Im Porträt: Hermann Nitsch

„Ich möchte mit meinem Spiel das Sein verherrlichen“

Es geht ihm um die Lebensbejahung und die Überhöhung: Für PARNASS traf Thomas Trenkler den Künstler Hermann Nitsch, Mitbegründer des Wiener Aktionismus und nun ein alter Meister auf Schloss Prinzendorf. Ein persönliches Gespräch über seine Malaktionen zur „Walküre“ bei den diesjährigen Bayreuther Festspielen – und das 6-Tage-Spiel seines Orgien Mysterien Theaters, das nun erst im Sommer 2022 stattfinden soll.


PARNASS: Du hast dich im Frühjahr entschlossen, dein zweites 6-Tage-Spiel auf 2022 zu verschieben. Nicht nur wegen der Pandemie, sondern auch wegen der Einladung zu den Bayreuther Festspielen?

HERMANN NITSCH: Richtig. Das 6-Tage-Spiel hätte ursprünglich Ende Juli stattfinden sollen. Wegen Bayreuth wollten wir es um drei Wochen vorverlegen. Dann gab es die Idee, das 6-Tage-Spiel erst Ende August zu realisieren und an meinem Geburtstag enden zu lassen. Aber alle Pläne wurden zunichtegemacht – wegen der Beschränkungen aufgrund der Pandemie. Also verschieben wir es um ein Jahr. Aber ich bin nicht unglücklich darüber. Denn ich bin erst kürzlich mit der Partitur fertiggeworden. Sie hat 1000 Seiten und wird demnächst gedruckt vorliegen.

Du erwartest jetzt nicht, dass ich dir das 6-Tage-Spiel detailliert erzähle? Ich wäre gar nicht in der Lage dazu. Es ist verbal nicht vermittelbar.

Hermann Nitsch

P: Wie kam es überhaupt zur doch recht kurzfristigen Einladung nach Bayreuth?

HN: Ich habe schon vor Langem bekanntgegeben, dass ich keine Inszenierungen von Werken anderer mehr machen will. Meine letzte Arbeit war 2013 „Saint François d‘Assise“ von Olivier Messiaen in der Bayerischen Staatsoper. Aber der Kulturdezernent von Bayreuth hat mich gefragt, ob ich nicht die „Walküre“ gestalten will – unter ganz anderen Voraussetzungen: Es handle sich um eine konzertante Aufführung, die Sänger würden wie bei einem Oratorium an der Rampe stehen, und ich solle parallel dazu eine Aktion machen. Dieses Projekt hat mich dann doch gereizt, weil ich die Musik von Richard Wagner liebe. Es wird also eine große Malaktion stattfinden – wie zuletzt Ende Mai 2020 im Museum in Mistelbach.

P: Wie kommt man in Bayreuth eigentlich auf die „Walküre“? Wenn man dein Orgien Mysterien Theater kennt und um deine Beschäftigung mit der Religion weiß, käme viel eher der „Parsifal“ infrage …

HN: Man hat mir die „Walküre“ angeboten – und ich schätze sie. Aber ja, der „Parsifal“ ist sehr verwandt zu meinem eigenen Werk. 1995 habe ich in der Wiener Staatsoper „Hérodiade“ von Jules Massenet umgesetzt. In der Folge bot mir Ioan Holender, der damalige Direktor, den „Parsifal“ an. Wir standen kurz vor der Vertragsunterzeichnung, aber dann kam es nicht dazu. Damals wäre mir der „Parsifal“ unheimlich gelegen. Später wollte ich keine Inszenierungen mehr, ich habe mein eigenes Werk zu verwalten.

P: Demnächst, am 29. August, wirst du 83 Jahre alt. Willst du die Malaktion selbst bestreiten? Oder gibst du mit der Trillerpfeife Anweisungen?

HN: Meine zehn Malassistenten werden mir dabei helfen. Ich werde irgendwo sitzen – und dirigieren. Nicht die Musik, aber den Fluss der Farben. Ohne Trillerpfeife! Da habe ich einen zu großen Respekt vor Wagners Musik. Bei meiner eigenen Musik ist es anders. 

HERMANN NITSCH. Schloss Prinzendorf | Foto: © Rita Newman

P: Es sind drei konzertante Aufführungen unter der Leitung von Pietari Inkinen vorgesehen – am 29. Juli, 3. und 19. August. Wird an den Schütt- und Rinnbildern einfach weitergearbeitet?

HN: Nein, es beginnt jedes Mal eine neue Malaktion. Und mit jedem der drei Akte werden neue Leinwände verwendet.

P: Es entstehen also viele neue Werke …

HN: Schon. Einen kompletten Zyklus bekommt die Stadt Bayreuth.

P: Sprichst du dich mit dem Dirigenten ab?

HN: Er macht, was er muss. Ich mache, was ich will. Und die Aktion dauert eben so lange, so lange die Musik spielt.

HERMANN NITSCH | im Gespräch mit PARNASS, Schloss Prinzendorf | Foto: © Rita Newman

P: Bei der Malaktion in Mistelbach hast du sehr fröhliche, leuchtende Farben verwendet. Auf welche wirst du in Bayreuth zurückgreifen?

HN: Aufgrund meiner intensiven Beschäftigung mit den Mythen, den Tieropfern und auch der christlichen Passion habe ich lange Zeit fast nur rote oder schwarze Bilder gemalt. Aber bereits in meinen frühen Jahren hatte ich mich intensiv mit den Farben beschäftigt. Und seit einigen Jahren interessiert mich die Farbe wieder – das gesamte Spektrum des Regenbogens. Jetzt bestimmt mich die Farbe ganz entscheidend.

P: Beeinflusst auch von deiner unmittelbaren Umgebung in Prinzendorf? Jüngst sind viele gestische, pastose Bilder in Gelb entstanden …

HN: Natürlich. Rund um das Schloss gibt es Getreidefelder. Ich kenne die Landschaft seit meiner Kindheit. Sie prägt mich.

Weiter lesen Sie in unserer PARNASS Ausgabe 02/2021!

THOMAS TRENKLER UND SILVIE AIGNER | Schloss Prinzendorf | Foto: © Rita Newman

Diesen Kampf mit den Tierschützern, die eigentlich wissen müssten, dass ich einer der ihren bin, tu‘ ich mir nicht mehr an.

Hermann Nitsch

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