Zur Parallelität von Kunst und Kapital
Bevor die viennacontemporary am 26. September 2018 zur Vernissage lädt, macht traditionell am Vortag die PARALLEL VIENNA den Auftakt der Wiener Kunstmessewoche. Unter dem Titelkonzept "Kunst und Kapital" zeigt die Satellitenmesse das sie längst nicht mehr nur die kleine Schwesternmesse ist und endlich ernst genommen werden will.
Es geht ums Geld. Ohne Geld kein Kunstschauen, ohne Geld keine Kunstproduktion. Dieses Tabu will die PARALLEL VIENNA heuer konkret ansprechen. Auch, weil man sich jährlich damit plagen muss. Nach den mäßigen Förderungen in den letzten Jahren, hat die Stadt Wien heuer keinen Cent zugeschossen, vom Bundeskanzleramt kamen 10.000 Euro. Eine Jury hätte die Messe für nicht förderwürdig befunden. Und das obwohl sich die Veranstaltung längst zu einer der wichtigsten Plattformen für die junge Szene entwickelt hat. Wer als Sammler Neues entdecken will, ist hier beraten. Und wer als Künstler den Schritt auf das Marktparkett wagen will, ebenso.
"Die viennacontemporary ist die internationale Messe, wer die Wiener Szene sehen will, kommt hier her" – ist man sich in der Lassallestraße einig. Den Status Quo der österreichischen Szene abbilden und dabei auch auf die (Kunst-)Geschichte verweisen, ist der nicht gerade kleine Anspruch der Messe mit der nicht gerade kleinen Künstlerliste – heuer umfasst sie etwa 500 Namen, die sechste Ausgabe der Messe ist die bisher größte.
Das ist auch dem diesjährigen Zwischennutzungsraum im zweiten Bezirk geschuldet. Ein fast noch intaktes Bürogebäude das Ende der 80er Jahre geplant und Anfang der 90er Jahre vom bekannten österreichischen Architekten Wilhelm Holzbauer fertiggestellt wurde, stellt heuer den Raum für künstlerische Experimente. Ursprünglich für IBM entworfen, diente es danach bis zur seiner weiteren Veräußerung als Verwaltungsgebäude für einen Finanzdienstleister.
Nun zieht die Kunst ein und fragt mit einer goldenen, aufgeblasenen Marxskulptur von Hannes Langeder am Dach nach Verteilungsgerechtigkeit und den Konnex von Kunst und Geld. "Kapitalismus ist ja nichts schlechtes, wenn ein Teil vom Kapital auch in die Kunst fließt", so Stefan Bidner, künstlerischer Leiter der PARALLEL. Man wolle das Thema Geld einfach einmal offen ansprechen.
Ein Rundgang
So fliegen dem Besucher gleich beim Eintreten Flyer mit der Aufschrift "Kauf dir Zeit" entgegen. Innerhalb der großartigen Zusammenstellung "Urgent Perspectives" des Kulturkontakt Austria/AIR Programm, wo beispielsweise Valerie Wolf Gang berührend überzeugt, versucht Maurits Boettger Zeit zu verkaufen. Wofür und um welchen Preis bestimmt man selbst, der Künstler akzeptiert auch Kreditkarten. Bloß für das Einlösen der offiziell gestellten Quittung (man hat tatsächlich eine Firma angemeldet) ist man dann selbst verantwortlich.
Das gilt wohl auch für das Projekt von LLLLLL. Als minimalistische Leuchtskulptur nahm man die namensgebende Gebäudeaufschrift über dem Eingang des Artist-Run-Space kurzerhand mit in die Lassallestraße um die Frage der Institutionalität auch kleiner "Off-Spaces" zu thematisieren. Was heißt dieses Off? Ist man nicht eigentlich sehr In damit? Wie auch die PARALLEL immer mehr Institution und weniger Alternative wird. "Wir sind Logo", lacht Reinhold Zisser der das Space gemeinsam mit Christoph Srb betreibt. Und zu diesem Logo kann man sich bekennen. Wer es sich im Rahmen der Messe tätowiert, kauft sich den Deal im kommenden Jahr eine Ausstellung bei LLLLLL zu machen – als Künstler oder Kurator – und in der WanderBAR mit Freigetränken versorgt zu werden. Die ersten Termine wurden bereits fixiert.
Dies ist nur eines von 55 diesjährigen PROJECT STATEMENTS. Einen Besuch wert auf jeden Fall auch der "Zoo" von GOMO, der das Voyeuristische Moment des Messebesuchs aufgreift, das Büro Weltausstellung, die aus Glasgow angereisten Celine sowie die Solopräsentation von Laurent Ajina bei Marcello Farabegoli Projects. Auch David Mase bei der Traktorfabrik lohnt einen Blick.
Wieder fallen auch viele der GALLERY STATEMENTS stark aus. Vor allem die beiden Räume der Galerie Elisabeth & Klaus Thoman, die mit Peter Sandbichler eine einzigartige Raumsituation konstruierten und nebenan klassisch, aber sehr ansprechend Michael Kienzer zeigen. Beim MAM überzeugen unterdessen Philip Mentzinger und Anastasiya Yarovenko, ARCC zeigt Alexandra Baumgartner und auch die Räume der Galerien 3/FLUX23, Steinek, Senn und Zimmermann Kratochwill sind einen Abstecher wert. Und bei bechter kastowsky bilden die präzisen, schwarz-weißen Arbeiten von Drago Persic einen angenehmen Moment der Ruhe im Messetrubel.
Auch kuratierte Formate finden sich heuer wieder auf der Messe. In der Sektion MASTERS blickt man im ehemaligen Archiv des Gebäudes auf das Archiv der österreichischen Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts und lädt Hrdlicka, West, Jürgenssen und Co auf die junge Messe. Etwas verstaubt wirkt dies hier in diesem Rahmen, doch die Größe der ausgewählten Werke spricht unbestreitbar für sich. Im CONCEPT STORE – dem versuchten Abbild aktueller Shopping Trends, einem Laden mit Wohlfühl-Pflanzen und Designmöbeln – widmet man sich der Fotografie, von etabliert bis aufstrebend.
Die PARALLEL als großes ARTIST STATEMENT
Wie immer liegt die Daseinsberechtigung dieser Messe aber vor allem in den hochkarätigen ARTIST STATEMENTS. Hier bittet etwa Eugen Wist einladend sich auf seine Leseliege zu begeben, Lucas Zallmann entführt in seine akribische Textmalerei, Titania Seidl legt erstmals die Geschichten hinter ihren Gemälden offen und teilt mit dem Besucher eine persönliche Kurzgeschichte. Die Rauminszenierungen von Emanuel Ehgartner, Saskia Te Nicklin und Sophie Hirsch überzeugen mit großen Gesten. Und Martin Roth stellt in zwei mit Schutt gefüllte Terrarien klingende Hamsterräder. Betrieben werden sie von Bitcoin Transaktionen, mal schneller, mal langsamer, ganz im Tempo des Marktes. Unsere Welt ist in dieser dystopische Zukunftsvision zu Schutt zerfallen, doch die Geldmaschinen laufen noch.
Jakob Kolb arbeitet sich unterdessen an der persönlichen Vergangenheit ab. Eine gescheiterte Beziehung ist der Ausgang für seine organisch-synthetischen Skulpturen aus Honig, Kunststoff, Pflanzen und Stahl. Und Chen Ting-Jung berührt mit einer der wenigen Videoarbeiten "Tiger Gathers", die eine laufende Performance im öffentlichen Raum thematisiert in der die Künstlerin versucht über ihre kulturellen Erinnerungen der Heimat in der fremde Dialog zu stiften.
Wenig präsent sind diesmal die INTERVENTIONS. Im großen Gebäude verlieren sie sich etwas und sind wohl stellenweise einfach nicht mutig genug. Außerhalb der MASTERS hätten Wurm und Kowanz vielleicht auch gar nicht Platz finden müssen. Ganz im Gegenteil zu Adrian Kowanz der für Studio K im Erdgeschoss mit Paul Hempt und Thomas Hitchcock eine hervorragend kuratierte Auswahl vorlegt. Die PARALLEL ist erwachsen geworden und man kann ihr das vielleicht ein bisschen vorwerfen. Mit dem goldenen Sujet und dem cleanen Gebäude. Doch. Dies ist die Messe der Wiener und über ihre Relevanz muss kein Wort verloren werden, die ist unbestritten.
Parallel Vienna
Lasallestraße 1, 1020 Wien
Österreich