Chantal Crousel zeigt Heimo Zobernig in Paris

Zum fünften Mal zeigt Chantal Crousel in Paris das Werk von Heimo Zobernig. Noch immer keine Retrospektive.


Ein dicker Mann, nackt, mit hängenden Schultern, an jeder Hand eine Flasche, die nur hält, weil ihr der Zeigefinger im Hals steckt, ähnlich senkrecht zum Erdmittelpunkt zeigend wie das Spatzi in der Mitte. Mit dem witzigen Selbstporträt beginnt der Rundgang in der Rue Charlot, im Pariser Marais. Wobei man Heimo Zobernig, am 30. April 1958 in Kärnten geboren, heute in allen wichtigen Sammlungen vertreten, 2015 auf der Venedig-Biennale, 1992 und 1997 auf der documenta präsent, eher nicht birnenförmig in Erinnerung hat.

Im Séparée der Galerie macht Catherine David ihre Aufwartung, sie hatte ihn an die dX geholt, eine Position mehr, mit der sie ihre politico-poetische Position in Szene setzen konnte. Auch für diese steht die Figur, die sich handwerklicher Leichtigkeit durch das Aufpropfen von Flaschen selbst entzieht, mithin durch körperlich-persönliche Präsenz mehr denn durchs Werken Gewicht erhält. Also ist die mit Tusche und Aquarell hingeworfene Zeichnung doch ein Selbstporträt, aber keine Selbst-Darstellung. Figurative Zeichnungen, teils sogar mit Titel sind der Clou dieser Ausstellung. Tagebuchähnliche,  rasch hingeworfene Momentaufnahmen, teils noch nie, teils nur selten (Mitte der Achtziger in Wien) dem Publikum präsentiert: „Kinkerlitz“ am 24.5.82, oder „Hunger!“ eines der stärksten Blätter, für 6.050,- Euro vergleichsweise günstig gehandelt. Zobernigs Einsätze sind voll in Melancholie getauchten Witzes, wie das aus Pappe grob geformte, dann bunt bemalte Haus oder die in Schwarz oder Dunkelrot gehaltenen Neo-Geo Gemälde.

Heimo Zobernig, exhibition view, Galerie Chantal Crousel, Paris (2023). Courtesy of the artist and Galerie Chantal Crousel. Photo: Martin Argyroglo. © Heimo Zobernig/ADAGP, Paris (2023)

Das neueste Werk, ein mit silbernem Gewebe bespannter Paravant, der hier an Christos Triumphbogen-Verhüllung erinnert, soll 30.000 Euro kosten. Nur ein Bild der bereits von Museen und Privatsammlern reservierten Stücke ist hier unverkäuflich, eine schwarze Blume auf weißem Grund, daneben der Code, mit dem sie produziert wurde. Frühe Ausflüge ins Produzieren mit Computer, heute, angesichts des Umgangs mit KI-Bildern, wieder aktuell.

Eine historische Position mit Anregungspotenzial für heute.

Nina Childress

Heimo Zobernig, der Name steht in Europas Kunstgeschichte für eine singuläre Position, unzeitgemäss, unbotmässig. Auch offen, generös, immer im Austausch mit Studierenden, entlang der Lehr-Deputate an der Akademie der bildenden Künste Wien (1977-80), nach Hamburg und Frankfurt am Main wieder 2000-2021 in Wien an der Akademie. Stéphanie Moisdon,  Spezialistin der Achtziger (wie sie mit „1984-1999. Das Jahrzehnt“ im Centre Pompidou Metz 2014 behauptete), hat als Gastkuratorin aus dem Schaffen des Künstlers ausgesucht, was die unerträgliche Leichtigkeit des Seins der Achtziger heraufbeschwört. Junge französische Künstler schätzen „eine Arbeit ohne Komplexe,“ so Boris Kurdi, 1990 geboren, 2021 mit dem Preis der Fondation Ricard geehrt, „das tut gut und ist wichtig für unsere Generation: zu sehen, dass man sich nicht festlegen muss, dass man einfach Dinge machen kann.“ Auch Olivier Lepront, Student bei der Malerin Nina Childress in den Beaux-Arts de Paris, sieht „eine historische Position mit Anregungspotenzial für heute.“ Gemeint ist die aus Spanplatten gezimmerte Bar, die von relationaler Ästhetik erzählt, für die Zobernig 2012 andere Künstler Gläser hat gravieren lassen, die jetzt etwas verloren im Möbel stehen. „Keine Retrospektive“, betont Chantal Crousel im Gespräch die Verweigerung der Selbst-Historisierung des Künstlers, „eher eine Momentaufnahme, durch die wichtige Züge sichtbar werden.“ Züge wie Unabhängigkeit von jeglicher Instrumentalisierung, von Verkauf oder Ausstellung. „Einfach zu machen,“ sagt eine andere Studentin schon in der Tür, „das ist schon toll.

Heimo Zobernig untitled, 2023, Sprinkler gauze, silver-coated polyethylene, wood, 190 x 190 x 4 cm | Courtesy of the artist and Galerie Chantal Crousel, Paris. Photo: Jiayun Deng — Galerie Chantal Crousel. © Heimo Zobernig/ADAGP, Paris (2023).

Heimo Zobernig

Galerie Chantal Crousel, Paris

bis 20.5.2023

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