Eine Hommage an die Technik der Fotografie

„Dear Photography“ von Peter Miller bei C/O Berlin

Mit „Peter Miller. Dear Photography“ präsentiert C/O Berlin die weltweit erste institutionelle Werkschau des Künstlers. Unsere Autorin Uta Baier hat sich die Ausstellung angesehen – und war begeistert.


Peter Millers Fotoarbeiten zu betrachten ist ein großer Spaß. Allerdings muss man schon ein wenig über Fototechnik, Papierqualität, Entwickler wissen (oder in der Ausstellung lesen wollen), um das Besondere und das Witzige zu erkennen. Denn Peter Miller, 1978 in den USA geboren, seit langem in Europa lebend und an der Folkwang Universität der Künste in Essen unterrichtend, ist weniger ein Produzent schöner Bilder oder überraschender Ansichten – wobei auch schöne Bilder entstehen können. Peter Miller ist vor allem ein Spieler, der mit Fotopapier und den Möglichkeiten, Bilder herzustellen, experimentiert. So entwickelte er einen Farbfilm in Hühnersuppe, obwohl doch der kanadische Farbfotograf Freeman Patterson erklärt hatte, dass es in der Farbfotografie nur eine einzige Regel gebe: „Farbfilme dürfen nie in Hühnersuppe entwickelt werden.“ Miller hat es nach langem, intensiven Experimentieren geschafft und natürlich ist auf seinem in Hühnersuppe entwickelten Foto eine Dose Hühnersuppe zu sehen. Er will dem kanadischen Kollegen demnächst einen Abzug des Bildes schicken. 

Dass seine sepiafarbenen Bilder natürlich Sepia, eine Tintenfischart, zeigen, versteht sich im Prinzip von selbst. Und dass er die Sonne als Lichtquelle benutzt, um mit ihrer Kraft ein Loch in einen Stapel Fotopapier zu brennen, reiht sich ganz selbstverständlich in diese Reihe – und ergibt eine Serie von Bildern, auf denen die Lichtausbreitung und das eingebrannte Loch immer schwächer werden. 

Viele von Millers Arbeiten sind Selbstporträts: des Regens, eines Mandarinenbaums und eines Kronleuchters. Auch sie entstanden in experimentellen Anordnungen und versuchen alle mit den Mitteln der Fotografie, die Gegenwart, ein Ereignis, einen Zustand festzuhalten. Dafür umgab Miller den Kronleuchter in der Dunkelkammer mit Fotopapier und schaltete kurz das Licht an, dafür fotografierte Miller jedes einzelne Blatt seines Mandarinenbaums und ließ Regen ein Bild von sich selbst mittels einer Cyanotypie machen. Dass beim Eisenblaudruckverfahren, wie die Cyanotypie auch genannt wird, am Ende ein blaues Bild entsteht, kann bei Miller natürlich kein Zufall sein.

Peter Miller, Burnt Hole Sun VIII, 2016, Foto: Peter Miller, VG Bildkunst Bonn 2021, Courtesy Galerie Crone Berlin, Wien

C/O Berlin-Kuratorin Kathrin Schönegg verweist auf den Kindheitstraum des Künstlers, Zauberer sein zu wollen. „Für Miller ist Zauberei jedoch mehr als Metaphorik. Ihre eigentümliche Doppellogik von Illusion und Demonstration, von Verbergen und Zeigen, lässt sich als grundlegende Strategie beschreiben, die sein Werk durchzieht und dort als gegenläufige Tendenz in Erscheinung tritt.“ 

Man muss noch die Lust am Zufall als konstituierendes Element der Millerschen Arbeiten hinzufügen. Denn dem Zufall räumt Miller einen großen Raum ein. Zum Beispiel in der extra für die Berliner Ausstellung entstandenen Arbeit „Umschlag“. Für die hat Miller Briefe in der Dunkelkammer geschrieben, sie im Schutz der Nacht in einen Briefkasten geworfen und an seine Kuratorin versendet. Die hat die farbigen Spuren, die der Transport auf dem Fotopapier hinterlassen hat, dann fixiert.

Dass diese Schau die erste institutionelle Einzelausstellung des Fotografen weltweit ist, ist kaum zu glauben. Auf jeden Fall macht die sorgsam zusammengestellte Ausstellung Lust auf mehr von dieser Kunst, die die Fotografie als Technik benutzt, um die Techniken, die Bilder entstehen lassen, sichtbar zu machen. 

Peter Miller, The Letter, 2008, Foto: Peter Miller, VG Bildkunst Bonn 2021

C/O Berlin

Hardenbergstraße 22–24, 10623 Berlin
Deutschland

Peter Miller

„Dear Photography“

bis 3. Dezember

Das könnte Sie auch interessieren