Female Sensibility im Lentos

Feministische Avantgarde: Künstlerinnen die man kennen muss

Linz ist mit der österreichischen "Ikone" der feministischen Avantgarde VALIE EXPORT untrennbar verbunden. Im LENTOS Kunstmuseum wurde ihr vor einem Jahr eine Einzelausstellung gewidmet. Jetzt sind dort 82 internationale Positionen aus der SAMMLUNG VERBUND zu sehen. Künstlerinnen stellen erstmals mit revolutionären Ansätzen die traditionelle Ikonografie des "Weiblichen" in Frage.


Unter dem Titel "Female Sensibility" sind über 200 Werke zu sehen, die zwischen Ende der 1960er- und Anfang der 1980er-Jahre entstanden sind. Mit damals neuen, historisch unbelasteten Medien, wie Video, Performances oder inszenierte Fotografie, verhandelten die Künstlerinnen die ihnen zugeschriebenen Rollenbilder oftmals am eigenen Körper. Während die Werke von VALIE EXPORT schon längst in den "Kunstkanon" aufgenommen wurden, hielten andere künstlerische Arbeiten in der Auseinandersetzung mit der "Rolle der Frau" über Jahrzehnte in Dachböden oder Schubladen einen Dornröschenschlaf.

17 österreichische Positionen

Dem Engagement und der Expertise der Gründungsdirektorin der SAMMLUNG VERBUND, Gabriele Schor, ist es zu verdanken, dass sich die Anzahl der Künstlerinnen seit der letzten Feministischen Avantgarde-Ausstellung vor vier Jahren im Wiener mumok fast verdoppelt hat. Im LENTOS sind erstmalig Werke aller 82 Künstlerinnen aus Lateinamerika, Nordamerika, Asien sowie West- und Osteuropa zu sehen. Dabei werden drei neue Schwerpunkte gesetzt: Afroamerikanische Künstlerinnen im Kontext der heutigen Black Lives Matter-Bewegung und Künstlerinnen, die in kommunistischen Systemen trotz ihrer scheinbaren Gleichstellung ähnlichen Benachteiligungen wie Frauen im Westen ausgesetzt waren.
Die 17 österreichischen Künstlerinnen der Schau – als dritter Schwerpunkt – geben ein starkes feministisches Bekenntnis ab. Neben Renate Bertlmann, Birgit Jürgenssen, Friederike Pezold, Karin Mack oder Margot Pilz sind erstmals auch Künstlerinnen wie Florentina Pakosta, Auguste Kronheim, der 2017/18 eine Einzelausstellung im Nordico Stadtmuseum Linz gewidmet war, Anita Münz, Veronika Dreier und Ingeborg G. Pluhar in der Ausstellung vertreten.

Florentina Pakosta sorgte 1976 mit ihren Zeichnungen von männlichen Genitalien für Aufsehen. Drastisch wirkt ein Frauenportrait der Künstlerin, bei dem Sicherheitsnadeln Augen und Mund verschließen. Das Auslöschen der eigenen Identität thematisiert Veronika Dreier mit 4 vernähten Portraitfotos. Die in Graz lebende Künstlerin gründete 1982 das erste feministische Kulturmagazin Europas mit dem Titel "Eva & Co".

Margot Pilz, deren aktuelle Biografie von Nina Schedlmayer ein vielschichtiges Bild einer Akteurin der "feministischen Avantgarde" zeichnet, ist unter anderem mit dem "Arbeiterinnenaltar" aus 1981 und der Fotografie "Der Hausmeister und sein Schatten" vertreten.

Florentina Pakosta, Der Ehering und seine Folgen, 1970, Bleistift und Farbstift auf Papier; 60,9 × 42,7 cm; SV_734_2018 © Florentine Pakosta / Bildrecht, Wien 2021 / SAMMLUNG VERBUND, Wien

Weibliches Multitasking zwischen Hausfrau und Sexsymbol

Die Werke sind in fünf Themenbereiche gruppiert: die Reduktion der Frauen auf häusliche Tätigkeiten, das daraus resultierende "Eingesperrt sein", die Norm weiblicher Schönheitsideale, weibliche Sexualität und das Spiel mit Rollen.

Ironie und Humor dienen dabei als Waffe gegen das Patriachat. Die vierteilige Fotoserie "Bügeltraum" von Karin Mack entstand 1975. Die Künstlerin inszeniert sich darin als hingestreckte Tote oder trauernde Witwe am Bügelbrett.

Die offen gezeigte Lust an der weiblichen Sexualität, der Bruch mit gesellschaftlichen Normen, wird bei den sogenannten Befreiungsbildern von Anita Münz aus den frühen 1980er Jahren deutlich.
Das Spiel mit unterschiedlichen Identitäten und das Experimentieren mit Rollen vor der Kamera ist mit bekannten Arbeiten von Cindy Sherman vertreten. 

Die Werke stammen aus einer Zeit mit scheinbar längst überholten Rollenbildern. Oft geht es um das Ausbrechen von mundtot gemachten Frauen aus ihren Körpern und das Überwinden von Grenzen. Mit Blick auf die Corona-Krise und die Fokussierung auf die eigenen vier Wände, mit Homeschooling, Homeoffice und dem Idealbild einer blendend aussehenden Multitasking-Partnerin wird die Ausstellung im LENTOS gerade zum richtigen Zeitpunkt gezeigt.

Emma Amos, Pool Lady [Lady am Pool], 1980, Radierung, Aquatinta und Styreneschablone auf Papier; 61 × 53,3 cm; Edition: 12/20 SV_743_2018 © Emma Amos / Bildrecht, Wien 2021 / SAMMLUNG VERBUND, Wien

Lentos Kunstmuseum

Ernst-Koref-Promenade 1, 4020 Linz
Österreich

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