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Künstler des 20. Jahrhunderts

In diesem Jahr wurden eine Reihe von künstlerischen Positionen des 20. Jahrhunderts wieder stärker in den Fokus gerückt, die zu ihrer Zeit international erfolgreich waren und die Kunstszene wesentlich mitprägten, heute jedoch wenig bis kaum präsent sind. Einige davon werden nun mittels Ausstellungen in Galerien und Museen wieder in den Fokus gerückt und wecken internationales Sammlerinteresse. Den ganzen Beitrag lesen Sie im PARNASS Special Auctions & Fine Arts.


Robert Lettner

Obwohl die künstlerische Karriere des 1943 geborenen Robert Lettner in den 1970er-Jahren einen vielversprechenden Anfang genommen hatte, verschwand sein Schaffen zunehmend von der Präsentationsfläche des Kunstbetriebs – vielleicht um nun, zehn Jahre nach seinem Ableben, umso mehr die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Seine Familiengeschichte sollte für ihn grundlegend prägend sein: Sein Vater hatte bei der internationalen Brigade in Spanien gegen Franco gekämpft, seine Mutter Widerstand gegen die Nationalsozialisten geleistet. Sie trafen sich im französischen Exil, wo Robert Lettner in einem Internierungslager zur Welt kam. 1953 zog er nach Wien, absolvierte eine Lehre als Lithograph und studierte an der Akademie der bildenden Künste Malerei. 1976 holte Oswald Oberhuber Lettner für einen Lehrauftrag und 1985 als Professor der Grafikklasse an die Hochschule für angewandte Kunst, wo er bis 2008 einen legendären Unterricht gab. Lettner forschte und arbeitete interdisziplinär mit Mathematikern, Philosophen und Kunstwissenschaftlern, versuchte Bildbegriffe experimentell weiterzuentwickeln und auch mit digitalen Mitteln systematisch zu erweitern.

Robert Lettner | Ohne Titel, 1972, aus der Serie „Kalte Strahlung“, 160 × 188 cm | Courtesy Wonnerth Dejaco


Józef Jarema

Mit der Ausstellung „X-Value“ zeigte die Galerie Crone Wien im Frühjahr einen Einblick in das Schaffen des 1900 in Staryj Sambir (damals Galizien/Österreich, heute Ukraine) geborenen und 1974 in München gestorben Józef Jarema gemeinsam mit Werken von Hans Arp (1886­–1966). Jaremas und Arps Wege kreuzten sich mehrfach, sie stellten zusammen aus und organisierten gemeinsam länderübergreifende Künstlerkollaborationen. Sowohl Arp als auch Jarema verfassten neben ihrer künstlerischen Tätigkeit literarische Werke und fühlten sich einer universell-abstrahierenden Bildsprache verpflichtet. Im Gegensatz zu Hans Arp ist Józef Jarema jedoch von der Bühne der Kunstszene verschwunden, selbst in Polen, wo Jarema viele Jahre lebte, ist seine Schwester, die Künstlerin Maria Jarema, bekannter als ihr Bruder. Die nur bruchstückhafte überlieferte Biografie wurde von der Galerie Crone anhand vorhandener Artefakte, wie Ausstellungsplakate und Texte, die zum Großteil auf Polnisch verfasst sind, und seinem Œuvre, aus dem die Galerie ein Konvolut erwerben konnte, rekonstruiert – mit dem Ziel, Jarema „wieder dort zu platzieren, wo er zu Lebzeiten war.“

Józef Jarema | Ohne Titel VI, 1948, Öl und Gouache auf Platte, 25,2 × 32 cm | Fotos: Matthias Bildstein, Wien; Courtesy Galerie Crone, Berlin Wien


DARREL ELLIS

In den vielfältigen Beiträgen des diesjährigen Fotografie-Festivals FOTO WIEN fiel das Werk des US-amerikanischen Künstlers Darrel Ellis im Besondern auf. Ellis, geboren 1958 in New York, starb 1992 mit nur 33 Jahren an Aids. Er studierte in den 1970er-Jahren am Cooper Union CollegeKunst und war tief verankert in der New Yorker Subkultur der 1980er-Jahre, einer Zeit des Aufbruchs, der sexuellen Freiheit, des eskapistischen „anything goes“ vor dem großen Aids-Clash, dem er 1992 selbst zum Opfer fiel. Er war mit Robert Mapplethorpe und Peter Hujar befreundet, die ihn fotografierten. Nach seinem Tod wurde sein Werk in zahlreichen Gruppen- und Einzelausstellungen gezeigt, unter anderem in der legendären Überblicksschau „Witnesses: Against Our Vanishing“, die die Künstlerin Nan Goldin 1989 im Artists Space New York kuratierte, sowie 1992 in der großen Überblicksschau „New Photography 8“ im MoMA New York. Doch anders als Mapplethorpe oder Hujar, die wie er an Aids starben, fand das Werk des schwarzen Künstlers Darrel Ellis nur begrenzt Eingang in die Rezeption der progressiven, queeren Fotografie-Szene der 1980er-Jahre.

Darrel Ellis | Mommy, ca. 1989–1990, Silbergelatineabzug, 40,6 × 50,8 cm | Courtesy Darrel Ellis Estate und Galerie Crone, Berlin Wien


Anna Andreeva

Auch das Galerienfestival curated by hat im Herbst 2022 eine Position nach Wien geholt, die im internationalen Aufschwung begriffen ist. Spätestens seit das MoMA in New York Arbeiten aus ihrem Nachlass angekauft hat, ist es Zeit, sich näher mit Anna Andreeva auseinanderzusetzen. 1917 in Zentralrussland geboren, wollte Anna Andreeva zunächst Architektur studieren, musste sich aber aufgrund der gesellschaftlichen und politischen Umstände in Stalins Russland mit einem Studienplatz am Textilinstitut und einer späteren Anstellung in der Moskauer Krasnaja Roza, der ältesten und fortschrittlichsten Seidenmanufaktur Russlands, zufriedengeben. Dort entwickelte Andreeva, die sowohl an Massenproduktionen wie an exklusiven Aufträgen beteiligt war, stilistische Freiheiten, die in der Ästhetik der Sowjetunion sonst kaum Platz gefunden hätten.

Anna Andreeva | Vorläufige Berechnung für „Elektrifizierung“ Tusche, Gouache und Bleistift auf Papier, 40 × 28 cm | Courtesy Layr, Wie


GERDA FASSEL

Die Skulptur hat durch ihre räumliche Präsenz von jeher einen wesentlichen Stellenwert in der bildenden Kunst. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde jedoch der traditionelle Rahmen der figurativen Skulptur radikal gesprengt und die Idee des Körperlichen einer Neuinterpretation unterzogen. In der Folge umfasste die Skulptur vielfältige Positionen, Materialien und Medien und auch den öffentlichen Raum. Die Figur durchlief innerhalb dieser Zersplitterung und Erweiterung des Skulpturenbegriffs eine Reihe von Dekonstruktionen; dennoch hat sie bis heute nichts an Faszination verloren. Im Gegenteil: Als Ausgangspunkt skulpturaler Konzepte wurde sie nicht nur in Österreich, sondern auch international wieder neu entdeckt. Das Werk der Bildhauerin Gerda Fassel spielt in der Kontinuität und der Präsenz der figurativen Skulptur in Österreich eine wichtige und prägende Rolle und ist zu Unrecht in den letzten Jahren in den Hintergrund gerückt.

Gerda Fassel | Gilberte, 1979, Bronze, 22,5 × 19,5 × 17,5 cm | © by the artist

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