Ein Gespräch mit Belvedere Chefkuratorin Luisa Ziaja

Über das Neue | Belvedere 21

Mit der dreiteiligen Ausstellungsreihe »Über Das Neue« holt das Belvedere 21 heuer über das ganze Jahr hinweg die junge Generation von Künstler:innen und die lebendige Wiener Kunstszene aus selbstorganisierten Kunsträumen ins Museum. Belvedere Chefkuratorin Luisa Ziaja ist eine von fünf Kuratorinnen hinter diesem Format: PARNASS erzählt sie, welche Tendenzen sie in der lokalen zeitgenössischen Kunst derzeit beobachtet, wie aktiv die Szenen sind und wie sich die gesellschaftspolitische Lage auf diese auswirkt.


PARNASS: Lässt sich sagen, was das Neue ist? Welche Tendenzen sind in lokalen Kunstszenen beobachtbar?

LUISA ZIAJA: Vorweg: Wir möchten den Begriff des „Neuen“ in der Ambivalenz seiner Bedeutung und Funktion im Kontext der zeitgenössischen Kunst verstanden wissen und setzen ihn durchaus mit Augenzwinkern ein. Unser Projekt bietet auch keine abschließende Antwort auf diese Frage, aber sehr wohl spürt es Tendenzen nach, die wir seit 2019, als das Format etabliert wurde, wahrgenommen haben. Unser Eindruck ist, dass es jetzt noch stärker um eine Verhandlung unserer krisenhaften Gegenwart geht, weniger um kunstimmanente Fragestellungen als um gesellschaftspolitische. So beschäftigt die Frage nach dem Verhältnis von Selbst und Welt, Subjekt und System, Individuum und Gesellschaft viele der gezeigten Positionen. Entwürfe von Welt und Kosmos, Alternativen und neue Narrative des Zusammenlebens zeigen sich dabei ebenso wie die Auseinandersetzung mit Kultur und Natur, Wechselwirkungen zwischen Körper und Natur, aber auch phantasmatische Ansätze einer Umwertung bestehender Dominanzverhältnisse. Die Durchdringung unserer Lebenswelt durch neue Technologien, der unablässige Strom digitaler Bilder, Aufmerksamkeitsökonomien und Logiken des „Viralgehens“ banaler Sujets, das Verhältnis von Trash und Kunst, Relevanz und Bedeutungslosigkeit, aber auch Potenziale künstlicher Intelligenz in kreativen Prozessen sind zentrale Themen, die sich nachverfolgen lassen.

P: Die Präsentation ist als dynamisches, dreiteiliges Format angelegt. Wurde diese Entscheidung getroffen, weil die Szene mehr in Bewegung ist?

LZ: Die Dynamik ist dem Format „Über das Neue“ von Beginn an eingeschrieben: Als Severin Dünser und ich es 2019 konzipierten, taten wir das angesichts verschiedener sehr lebendiger, „alternativer“ Kunstszenen – im Plural – und des Wunsches und der Notwendigkeit, der jungen Generation lokal arbeitender Künstler:innen im Museum eine Plattform zu geben und damit auch das Belvedere 21 als relevanten Ort für sie zu markieren. Teil des Konzepts war damals schon die Erweiterung und Öffnung unserer kuratorischen Autor:innenschaft durch die Einladung an Betreiber:innen selbstorganisierter Kunsträume, wechselnde Ausstellungen in der Ausstellung zu verantworten, um die Perspektiven auf die Szenen zu diversifizieren und zu multiplizieren. Dieses Konzept verfolgen wir auch jetzt, in gewisser Weise vervielfacht.

LUISA ZIAJA | Foto: Ouriel Morgensztern / Belvedere, Wien

P: Insgesamt zeigt ihr dieses Jahr 44 Einzelpositionen und 24 selbstorganisierte Kunsträume. Wie habt ihr euch die Szenen angeschaut und wie kommt etwas auf eure Liste?

LZ: Allein dadurch, dass wir fünf Kuratorinnen sind und mit unterschiedlichen Interessen auf künstlerische Produktion und das Ausstellungsgeschehen blicken, war unsere Recherche umfangreich und der Prozess des Aushandelns hat einige Zeit in Anspruch genommen. Gleichzeitig eint uns das Grundverständnis, in der Tradition des feministischen Kuratierens zu stehen, was die Auswahl auch motiviert. Etwa wenn es darum geht, den Blick auf Leerstellen zu richten: Welche Positionen, welche Ansätze und Themen sind im Museum unterrepräsentiert? Welche fehlen? Wichtig war uns, zugleich diversifiziert und spezifisch zu arbeiten.

Dieser Text wurde gekürzt. Weiter lesen Sie in unserem PARNASS Special UP&COMING:

Ausstellungsansicht »Über das Neue. Wiener Szenen und darüber hinaus – Teil 2« Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien

Belvedere 21

Quartier Belvedere, Arsenalstraße 1, 1030 Wien
Österreich

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