Wonnerth Dejaco lässt die legendäre Ballgasse 6 aufleben
Die von Peter Pakesch geführte Galerie war Inbegriff einer experimentellen, international erfolgreichen Wiener Kunstszene der 80er und frühen 90er, spätestens mit der gleichnamigen Schau im Wien Museum wurde der Ruf der „Ballgasse 6“ konsolidiert. Nach einer Friseurakademie und Leerstand wird hier wieder Kunst gezeigt – mit Pakesch als Kurator.
Galerie Wonnerth Dejaco lebt Wiener Kult wieder auf
Seit der Gründung 2020 gestaltet die Galerie Wonnerth Dejaco ihr Programm mit Blick auf die junge Kunstszene und Off-Spaces in Wien. Die Adresse mit den ehemaligen Räumen der Galerie Pakesch im Innenhofgebäude war somit immer schon passend. Die temporäre Bespielung orientiert sich an dieser Vergangenheit, wo „Ballgasse 6“ an Namen wie Brandl, West, Zobernig und an Pakeschs internationales Netzwerk denken ließ, und weckt damit Hoffnung, dass die Adresse wieder zum Ort für Experimente werden kann.
Im hinteren Teil des Ausstellungsraums verspricht der Film „Ballgasseland“ (1992) von Hans Küng, Dorit Margreiter, Mathias Poledna und Florian Pumhösl alleine durch seinen Titel und die Beteiligten, die damalige Kunstszene zu beschreiben und so eine Brücke ins Heute zu schlagen. Er wird allerdings zum bloßen Zeitdokument: neben der Galerie Schapira & Beck, die hier die Avantgarde der 70er zeigte und Pakeschs Raum prägte, diskutiert er Lofts, Fertigbau und die damalige New Yorker Szene. Weil die Wiener Galerien damit nur wenig gemein hatten, meint Peter Pakesch:
Steffi Altes „demoraum K Recall“ (2024), eine Art Litfaßsäule mit Eingang und Innenbeleuchtung, steht bei Wonnerth-Dejaco gleichsam als Beweis für ein anhaltendes Interesse an solchen spontanen Räumen. Das Objekt erinnert an ihre Antwort auf den „Demoraum“ der Akademie der bildenden Künste Wien – ein Format, in dem etwa zehn Studierende pro Jahr ihre Arbeiten präsentieren konnten. Von 2009–10 konterte Alte mit einem Losverfahren am Kiosk diesen Auswahlprozess. Unter den Glücklichen, die eine Ausstellung im „demoraum K“ gewannen, fand sich dabei auch ihr damaliger Professor Heimo Zobernig, der den Kreis zur Ballgasse schließt und hier mit ortsspezifischen Eingriffen den Raum definiert.
Diese verwandeln die vergangenen Nutzungen des Raums in formale Referenzen – das würde für sich schon eine spannende Ausstellung ausmachen. Als erstes stechen orange Quader ins Auge, die entlang einer scheinbar willkürlichen Achse platziert wurden. Sie markieren den Platz der Waschbecken in der Ausbildungsstätte für Friseur:innen.
Umgekehrt wird die durch spätere Fenstereinbauten veränderte Lichtsituation der Galerie mit weißen Papierbahnen, die diese abdecken, wieder hergestellt. Etwas sperrig verdunkelt darüber hinaus ein mit schwarzem Molton bespannter Rahmen von mehr als 3x5m den Raum weiter. Diese Arbeit bezieht sich auf Herbert Brandl, der in einer frühen Pakesch-Ausstellung ein Gemälde an dieser Stelle zwischen Boden und Decke klemmte.
Vergangenheitsbewältigung und zeitgenössische Reflexion
Während diese Arbeiten klug die Geschichte des Raumes verarbeiten, erzählt Alighiero e Boettis „Calendario“ (1989) lediglich vom nie bei Pakesch verwirklichten Wunsch einer Ausstellung des italienischen Konzeptkünstlers, der seine Ausstellungen wohl vorfinanziert haben wollte. Bei all der Nostalgie läuft Georg Petermichls Fotografie „After Brassaï: Groupe Joyeux au Café Savoy“ (2010) – ein Reenactment von Brassaïs „Groupe Joyeux“ von 1932 – Gefahr, als Wunschdenken gelesen zu werden, Wien mit der Pariser Avantgardefotografie zu verbinden. Dabei greift die „queer joy“, diese Fotografie in ein Milieu außerhalb der normierten Gesellschaft zu übertragen, ein für die Idee der Ballgasse zentrales Thema auf – im Übrigen genauso wie „Das eigentliche Übel“ (2011), in dem Petermichl die Idee der Verschmutzung aus Michel Serres‘ gleichnamigen Essay spielerisch auf Konventionen des Films überträgt.
Spätestens hier wird offensichtlich, dass der Ausstellungstitel vielleicht zu sehr an der glorreichen Zeit der Galerie hängt. War es doch das Großartige, dass Pakeschs Galerie lokal großzügig Freiheiten zu experimentieren bot und Künstler:innen international aufbaute. Anstatt historischer Referenzen könnte gerade in diesem Raum, der exemplarisch für ein erfolgreiches Netzwerk in Österreich steht, gefragt werden, wie heute solche Orte geschaffen werden könnten – und die in dieser Ausstellung angeschnittene Kritik an Auswahlverfahren, das Verlassen der Konvention sowie den Mut zum temporären Experiment stärker betonen. Für Pakesch ist klar:
Galerie Wonnerth Dejaco
Ballgasse 6, 1010 Wien
Österreich
bis 22. Juni 2024
Ballgasse 6, Steffi Alte, Alighiero e Boetti, Georg Petermichl, Heimo Zobernig, kuratiert von Peter Pakesch mit Ballgasseland, Videoarbeit von Hans Küng, Dorit Margreiter, Mathias Poledna und Florian Pumhösl