Versions of Inversion: Ein reizvolles Duo im New Jörg
Innerhalb des unabhängigen Ausstellungsprogrammes „Pappenheimgasse 37“ in den Räumen des New Jörg stiftet die Kunstkritikerin Alexandra Maria Toth aktuell mit der von ihr kuratierten Ausstellung einen harmonischen internationalen Dialog mit austauschbaren Interpretationen und der einen oder anderen Disharmonie.
Schon Wittgenstein hat sich ausführlich damit befasst: Dem Unterschied von „sehen“ und „sehen als“. Klassisches Beispiel – die Rubinsche Vase. Sie ist sowohl Glasgefäß wie auch zwei Gesichter im Profil. Je nachdem wer sie, wie betrachtet. Dieses Spiel mit dem Möglichkeitsraum der Bildinterpretation beherrscht auch Thilo Jenssen. „Smooth Operator“ heißt die Serie, die er aktuell im New Jörg inszeniert. Sie zeigt Bildausschnitte von Körpern in Interaktion. Es sind Hilfsgriffe, wie sie in Erste-Hilfe-Kursen gelehrt und beim Bergen von verletzten Menschen aus Gefahrenzonen ausgeführt werden. Durch die ungewöhnlichen Bildausschnitte verfremdet der Künstler jedoch den Eindruck. Bei den Gesten, aufs Wesentliche reduziert, könnte es sich durchaus auch um gewaltsame Einschritte handeln. Wie nah Zärtlichkeit und Gewalt oft beieinanderliegen fasziniert den 1984 in Daun, Deutschland geborenen, inzwischen aber in Wien lebenden Jenssen. „Dominanz, Aggression und Unterwerfung sind Spaß, Lust und Zärtlichkeit oft sehr nah“, erklärt der Künstler in der Ausstellung. Oft passiert zeitgleich, was eigentlich widersprüchlich wirkt.
Die Bildausschnitte bringt Jenssen auf Halterungen im Raum an: „Was einerseits Halt, Unterstützung ist, ist gleichzeitig auch immer eine Art von Steuerung“. Durch die Stäbe finden die Bilder Fortsetzung im Raum und werden beinahe körperlich.
Im „Körperlichen Moment“ erkennt Jenssen auch den Kontext zu Hannah Jean Boone. Mit einer in situ eigens gestalteten Wandmalerei und Teppichen nimmt die kanadische Künstlerin den Dialog mit dem Künstler auf. Zwischen Eros und Thanatos, Lust und Aggression streift auch Boone Fragen an der Schwelle von Sein und Schein. Monumental in seiner Größe und doch tänzerisch leicht in seiner Ausführung steht dem Betrachter eine eindrucksvolle Partyszenerie angelehnt an Nicolas Poussins „Triumph des Pan“ gegenüber. Dabei lenkt die Künstlerin mit scheinbar willkürlich gesetzten Neon-Highlights die Leserichtung. „Man kann eine wilde, lustige Orgie erkennen, oder Szenen der Gewalt, je nachdem wie man darauf blickt“, schmunzelt die junge Künstlerin.
Ambivalenz ist auch das Thema der beiden Teppiche, die Boone, die Fashion Design studierte, mit nach Wien brachte. Sie zeigen Hunde – im Kampf oder Spiel. Oder ist es doch immer ein bisschen von beidem? „Wir mögen beide Dinge, die nicht nur eine Sache sind“, beschreibt sie die gemeinsame Ausstellung mit Thilo Jenssen. Dieser stellt einen zweiten Zyklus in den Ausstellungsraum: Motive aus geschliffenem Autolack – energetische Arbeiten. Das Körperliche liegt hier im Prozess, erklärt Jenssen. Und auch im Assoziativen das überhaupt beiden ausgestellten Werkkörpern liegt. Überraschend gut harmonieren die technisch so unterschiedlichen Arbeiten von Thilo Jenssen und Hannah Jean Boone, die spielerisch und wohl bedacht gesetzt den Raum des New Jörg erobern. Alexandra-Maria Toth, Kuratorin der Ausstellung, entdeckte Hannah Jean Boone in Los Angeles. Eine zweite Episode des Zwiegesprächs Jenssen-Boone ebenda ist nicht ausgeschlossen. Für Morgen, dem 22. Februar 2019, ist die Finissage in Wien angesagt.