Pioniergeist: Junge Szene in Paris
Noch liegt der Müllgeruch von den Streiks während der Frühjahrsmessen in der Nase, da bereiten Fernsehbilder brutaler Unruhen Unbehagen – Kunstgenuss in Paris hat Brandgeschmack. Vor den Messen im Herbst, allen voran Paris+ by Art Basel, wollen wir wissen: Wo entsteht frische französische Kunst?
Große private Kunststiftungen wie LVMH oder die Pinault Collection besetzen das Museumsfeld, internationale Galerien wie Hauser & Wirth oder Thaddaeus Ropac bringen den Hype an die Seine. Kunst von morgen passiert in Paris an den Rändern: unterfinanziert, aber an spannenden Orten, prekär, aber mit viel Energie zur Erneuerung. Zum Beispiel das „doc!“ in Belleville, im Nordosten von Paris. Zunächst hatten einige Künstler die Räume des ehemaligen Bahn-Gebäudes besetzt. Heute lenkt ein Verein den Komplex, bietet Ateliers, Ausstellungen, Konzerte – und für die Jugend des Viertels Workshops und Begegnungs-Möglichkeiten. Nebenan entsteht auf einer öko-zertifizierten Baustelle die neue Mediathek des Viertels. Belleville ist so wenig Krawallviertel, wie „die Banlieue“ generell als solches abgetan werden kann. Überall leben verschiedenste Ethnien und Religionen friedlich zusammen. Die Wut richtet sich gegen Ausbeutung und Ausgrenzung. Jene, die hart arbeiten, können schon lange nicht mehr hoffen, es weit zu bringen. Marktfreiheit, Ungleichheit, Entsolidarisierung: Besonders unter der Jugend ist das Gefühl verbauter Zukunft fest verankert.
Kunst kann Öffnungen aufs Morgen schaffen – vor allem jene, die in Off-Spaces entsteht. Das meint auch Anne-Lou Vicente: „Ein sehr spannender Artist-run-Space ist aktuell ‚Pau - line Perplexe‘ in Arcueil [im Süden von Paris Richtung Flughafen Orly, A. d.R.]: Dort ha - ben Künstler einen Ausstellungsraum, eine Residenz, einen Produktionsort geschaffen. Viel Potenzial bietet auch Bagnoler in Bagnolet [im Nordosten], dort werden Konzerte, Performances und Ausstellungen von jungen Künstlerinnen veranstaltet. Cluster wie POUSH in Aubervilliers [ebenfalls Nordosten] sind auch wichtig, haben aber wegen ihrer Größe schon wieder einen Beigeschmack von Kaufhaus für den Kunstmarkt. Was wir heute brauchen, sind Orte, die Zwischenräume schaffen.“ Dieser Text wurde gekürzt. Weiter lesen Sie in unserem PARNASS Special Up&Coming.
Weitere Informationen:
doc.work | fraciledefrance.com | komunuma.com | openbach.fr | palaisdetokyo.com | paulineperplexe.com | poush.fr