Albertina Modern

AI WEIWEI. IN SEARCH OF HUMANITY

Der chinesische Konzeptkünstler und Aktivist Ai Weiwei zählt zu den herausragenden künstlerischen Stimmen unserer Zeit. Sein vielseitiges, politisch-kritisches Werk ist radikal, kompromisslos, mitunter plakativ und in seiner Kritik oft auch umstritten.


Zusammen mit dem Künstler haben Elsy Lahner und Gastkurator Dieter Buchhart die Ausstellung mit dem Fokus auf Aspekte der Menschlichkeit konzipiert, von ganz frühen Arbeiten bis zu aktuellen Werken, Installationen und Videos. Ais künstlerisches Werk wurzelt stark in seiner Biografie, die man auch in seinen jüngst erschienenen Erinnerungen „1000 Jahre Freud und Leid“ nachlesen kann. 1957 in Peking geboren, wächst er unter ärmsten Verhältnissen in der Verbannung in der Provinz Xinjiang auf. Sein Vater, ein Dichter und kritischer Denker, wird während der Kulturrevolution in China unter Mao Tse-Tung als Regimegegner zwangsweise umgesiedelt, muss in einem Umerziehungslager harte und demütigende Arbeiten verrichten.

Anfang der 1980er-Jahre verlässt der Künstler seine Heimat Richtung New York, erkennt, dass Kunst, wie sie Duchamp und Warhol erweitert haben, auch eine Haltung, eine Lebensweise ist, ebenso wie politisches, kritisches Denken. Bezugnehmend auf Warhols Siebdrucke von Mao malt Ai 1985/86 eine Serie von Mao-Porträts im Wissen um die grausame Herrschaft des chinesischen Diktators – seine letzten Gemälde, bevor er sich der Konzeptkunst und dem Readymade zuwendet.

1993 kehrt der Künstler aus familiären Gründen nach China zurück, erkennt, dass sich politisch nichts geändert hat. Wütend über die menschenverachtende Haltung des Regimes erhebt er in der Fotoserie „Study of Perspective“ (1995) den gestreckten Mittelfinger gegen Monumente der Macht  der Beginn seines künstlerischen Aktivismus. Mit dem Fallenlassen eines wertvollen, jahrtausendealten Han-Gefäßes („Dropping a Han Dynasty Urn“, 1995) hinterfragt er das Festhalten an Traditionen, mit dem Bemalen antiker Urnen mit dem Coca-Cola-Logo (1994, 2015) spielt er auf die Haltung des Westens zu (außereuropäischen) Kulturgütern an und kritisiert die Konsumgesellschaft.

Ai Weiwei, Study of Perspective – Eiffel Tower, 1999, Farbfoto, ALBERTINA, Wien – The ESSL Collection, Foto: Mischa Nawrata © 2022 Ai Weiwei

Seine Festnahme im April 2011 durch die chinesische Geheimpolizei und die zermürbende Gefangenschaft verarbeitet Ai in „81“ und „S.A.C.R.E.D“ (beide 2013). Er dokumentiert Zelle und Umstände seiner Haft akribisch in einer Installation im Maßstab 1:1 und in kleinen Dioramen. Seine Auseinandersetzung mit den großen Flüchtlingsbewegungen seit 2015 wird in „Tyre“ (2016) und dem Video „Human Flow“ (2017) gezeigt – verbunden mit der kritischen Frage, wie reiche Industriestaaten mit Migration umgehen. Der Corona-Pandemie widmet er ebenso eine Arbeit („Coronation“, 2020).

Mit der Retrospektive bieten wir dem Publikum die Möglichkeit direkt bewegt zu werden und seine ganz persönlichen Anliegen zu erfahren.

Elsy Lahner

Ai Weiwei, S.A.C.R.E.D. (i) S upper, 2013, 1 von 6 Dioramen aus Fiberglas und Eisen, Courtesy of the artist and Lisson Gallery, Foto: Courtesy Ai Weiwei Studio and Lisson Gallery © 2022 Ai Weiwei

Die Einschränkung von Menschenrechten und Meinungsfreiheit in autoritären Regimen, Formen der Überwachung, Kontrolle und Zensur in China und weltweit sowie Flüchtlingsleid greift Ai auch in seinen Social-Media-Auftritten auf. Seine jüngste Instagram-Kampagne, #RunForOurRights, bezieht sich auf die Entscheidung des Londoner High Court, dass Julian Assange in die USA ausgeliefert werden darf. Mit einem Video Ai läuft (auf der Stelle) auf einem Laufband, das ihm der Wiki-Leaks-Gründer 2016 geschenkt hat will er auf die Pressefreiheit als eine der wichtigsten Säulen einer freien Gesellschaft hinweisen. Die „Treadmill“ ist ebenfalls in der Albertina Modern zu sehen.

1/5 | Ai Weiwei, Crystal Ball, 2017, Kristall, Rettungswesten, Courtesy of the artist and neugerriemschneider, Berlin, Foto: Courtesy Ai Weiwei Studio © 2022 Ai Weiwei

2/5 | Ai Weiwei, Forever Bicycles, 2003, 42 Fahrräder, Privatsammlung, Foto: ALBERTINA, Wien / Lisa Rastl & Reiner Riedler © 2022 Ai Weiwei

 

3/5 | Ai Weiwei, Grapes, 2011, 40 Holzstühle, Privatsammlung, Foto: Albertina, Wien / Lisa Rastl & Reiner Riedler © 2022 Ai Weiwei

4/5 | Ai Weiwei, Forge (Detail), 2008-2012, Eisen, Privatsammlung, Foto: Albertina, Wien / Lisa Rastl & Reiner Riedler © 2022 Ai Weiwei#

5/5 | Ai Weiwei, FUCK, 2000, Leuchtschrift, Privatsammlung, Foto: ALBERTINA, Wien / Lisa Rastl und Reiner Riedler © 2022 Ai Weiwei
 

ALBERTINA modern

Karlsplatz 5, 1010 Wien
Österreich

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