Deutsches Historisches Museum Berlin

Documenta. Politik und Kunst | Zwischen Abgrenzung und Kontinuität

Wie politisch waren die Kunstausstellungen der „documenta“? Dieser Frage widmet das Deutsche Historische Museum in Berlin die Ausstellung „documenta. Politik und Kunst“.


Alle fünf Jahre wird das sonst eher unauffällige Kassel in Hessen zur Kunstmetropole. Schon seit 1955 treffen sich dort Künstler und Kunstinteressierte aus der ganzen Welt zu einer Ausstellung, die in einhundert Tagen die wichtigsten Entwicklungen in der Kunst vorstellen und abbilden will. Dabei zeigen die Kuratoren nicht nur die neueste und aus ihrer Sicht wichtigste Kunst ihrer Zeit, sondern dokumentieren auch den politischen Zeitgeist. Diesen „vielfältigen Wechselwirkungen von Politik und Kunst in der bundesrepublikanischen Gesellschaft nach 1945“ widmet das Deutsche Historische Museum in Berlin jetzt eine Ausstellung in vier Kapiteln. Diese folgen nicht der zeitlichen Chronologie, sondern setzen Themen. So geht es um Kontinuitäten nach dem Ende des Nationalsozialismus, um die Hinwendung zur Abstraktion und um die Abgrenzung gegenüber dem Sozialistischen Realismus sowie um politische Abhängigkeiten. Dazu werden die ersten zehn Ausstellungen von 1955 bis 1997 untersucht, da mit diesem Zeitabschnitt „die Öffnung in eine globalisierte Welterfahrung jenseits der Nachkriegsblockbildungen markiert“ werden könne, heißt es im Konzept. 

Anhand der ersten Ausstellung 1955 wird zum Beispiel nach der „nationalsozialistischen Vergangenheit und deren verborgenen Spuren in der documenta“ gefragt. Dabei wird es um biografische Kontinuitäten, Netzwerke und das Ignorieren der Opfer des Nationalsozialismus durch die Kuratoren gehen – ein Thema, das bisher nicht aufgearbeitet ist. Die Ausrichtung nach Westen, der Anschluss an die Entwicklung zur Abstraktion bedeutete eine deutliche Abgrenzung zum Osten und dessen Sozialistischem Realismus. Ob es trotzdem einen Einfluss der DDR-Kunst gab und wie Künstler aus der DDR, zum Beispiel Georg Baselitz und Gerhard Richter, auf die westdeutsche Kulturgeschichte wirkten, soll in einem weiteren Kapitel untersucht werden.

Kamen zur ersten documenta 1955 130.000 Besucher, waren es 1997 knapp 630.000. Allerdings blieben die Besucher eine homogene Gruppe – mit Abitur und Hochschulabschluss. Vor diesem Hintergrund reflektiert die Ausstellung „gesellschaftliche Entwicklungen in der Bundesrepublik im Spiegel der Kunstrepräsentation, Kunstvermittlung und Kunstaneignung“. Und sie fragt nach dem veränderten Stellenwert von Kunst und Kunstevents in der Gesellschaft.

Guerrilla Girls, Why in 1987 is documenta 97 % white and 83 % male? documenta 8, 1987 © Courtesy of Guerrilla Girls www.guerrillagirls.com

Nach diesen Kapiteln der theoretischen Aufarbeitung und des wissenschaftlichen Rückblicks auf die Kunstauswahl und deren Interpretation bietet die Ausstellung zum Abschluss ein neues Kunstwerk. Es ist das Ergebnis der Auseinandersetzung mit Geschichte und Politik der documenta durch die 1981 geborene Fotografin und Filmkünstlerin Loretta Fahrenholz. 

Deutsches Historisches Museum

Unter den Linden 2, 10117 Berlin
Deutschland

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