Die Alpen im Blick
In den letzten Jahrzehnten erlebt das Thema Landschaft – aus unterschiedlichen thematischen Gesichtspunkten – ein erstaunliches Revival in der bildenden Kunst und rückt damit auch die Geschichte und die Künstler der österreichischen Landschaftsmalerei wieder in den Mittelpunkt von Ausstellungen und kunsthistorischen Aufarbeitungen. So geben aktuell die Landesgalerie Niederösterreich und die Neue Galerie in Graz einen Einblick in die Entwicklung von der romantischen Ideallandschaft über die biedermeierliche Landschaftsmalerei bis zum Stimmungsimpressionismus.
Die Alpen stehen gegenwärtig im Zusammenhang mit brisanten Themen im medialen und öffentlichen Bewusstsein. Sie sind die Region unserer Freizeitgestaltung, dienen der Erholung, der sportlicher Betätigung und stehen für die Sehnsucht nach unberührter Natur. Doch sie sind vor allem auch ein sensibler Gradmesser für die Auswirkungen steigender Erderwärmung und zeigen uns, wie drastisch mittlerweile die Veränderungen durch den Klimawandel geworden sind – vom Schmelzen der Gletscher bis zu Felsstürzen. Trotzdem entspricht auch heute noch unsere Vorstellung der Natur der Tradition der Romantik, in der die „schöne Landschaft“ mit sinnerfülltem und gelingendem Leben gleichgesetzt wurde. Dieses Bild von der Natur wurde nicht zuletzt auch durch die Maler und Reiseschriftsteller des 19. Jahrhunderts geprägt.
Die Bergwelt der Alpen als zentrales Motiv
Vor rund 200 Jahren verstand man die österreichischen Alpen als Region, die es noch zu entdecken galt. Es wurden die ersten Führer und Beschreibungen verfasst und Vedutenzeichner und Maler erkundeten die Bergwelt, teilweise im Auftrag wie die sogenannten erzherzöglichen Kammermaler, oder aus eigenem Antrieb. Neben Künstlern wie etwa Thomas Ender (1793–1875) war es vor allem Franz Steinfeld (1787–1868), der die Alpen und das Salzkammergut über Jahrzehnte bereiste und maßgeblich zur Bildwerdung der österreichischen Alpen beitrug. Ihm und seinem Sohn Wilhelm Steinfeld (1816–1854) widmet die Neue Galerie in Graz eine umfassende Ausstellung und gibt erstmals einen Überblick über ihr Lebenswerk verbunden mit einer wissenschaftlichen Aufarbeitung. Franz Steinfeld, der zu seiner Zeit anerkannt und erfolgreich war und in der zeitgenössischen Rezeption oft gemeinsam mit Ferdinand Georg Waldmüller und Friedrich Gauermann genannt wurde, ist heute unverdienterweise nur Experten ein Begriff. Die Ausstellung soll ihn wieder in den Fokus der Kunstgeschichte rücken.
Die Neue Galerie Graz kann dabei auf einen großen Bestand aus der eigenen Sammlung zurückgreifen. Ein guter Teil davon kam als Legat bereits vor mehr als 100 Jahren in die Sammlung, weitere Werke wurden im Lauf der Jahre ergänzt. So ist der Steinfeld-Bestand der Neuen Galerie Graz heute nach jenem des Oberösterreichischen Landesmuseums der umfangreichste in einem österreichischen Museum. Mit den Arbeiten und Leihgaben gelingt es den beiden Kuratoren Gudrun Danzer und Günther Holler-Schuster nicht nur, die beiden Maler selbst vorzustellen, sondern auch ihre unterschiedliche Rezeption zu dokumentieren. Mittels der Vielzahl an Zeichnungen und Studien von Franz Steinfeld wird auch die Annahme zurrechtgerückt, es handele sich hier um rein dokumentarische Darstellung.
Naturstudium versus akademische Lehrmethoden
Seit Beginn des 19. Jahrhunderts erlangte das Studium nach der Natur eine größere Bedeutung und stand im Gegensatz zu den akademischen Lehrmethoden. Franz Steinfeld trat wie Waldmüller für ein Studium vor der Natur ein und zeichnete Zeit seines Lebens direkt vor der Landschaft. Er schuf beeindruckende Studien mit Öl auf Papier und auf Holzplatten. Vor allem seine Beobachtungen des Lichts und seine Darstellung von Wasseroberflächen wurden geschätzt. Hier erarbeitete sich der Maler jene Motive, die er später wie Module wiederkehrend in seinen Gemälden verwenden sollte – angereichert durch Staffagefiguren und Architekturen. Gemälde wie „Der Hallstättersee in Oberösterreich“ von 1826, das aktuell in der Landesgalerie Niederösterreich zu sehen ist, zeigen, wie sehr sich Franz Steinfeld jedoch bereits von der Ideallandschaft entfernt hat, wenngleich gewisse Parameter eingehalten werden. So entsprach die Drapierung von Taleinschnitten, Felsen, Pflanzen und beschatteten Waldstücken im Vordergrund, die oft wie aufcollagiert wirken, der damaligen akademischen Bildkomposition.
In diesem Spannungsfeld von Naturstudium versus Ideallandschaft erfährt Franz Steinfeld daher auch eine heterogene Rezeption. Galt er mit seinen Bildern der 1820er-Jahre als Begründer der sachlichen Biedermeierlandschaft, werden in den 1840er-Jahren seine Gemälde wieder literarischer und poetischer, was ihm große Publikumserfolge einbrachte sowie Ankäufe durch die kaiserliche Gemäldesammlung. Die große Nachfrage führte auch dazu, dass Steinfeld oft nahezu identische Bilder malte, die – wie etwa der Blick auf den Dachstein – in der Folge auch von seinem Sohn aufgenommen und variiert wurden.
Dieser Text wurde gekürzt. Den ganzen Beitrag lesen Sie in unserer PARNASS Ausgabe 02/23.
Neue Galerie
Joanneumsviertel, 8010 Graz
Österreich