Albertina: Roy-Lichtenstein-Retrospektive zum 100. Geburtstag
Die Albertina widmet Roy Lichtenstein eine große Retrospektive zum 100. Geburtstag. Nach der Schenkung von Grafiken und Skulpturen durch die Roy Lichtenstein Foundation an die Albertina und dem pandemiebedingten Ausfall der Ausstellung des Whitney Museums in New York befinden sich auch wesentliche Leihgaben in Wien.
Über Nacht berühmt
Mit seinem Gemälde „Look Mickey“ nach den in der Hochkunst damals verpönten Comic-Strips wurde der bereits 38-jährige Roy Lichtenstein (1923 –1997) über Nacht berühmt, läutete die Pop-Art ein und griff durch seine ironische Haltung gegenüber dem subjektiven Pathos künstlerischer Handschrift der damaligen Stars des abstrakten Expressionismus weit voraus. Minimal- und Konzeptkunst wie auch Appropriation Art und somit die ganze Postmoderne leben bis heute von seiner Attacke, die ihm auch harsche Kritik einbrachte. Doch der Siegeszug seiner Mischung von Figuration und Abstraktion, von neuen Materialien wie Methoden, setzte sich von der ersten Schau in der prominenten Galerie Leo Castelli in New York fort. Nach Vorbildern aus Comics, Werbung, Zeitungen und Telefonbüchern griff Lichtenstein in die Kunstgeschichte und verwandelte Meisterwerke zu Cartoons – vom griechischen Apollotempel über Velazquez bis zu Monet und Picasso. Mit seinem Punktrasterverfahren in scheinbar billiges Gedrucktes gewandelt, löste er „High“ und „Low“ in der Kunst auf, täuschte industrielle Fertigung vor und verstärkte Einflüsse der englischen Pop-Künstler wie Richard Hamilton mit seinem sarkastischen aktuellen Blick auf die Konsumgesellschaft.
Nachdem er starke schwarze Umrisslinien und die Pünktchen-Technik „Ben-Day-Dots“ neben Primärfarben selbst gemalt hatte, bald auch mittels Schablone, ließ er die Bilder von Assistenten ausführen, denn der geniale Pinselstrich war für ihn nichts mehr wert – in Gegenteil, er isolierte ihn als Zitat für eine wichtige Serie von Gemälden und Skulpturen Mitte der 1960er-Jahre. Davon zeigt die Albertina wesentliche Beispiele wie auch 30der bekannten Frühwerke mit Comics und respektlos-sentimentalen Frauenbildern. Küsse und Landschaften, in denen ein Sonnenuntergang wie eine Liebesszene, ein Cowboy oder ein Atompilz gleichwertig und nur in Ausschnitten daherkommt. Collagen mit Silberfolien, Emailschilder wie in der Werbewelt oder bunte Tapeten oder Teppiche sowie bemalte Bronzeskulpturen sind selbstreflexiven Themen wie Ateliereinblicken oder Spiegelbildern gewidmet und stehen neben reduzierten wie üppigen Stillleben.
Die Basteihalle der Albertina deckt mit 89 Werken, von der kleinen Skizze und dem bekannten Keramik-Frauenkopf „Blonde“ über „Look Mickey“, „Drowning Girl“ bis zu monumentalen Leinwänden wie der späten Strandszene von 1995, alle Phasen und seriellen Thematiken Lichtensteins ab. Sogar seine mit ausgeschnittenen Comics bestückten Skizzenbücher sind in Wien erstmals zu sehen. Die bedeutendsten Museen der Welt haben Leihgaben geschickt, die eigentlich nicht mehr wandern, doch zu Ehren des 100. Geburtstags ausnahmsweise verschickt wurden. Es wird nach dieser in dieser Form wohl kaum noch einmal möglichen Jahrhundertschau eine Fortsetzung geben bei der Wiedereröffnung des ehemaligen Essl Museums in Klosterneuburg. Dort werden Schenkungen der Roy Lichtenstein Foundation von 2023 mit 95 Werken einen Schwerpunkt bilden, vor allem durch mit Skizzen begleitete Skulpturen.
Albertina
Albertinaplatz 1, 1010 Wien
Österreich
Roy Lichtenstein.
Zum 100. Geburtstag
Bis 14. Juli 2024