie bei einer Jalousie, aufzuziehen.

P: Welchen Denkprozess soll dieses Bild anstoßen?

EH: Es nimmt auf die christliche Ikonographie Bezug und besteht doch nur aus Seil. Um was geht es also? Ist es nur die Hülle; was ist da drin oder was hält das Ganze zusammen? Ist die Umwicklung ein Körper oder formt der Körper die Umwicklung? Hierdurch ergibt sich eine Analogie zu der Aussage Christi: Der Körper ist ein Gefäß des Glaubens.

P: Fühlst du der Religion auf den Zahn oder bist du religiös?

EH: Ich bin kein religiöser Mensch, aber die Frage nach dem geistig Spirituellen interessiert mich sehr! Für mich gilt der Energieerhaltungssatz, das heißt, die Energie, die in der Welt ist, geht nicht verloren, und dabei bleibt die große Frage: Auf welcher Ebene sind wir miteinander verbunden?

P: Wie lautet dann die Antwort auf die Frage, was dich nach deinem Tod erwartet?

EH: Die Energie selbst verschwindet nie! Ich denke dann, all die Dinge, für die wir uns mühen, erzielen immer auch eine Wirkung, und auch wenn ich verschwinde, ist diese Wirkung nicht verloren.

ECKART HAHN | Foto: Tom Wagner

P: Ein sehr transzendentes Denken. Was ist denn mit physikalischen Gesetzen?

EH: Für mich gibt es da keine Trennung zum Geistigen, weil es um das Gleiche geht. Letztendlich betrachte ich alle Phänomene so. So sind die Religion und die Kirche – zumindest im Westen – durch die vielen aktuellen Skandale zurecht auf dem Rückzug. Wir leben in einer Zeit des Individualismus, in der sich jeder seinem eigenen Lebensprojekt gegenüber sieht. Dabei braucht die Gesellschaft auch Dinge, die sie miteinander verknüpft. Ich bemerke, dass die Hinwendung zum Beispiel zum Nationalismus möglicherweise in Lücken hineinstößt, die Institutionen wie die Kirche früher mal ausgefüllt haben.

P: Identität ist also das große Thema, warum?

EH: Jede Form von Identität. In meinen Bildern gehe ich der Diskrepanz zwischen Identität und Individualität nach. Es geht eben auch darum, wie wir eine Gesellschaft haben können, die die Notwendigkeit eines Zusammenhalts anders schafft als über Dogmen, wie die der Nationalisten oder der Kirche. Welche anderen Möglichkeiten des Zusammenhalts gibt es? Darüber eine Vorstellungskraft zu entwickeln, ist eine große Herausforderung. Auch in meinen Werken!

P: Ich denke dabei an dein Gemälde „Die Anbetung der Könige“...

EH: Die scheinbaren Protagonisten sind hier verhüllt mit Plastiktüten, die man aus Discountern oder Shops von Marken-Labels kennt. Aber man könnte es auch so sehen, dass die Tüten selbst die Protagonisten sind. Der Duktus unserer Diskussion ist häufig, dass unsere Welt zu oberflächlich ist; eine Welt eben, die ständig an Werten verliert, andererseits aber merkantil gewinnorientiert ist. Wir stellen fest, die echten und wahren Werte gibt es so gar nicht mehr ...

Weiter lesen Sie in unserer PARNASS Ausgabe 02/2021!

ECKART HAHN | Anbetung der Könige (nach Rubens), 2011, Acryl auf Leinwand, 230 × 180 cm | Sammlung Museum am Dom Würzburg | Foto und © by the artist

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