Bundeskunsthalle Bonn

Das ganze Spektrum: von Farben und Werten

Dem ubiquitärsten Asset der Kunst ein bunter Parcours: „Farbe ist Programm“ erzählt als kaleidoskopischer Essay aus mehr als 100 Jahren Kunst- und Kulturgeschichte von ihren ästhetischen, politischen und ökonomischen Wirkkräften.


Das Keyvisual der Ausstellung – ein roter Buzzer – erinnert an bundesrepublikanische Kulturgeschichte: Am 25. August 1967 gab Willy Brandt den bunten TV-Bildern das offizielle Geleit. Endlich könne die Welt so erfasst werden, wie sie wirklich ist, freute sich der spätere Kanzler Brandt. „In der Hoffnung auf friedliche farbige Ereignisse, über die zu berichten und die darzustellen sich lohnt.“ Die warmen Worte passen zwar kaum noch zur Welt – Frieden und Fernsehen haben nicht eben Konjunktur – wohl aber zur Ausstellung. Dass Farbe die Welt nicht einfach zeigt, wie sie vermeintlich ist, sondern vielmehr selbst ideologisch eingefärbt ist, fächert die Schau in einem Panorama auf. Judy Chicago ruft zum feministischen Fackellauf, mit Sophie Taeuber-Arp geht’s in die modernistische Bar Aubette, La Monte Young lädt in die synästhetische Disco, und Rudolf Steiner kommt zu Wort: „Blau: der Glanz des Seelischen, Gelb: der Glanz des Geistes“, notierte der Anthroposoph einst; möge der Teufel holen, wer diese Farben heuer beschmutzt.

Dass das alles recht retrocharmant rüberkommt, liegt auch an Co-Kurator Liam Gillick, dessen Ausstellungsarchitektur sich beim De Stijl-Vordenker Theo van Doesburg für einen Auftritt inspirieren lässt, der Unbeleckte womöglich an einen Toys “R” Us für Erwachsene erinnert – einem zu schlicht hierarchisch oder historisch geprägten Narrativ, so die Idee, will vorgebaut sein. Ob das nötig war, sei dahingestellt. Einen „freien, nicht geleiteten Parcours“ jedenfalls strebt das Kuratoren-Team an, auch sei man selbst „assoziativ“ herangegangen. Sarah Morris spiegelt jenes nostalgische Feeling mit einem Glanzlackgemälde, das auf Audio-Sequenzen Alexander Kluges zurückgeht. Besonders zeitgenössisch, wie der Wandtext es haben will, schaut’s nicht aus. Auch andere Vertreter der jüngeren Generation sehen neben der mühelos-poetischen Grandeur einer Helen Frankenthaler oder der konzeptuell-sinnlichen Strenge Josef Albers' älter aus, als ihnen lieb sein kann. Kapwani Kiwanga etwa kann an ihren gefeierten Biennale-Auftritt in Venedig kaum anknüpfen: Ihre Malerei-Paneelen verströmen den Charme langer Krankenhausflure. Das sollen sie wohl auch – aber ob das schon reicht, um etwa Machtasymmetrien in institutionellen Kontexten zu reflektieren?

Weiter lesen Sie in unserer PARNASS Ausgabe 02/2022.

Austellungsansicht, Foto: Simon Vogel, 2022 © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH

Sarah Morris, War of Roses (Sound Graph), 2019 © Sarah Morris, Foto: White Cube (Theo Christelis)

Helen Frankenthaler, When the Snow melts, 1975 © VG Bild-Kunst, Bonn 2022, Foto Courtesy of Sotheby’s

Hans Op de Beeck, Vanitas XL, 2021, Foto: Simon Vogel, 2022 © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH

Kapwani Kiwanga, Linear Paintings, 2017 © VG Bild-Kunst, Bonn 2022, Courtesy the artist and Galerie Tanja Wagner, Berlin

JUDY CHICAGO, Women and Smoke, 1971–72 © VG Bild-Kunst, Bonn 2022, Courtesy the artist, Jessica Silverman Gallery, San Francisco, Jeffrey Deitch, New York, und Salon 94, New York, Foto: Courtesy of Through the Flower Archives

Bundeskunsthalle Bonn

Helmut-Kohl-Allee 4, 53113 Bonn
Deutschland

FARBE IST PROGRAMM

bis 7. August 2022

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