40 Jahre PARNASS

AUS DEM ARCHIV: KAPSTADT IM AUFREGENDEN KUNSTMODUS

Afrika war ganz im Fokus unserer PARNASS Ausgabe 03/2016. Im Süden des Kontinents stand mit dem Zeitz Museum of Contemporary Art Africa damals ein Museumsgigant kurz vor der Eröffnung. Wir nehmen den 40. Geburtstag von PARNASS zum Anlass zurückzublicken, auf die Visionen des weltweit größten Museums zeitgenössischer afrikanischer Gegenwartskunst und den lesenswerten Artikel von Daghild Bartels.


Wie wurde das Museum 2016 diskutiert? Lesen Sie hinein in den Artikel von Daghild Bartels

Aus dem Archiv PARNASS 03/2016

Die Welle der Privatmuseen hat jedenfalls auch Afrika, genauer Südafrika, noch genauer Kapstadt erreicht: Wenn der Deutsche Jochen Zeitz 2017 sein Museum für afrikanische Gegenwartskunst, das Zeitz MOCAA (Museum of Contemporary Art Africa), eröffnen wird, dann geht er nicht in Konkurrenz zu öffentlichen Einrichtungen, sondern füllt eine empfindliche Lücke: Mehr noch als anderswo darben hier die öffentlichen Kultureinrichtungen, sodass Zeitz’ Initiative, das erste Großprojekt dieser Art auf dem Kontinent, mit großen Hoffnungen erwartet wird, denn das Museum wird nicht nur die lokale, sondern womöglich die Kunstszene des ganzen Kontinents beleben.

Kapstadt wählte der ehemalige Puma-Chef, der der Marke neues Leben einhauchte und sich schon vor Jahren als Afrika-Fan outete, „da solch ein Museum die Stadt als Umfeld braucht, eine Infrastruktur, eine kommerzielle Umgebung und Restaurants“, ist er überzeugt. Die ist gegeben mit der nahen „V&A Waterfront“, Kapstadts beliebtestem und stark frequentiertem Einkaufs- und Touristenzentrum (24 Millionen Besucher pro Jahr). Wichtigster Punkt jedoch: Zeitz fand ein spektakuläres Gebäude mit 13 Etagen, einen ehemaligen Getreidesilo von 1920, der das Gelände am Hafen und die „Waterfront“ majestätisch überragt. Zeitz konnte den Besitzer der Waterfront, David Green, mit ins Boot seines ambitionierten Projekts ziehen. Green erwarb das Gebäude und finanziert den aufwendigen Umbau, den der Londoner Stararchitekt Thomas Heatherwick übernommen hat. Herzstück des Baus ist ein hochragendes, kathedralenartiges, spektakuläres Atrium, von dem die einzelnen Etagen ausgehen.

Zeitz MOCAA © Hufton+Crow

Afrika muss sein eigenes Narrativ erzählen, Afrika hat seine eigene Geschichte. Ich will den Menschen hier etwas geben, zur allgemeinen Bildung beitragen.

Jochen Zeitz, Sammler

Zeitz MOCAA © Hufton+Crow

Das XXL-Projekt kann mit Superlativen prunken: In dem Gebäude, in dem auch ein Hotel, einige Luxusappartements und auf dem Dach ein Restaurant mit atemberaubendem Panoramablick ihren Platz finden werden, erhält das Museum neun Stockwerke, zwei davon unterirdisch, und verfügt damit über 10.500 Quadratmeter, doppelt so viel wie das New Yorker Guggenheim Museum, erzählt Zeitz stolz.„Afrika muss sein eigenes Narrativ erzählen, Afrika hat seine eigene Geschichte“, lautet sein Credo.„Ich will den Menschen hier etwas geben, zur allgemeinen Bildung beitragen“, fügt er bescheiden hinzu. „Mit dem Museum geht mein Traum in Erfüllung.“ Weniger bescheiden sind die Vorbilder, an die er sich halten will: „Das Getty Museum in LA, Frick Collection und Guggenheim in New York“, nennt er.

AFRIKANISCHE GEGENWARTSKUNST

Jochen Zeitz’ Beitrag zu diesem Museumsprojekt ist seine eigene, immense Sammlung afrikanischer Gegenwartskunst, die er in eine Foundation einbrachte und als Dauerleihgabe dem Museum zur Verfügung stellt. Das ist ein großartiger Schatz, denn Zeitz gilt als einer der größten Sammler afrikanischer Gegenwartskunst, obwohl er mit amerikanischer Pop Art begonnen hatte, seine erste Erwerbung war ein Warhol. Doch dann entdeckte er seine Liebe zu Afrika, kaufte eine Farm in Kenia, die Segera, die später auch Künstlerateliers anbieten wird, und errichtete eine Luxus-Lodge, die mit ihrer Nachhaltigkeitspolitik wirbt. Und er entdeckte die afrikanische Gegenwartskunst, die er sofort zu sammeln begann. 2008 traf er den Südafrikaner Mark Coetzee, der zuvor Kurator der Rubell Collection in Miami war.

Installation View of Nicholas Hlobo's work Iimpundulu Zonke Ziyandilandela in the exhibition Two Together. 2019 courtesy by the artist

Die beiden spannten als Tandem zusammen und begannen, die Sammlung professionell aufzubauen. „Von Beginn an war ein Museum die Perspektive“, erinnert sich Coetzee, „das heißt, wir peilen Museumsqualität an. Dabei verstehen wir unter afrikanischer Gegenwartskunst ohne Unterschied Kunst von schwarzen wie weißen Künstlern, auch Künstlern, die in der Diaspora leben, etwa Marlene Dumas.“ Und sie erwarben fortan diese Kunst in großem Stil, kauften ganze Ausstellungen. Schlagzeilen machte der Erwerb des gesamten Pavillons von Angola, der auf der Venedig-Biennale von 2013 mit dem „Goldenen Löwen“ ausgezeichnet wurde. Er wird im neuen Museum als dreidimensionale Fotorekonstruktion zu sehen sein.Auch der Simbabwe-Pavillon mit Skulpturen von Michele Mathison wanderte in toto in die Zeitz-Sammlung. „Wir entscheiden gemeinsam, Dissens gab es bisher nie“, versichert Zeitz. „Dabei gilt als Leitlinie, dass es nicht darauf ankommt, besonders viele Künstler zu erwerben, vielmehr jeweils das Repräsentativste, also Meisterwerke, Schlüsselwerke und eine große Anzahl von einem Künstler. Von Kudzanai Chiurai haben wir zum Beispiel 80 Werke. Die Arbeiten sollen repräsentativ sein für die Region, das Land, den Kontinent“, erläutert Coetzee.

Zeitz MOCAA © Hufton+Crow

Künstler, die bereits internationalen Starstatus haben, wie Nandipha Mntambo, Nicholas Hlobo, Robin Rhode, Zanele Muholi oder Ibrahim Mahama und Liza Lou, sind natürlich schon vertreten. Strategie und Philosophie von Sammlung und Museum sind anspruchsvoll. „Es geht um unser Selbstvertrauen als Afrikaner“, betont Coetzee. „Wir verstehen die Sammlung als Legacy, als Vermächtnis, das heißt, wir bewahren die Künstler auch, wenn die allgemeine Aufmerksamkeit nachlässt. Enzyklopädisches Sammeln ist unser Auftrag.“ Sie kaufen, so erklärt er, weniger auf Messen, stets jedoch über Galerien, und lassen sich eher auf Biennalen inspirieren. Die gestiegene Aufmerksamkeit an afrikanischer Gegenwartskunst komme ihnen und dem Museum zugute, sie agieren als Katalysator. Am besten sei, so Coetzee, dass die Künstler jetzt von ihrer Arbeit leben können.


AUFSCHWUNG DER KUNSTSZENE

Angeschlossen an das Museum ist auch ein Kostüm-Institut, das die virtuose und reichhaltige Entwicklung der afrikanischen Textilkunst und des Textildesigns dokumentieren will, „um die Schönheiten des Kontinents zu feiern“. Die juristische Konstruktion des Museums richtet sich nach amerikanischen Modellen, wie das Guggenheim Museum in New York ist das Zeitz MOCAA eine private gemeinnützige Organisation, mit einem Trust und einem hochkarätig besetzten Board, Mark Coetzee erhält den Titel Chief Curator. Inzwischen gibt es auch bereits viele Unterstützer und Sponsoren, Banken, Firmen und Privatleute, die neben Zeitz und Green für den Unterhalt des Museums und für weitere Ankäufe sorgen. Geplant sind regelmäßige temporäre Ausstellungen, durchaus auch von holländischen oder britischen Künstlern, außerdem ein umfangreiches pädagogisches Programm. Coetzee ist zudem sicher, dass sich Kapstadt dank des neuen Museums, der Cape Town Art Fair, der Designmesse und der Galerien, die bisher die Museumsarbeit leisten mussten – neben den Platzhirschen Goodman und Stevenson vor allem die Galerien Whatiftheworld, Blanc, SMAC und MoMo –, noch forcierter als bisher zur Kunstmetropole Afrikas entwickeln wird. Kapstadt sei immer öfter das Ziel von Jetsettern, beobachtet Coetzee und prognostiziert: „Wenn die kommen, wollen sie auch Kultur, Kunst, Musik, Ballett. Kapstadt ist Lifestyle, wie Miami. “Auf Kunstfreunde warten weitere Attraktionen: Bereits vor einigen Jahren eröffnete der Finanzberater Piet Vieljoen sein eigenes, kleines, allerdings sehr aktives Privatmuseum, das „New Church Museum“, und bereits für nächstes Frühjahr plant die in New York lebende Südafrikanerin Wendy Fisher, Bildhauerin und Philanthropin (unter anderem Boardmitglied des Guggenheim Museum), ebenfalls die Eröffnung ihres feinen Privatmuseums. Also auf nach Kapstadt!


Aktuell ist das Museum auf Grund der Coronapandemie geschlossen. Ausstellungen wie "Two Together" oder "Shooting Down Babylon" sind aber noch bis 2022 zu sehen.

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