Steve McCurry

UNMITTELBARKEIT DIE BEEINDRUCKT

In den abgedunkelten, eindrucksvoll hohen und mit dezenter Lauten- und Klarinettenmusik beschallten Räumen des Semperdepots kann man bis Ende September die großformatigen Fotoarbeiten des US-Amerikaners Steve McCurry sehen. Bemerkenswert in Szene gesetzt, erzählen die Bilder von fernen Ländern und aufregenden Lebensumständen.


Wer hat sie noch nicht gesehen, die riesengroße Farbfotografie, die einst als Cover des Magazins „National Geographic“ um die Welt ging und seitdem Berühmtheit erlangt hat. Es ist das meistgezeigte Bild einer sozusagen unbekannten Person. Zu sehen ist das Gesicht einer jungen Afghanin, deren grüne, vielsagende Augen den Betrachter in ihren Bann ziehen. Steve McCurry hat dieses Bild vor Jahrzehnten aufgenommen und es hat ihn zu einem Weltstar gemacht. Dieses, und viele weitere großformatige Close-ups sind aktuell im  Atelierhaus der bildenden Künste zu sehen. Initiiert wurde die Ausstellung von Christian Jungwirth, selbst Fotograf mit steirischen Wurzeln und einem Atelier und Galerieräumen am Grazer Opernring.

„Hi, this is Steve“ hörte Christian Jungwirth, vor vielen Jahren mitten in der Nacht am Ende der Telefonleitung. Jungwirth hatte die Fotografien von Steve McCurry bereits länger im Fokus und wollte den in den USA lebenden Künstler nach Graz einladen. Damals hatte man ihm kurzfristig eine Wagner-Biró-Halle, die vor dem Abriss stand, für zwei Monate angeboten und diese Chance, einen unermesslich großen Raum mit Fotografie zu bespielen, wollte sich Jungwirth nicht entgehen lassen. Wegen der allzu kurzen Vorlaufzeit hat es mit Steve McCurry damals nicht geklappt, doch damals begann die Freundschaft zwischen den beiden Fotografen.

Vor zwei Jahren war es dann soweit. In der Grazer Messehalle hingen die Fotografien des Amerikaners in einer aufsehenerregenden Inszenierung, in hinterleuchteten Schaukästen großen Formats. Die Ausstellung wurde zum Publikumsmagnet. Das Semperdepot als Location für den heurigen Sommer dürfte den Erfolg noch toppen. „Was macht Steve McCurrys Fotografie so einzigartig“ fragen wir Christian Jungwirth. „Es ist die Unmittelbarkeit die beeindruckt. Prinzipiell sind die Bilder sehr einfach und klar, aber absolut nicht trivial. Sie sind fesselnd, hintergründig und stark in ihrer Aussage. Es sind unbeobachtete Momente, die Steve einfängt und wodurch ein besonderer Kontakt zur fotografierten Person entsteht.“

© Steve McCurry, courtesy Atelier Jungwirth

Die Motive stammen aus aller Welt. Steve McCurry ist ein weitgereister Bildjournalist. Seine Karriere hat er in Kriegsgebieten begonnen. Pakistan, Afghanistan, Irak und auch afrikanische Länder hat er besucht. Ein Abenteurer, der stets neugierig ist und der mittels seiner Bilder Botschaften verbreitet. McCurry wurde schon früh zum Magnum-Fotografen geadelt, wo er in einem Atemzug mit Inge Morath, Henri Cartier-Bresson, René Burri oder Alec Soth genannt werden kann.

Ausstellungsansicht Semperdepot

Am 11. September 2001 fing er den Terroranschlag in New York fotografisch ein. Eben erst von einer mehrwöchigen Asienreise zurück in New York sieht er vom Fenster seines Büros aus die Twin Towers zusammenbrechen und hält diese Dramatik in schnell geschossenen Bildern fest. Emotional aufwühlend und verstörend ist nicht nur das Ereignis sondern auch die Fotografien und ihre  technische Umsetzung, sind sie doch „dezent verwackelt“ wie Christian Jungwirth empfindet.

Beeindruckend auch die Fortsetzungsgeschichte zum „Afghan Girl“. 18 Jahre nach der Veröffentlichung des Originalbildes hat sich Steve McCurry auf die erneute Suche nach dem Mädchen gemacht. Er hat sie gefunden und fotografiert. Sie ist zwar gealtert, aber nichtsdestotrotz unverkennbar und noch immer schön und stolz in der Ausstellung zu sehen.

Steve McCurry

Das Antlitz eines erschöpften Bergbauarbeiters, der Beduine mit verrutschtem Turban, Frauen, die sich vor dem Sandsturm in Indien schützen, meditierende Mönche, Fischer in Sri Lanka, die in rauer See auf Holzstangen Balance halten, eine Dampflok vor dem Taj Mahal oder die Kamele vor den brennenden Ölfeldern in Kuwait sind nur einige der unvergesslichen Eindrücke, die Steve McCurry mit seiner Leica auf ästhetische Weise auf seine Bilder bannt.

Für die Ausstellungsmacher Christian Jungwirth und seine Partnerin Birgit Enge, ist dieses Projekt ein Meilenstein. Sie haben Größen der Fotografie wie Paolo Roversi, Greg Gorman, Peter Mathis, Véronique Vial, Erich Lessing, Marc Lagrange, Oliviero Toscani und viele mehr in Ausstelllungen gezeigt. Keine kam an die Semperdepot-Schau heran. Und kein Wunder, dass Jungwirths Träume geweckt wurden: Das Pariser Grand Palais oder Pirellis Hangar Bicocca in Mailand würde er gerne einmal bespielen, wie er augenzwinkernd sagt.

Semperdepot

Lehárgasse 6-8, 1060 Wien
Österreich

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