Kunst und Klima

Wie Sand am Meer?

Seit Jahren spürt die deutsche Künstlerin Stefanie Zoche (*1965 München) der natürlichen Ressource Sand und dem Raubbau an diesem so wesentlichen Baustein der Erde nach. Bereits ab Ende der 1990er-Jahre verfolgte das Artist Duo Haubitz + Zoche eine wegweisende transdisziplinäre und recherchebasierte Kunstproduktion, die Stefanie Zoche seit dem Ableben der Künstlerpartnerin Sabine Haubitz 2014 unter ihrem eigenen Namen konsequent weiterverfolgt.


PARNASS: Wie kamen Sie darauf, sich mit dem schwindenden Rohstoff Sand auseinanderzusetzen?

Stefanie Zoche: Bei einer Recherchereise im Jahr 2005 in Indien habe ich zum ersten Mal davon gehört, dass Sand eine schwindende Ressource ist. Zusammen mit Sabine Haubitz, mit der ich über 16 Jahre als Künstlerinnenduo zusammengearbeitet habe, waren wir für Videoaufnahmen auf dem Fluss Yamuna unterwegs. Als wir filmten, wie bei Allahabad auf Dutzenden von Booten Männer mit langen Stangen förmlich Sand vom Flussgrund fischten, wurden wir zu unserem Erstaunen von unserem Bootsführer darauf aufmerksam gemacht, dass dieser Sandabbau illegal wäre. Dann beobachteten wir an der Küste Keralas, wie die Sandstrände innerhalb weniger Jahre schwanden und gingen dieser Spur nach, bis wir auf Informationen über den in Indien tobenden „Sandkrieg“ stießen. Ein Dokumentarfilm von Denis Delestrac machte uns bewusst, dass es sich dabei um ein nahezu weltweites Phänomen handelt. Als wir 2013 von der ERES-Stiftung in München eingeladen wurden, eine Ausstellung zum Thema Anthropozän zu konzipieren, haben wir unseren Fokus auf das Sand-Thema gelegt, da es zum einen noch nicht so bekannt war, zum anderen aber auch symbolisch stellvertretend für andere Ressourcen und damit für eine Vielzahl von Aspekten des Anthropozäns gelesen werden kann: Sand ist nach Wasser der vom Menschen am meisten verwendete Rohstoff überhaupt!

Der Abbau von Sand und Kies und deren Verwendung für Stahlbeton, Straßenbau und Landgewinnung trägt intensiv zur Veränderung der Erdoberfläche bei. Sand gibt es sprichwörtlich „wie Sand am Meer“, trotzdem wird er in solchen Mengen abgebaut, dass beispielsweise bereits fast 70 Prozent aller Strände weltweit durch den Raubbau zurückgegangen sind. Unser jährlicher Verbrauch an Sand ist so groß, dass man damit jedes Jahr einen Ring um den Äquator mit 25 Meter Höhe und 25 Meter Breite bauen könnte. Ich habe die Ausstellung in der ERES-Stiftung nach dem Tod von Sabine Haubitz im Jahr 2014 alleine realisiert. Dabei habe ich beispielsweise in der Videoinstallation „Fortuna Hill“ den illegalen Sandabbau in Indien und an der Küste Marokkos den zahllosen Investitionsruinen in Spanien gegenübergestellt. Auf der einen Seite Esel, die schaufelweise mit Sand beladen werden, auf der anderen gigantische leer stehende Flughäfen und langsam wieder verfallende Rohbauten von Feriensiedlungen, für die enorme Mengen an Sand und Zement verschwendet wurden.

STEFANIE ZOCHE | Leonia, 2018, Sand, Bindemittel, Ausstellung »Lettre d’Afrique« im Gouverneurspalast auf der Insel Gorée, Dak’Art OFF, 2018 | © by the artist/VG Bildkunst

PARNASS: Sie greifen ein Thema auf, für das kaum Bewusstsein herrscht. Die Ressource Sand scheint Otto Normalverbraucher kaum zu beschäftigen. Sehen Sie die Kunst als eine Vermittlerin?

Stefanie Zoche: Diese Rolle kann Kunst übernehmen, wenn sie sich dabei nicht einzig und allein auf die Vermittlung von konkreten Inhalten beschränkt. Kunst fungiert häufig als Seismograph für aktuell aktuell wichtige Themen und dies gilt ganz besonders auch in unserer hochbeschleunigten Zeit. Ich empfinde es als eine Art Privileg, dass ich mich mit viel Zeit meinen spezifischen Interessen widmen kann und mich beispielsweise jahrelang mit den Ressourcen Wasser oder Sand beschäftigen konnte. Daraus erwächst für mich auch so etwas wie eine Verantwortung, diese Muße der genauen Betrachtung, der tiefer gehenden Recherche, die mir ermöglicht wird, in etwas umzusetzen, das dann interessierten Menschen einen Blick auf neue Themen oder ungewohnte Perspektiven öffnen kann. Wenn aber Kunst zu einem reinen Vermittler von vorformulierten Inhalten degradiert oder für die Übertragung von eindimensionalen „Wahrheiten“ instrumentalisiert wird, funktioniert es für mich nicht mehr. Mir ist diese Gratwanderung immer sehr bewusst.

Das ganze Interview lesen Sie in unserer PARNASS Ausgabe 04/20!

STEFANIE ZOCHE, Eutropia, 2017, Sand, Furanharz, Stahl, Ausstellung »Interim«, ein Projekt derBundeskulturstiftung auf der Schwäbischen Alb, 2017 © by the artist/VG Bildkunst

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