Anna Meyer in der Saalfeldener Kunsthalle Nexus

Von Gelbwesten und Demonstrationen, prekären Verhältnissen und glänzenden Glasfassaden

Anna Meyer – Kritik der Digitalen Unvernunft, 2019, Ausstellungsansicht, Kunsthalle im Kunsthaus Nexus, Saalfelden | Courtesy Anna Meyer und Galerie Krobath Wien, Foto: Anna Meyer

Malerei ist unpolitisch? Von wegen! Die in Wien lebende Künstlerin Anna Meyer zeigt Haltung und beobachtet kritisch die Bedrohungen, denen die Demokratie ausgesetzt ist, den Turbokapitalismus und das digitale Leben. Die Kunsthalle Nexus zeigt einen Einblick in ihre Arbeiten der jüngeren Vergangenheit.


Auf der einen Seite die Leere, auf der anderen die Masse: Solche Bilder kennt man von politischen Reden. Als etwa Emmanuel Macron seine Antrittsrede hielt, schritt er einen völlig entleerten Platz entlang. Wo die Leere ist, dort ist die Macht. Das zeigt sich auch auf einem Werk von Anna Meyer, das den Wiener Heldenplatz zeigt, genauer gesagt: den Heldenplatz des 18. Dezember 2017. Damals wurde die türkis-blaue Regierung angelobt. Auf der linken Seite des Gemäldes formieren sich am Rasen wenige Polizisten. Auf der rechten Seite drängt sich die Menge der Demonstranten. Dazwischen eine Absperrung. „Die eine Seite steht für einen Polizeistaat, die andere für die Zivilgesellschaft. Die Linie dazwischen ist der schmale Grat zwischen Demokratie und autoritärem Staat“, sagt Anna Meyer in ihrer Ausstellung in der Kunsthalle Nexus in Saalfelden.

Dort zeigt sie nun Arbeiten der vergangenen Jahre. Neben den Bedrohungen, die von der türkis-blauen Regierung ausgehen, kommt eine Reihe weiterer brisanter Themen aufs Tapet: die Schwierigkeiten Serbiens, eine Demokratie zu etablieren, die Proteste der Gelbwesten in Frankreich, Teuerung des Wohnens in Wien, die allgegenwärtige Überwachung durch digitale Medien. Betritt man die Ausstellung, so schwirrt einem gleich eine ganze Armada an kleinformatigen Bildern, gemalt auf Plexiglas, entgegen. Sie hängen von der Decke. Man muss sich regelrecht durchschlängeln, wird damit unmittelbarer mit der Malerei konfrontiert. Darüber hinaus reflektieren sie die Art der Wahrnehmung in digitalen Medien.

„Die Bilder kommen einem so entgegen wie im Handy, wenn man googelt oder auf Instagram surft. Und sie leuchten, ähnlich wie Fotos am Bildschirm“, sagt die Künstlerin, die 1964 in Schaffhausen, in der Schweiz geboren wurde und seit den 1990er-Jahren in Wien lebt. Meyers großformatige Kompositionen besitzen ein unverwechselbares Kolorit, das in oft knalligen, geradezu giftigen Farben schillert. Schwefelgelb verwendet sie ebenso gerne wie blitzblau und giftgrün. In ihren jüngeren Gemälden ziehen sich apokalyptisch erscheinende Wolken über einen weiten Himmel, düsteres Blau vermischt sich mit toxischem Orange. Und blasses Gelb wabert in einer zweiteiligen Komposition zwischen bunt bemalten Häusern, wie sie in der albanischen Hauptstadt Tirana stehen.

Anna Meyer – Kritik der Digitalen Un Vernunft, 2019, Ausstellungsansicht, Kunsthalle im Kunsthaus Nexus, Saalfelden | Courtesy Anna Meyer und Galerie Krobath Wien, Foto: Anna Meyer

Anna Meyer – Kritik der Digitalen Un Vernunft, 2019, Ausstellungsansicht, Kunsthalle im Kunsthaus Nexus, Saalfelden | Courtesy Anna Meyer und Galerie Krobath Wien, Foto: Anna Meyer

Im Bild daneben ist auf einer Art Kiosk der Schriftzug „Hopesters“ zu lesen, ein Spiel mit den Worten „Hipster“ und „Hope“, ergänzt von Bildern, auf denen Demonstranten die französische Trikolore halten. Postkommunismus und Gelbwesten-Proteste erscheinen hier nicht als voneinander getrennte gesellschaftliche Realitäten, sondern verbunden durch eine diffuse gelbe Masse. Dazu baut die Künstlerin Modelle, dreidimensionale Szenerien, in denen Kosmetiktiegel, Medikamentenpackungen und Dosen zu Gebäuden werden.

Die Bilder kommen einem so entgegen wie im Handy, wenn man googelt oder auf Instagram surft.

Anna Meyer

Der Gegensatz zu diesen Trash-Architekturen sind Glasfassaden zeitgenössischen Bauens, die sich wie ein Fixpunkt seit vielen Jahren durch die Malerei von Meyer ziehen. Auch in ihrer jüngsten Komposition bilden sie das dominante Element: Im Hintergrund des Bildes erheben sich die drei Wohntürme des Stararchitekten Renzo Piano am Gelände des einstigen Wiener Hauptbahnhofs, in denen Luxuswohnungen entstehen. Davor schwebt eine Kappe auf einer Stange – es handelt sich um ein Werk ihrer Künstlerkollegin Maruša Sagadin, beauftragt von Kunst im öffentlichen Raum in Wien.

Darunter drehen Breakdancerinnen ihre Kunststücke: ein Ort für junge Mädchen und Frauen, Freiraum, wie er in den kommerziell dominierten und immer teurer werdenden Städten Europas immer enger wird. Die glitzernden Fassaden des Kapitalismus wirken wie übermächtige Wesen, die im Hintergrund die Gesellschaft bedrohen. Nur selten kümmert sich die Malerei der Gegenwart heute um politisch brisante Themen. Anna Meyer zeigt, wie es geht.

Kunsthalle Nexus

Am Postplatz 1, 5760 Saalfelden
Österreich

Anna Meyer – Kritik der digitalen Un Vernunft

16. Februar bis 13. April 2019

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