Lenbachhaus München

Turner und die Grenzen des Darstellbaren

Mit Joseph Mallord William Turner bringt das Lenbachhaus ein kunsthistorisches Schwergewicht aufs europäische Festland. Seine Malerei brach mit den Sehgewohnheiten der Zeit, Kritiker lobten seine Naturnähe – oder warfen ihm „Mangel an Wahrheit“ vor. „Three Horizons“ zeichnet den Werdegang des Vorreiters der Moderne nach.


Bis heute verzaubern und faszinieren die Gemälde von Turner – nicht zuletzt aufgrund der für die Zeit der Entstehung so bemerkenswert modernen Reduziertheit an der Grenze zur Abstraktion. Nicht umsonst ist Turner als „Maler des Lichts“ bekannt, der mit dem Pinsel mehr die Atmosphäre von Landschaften, See- oder Stadtansichten einzufangen suchte, als sich in allzu akkuraten Details zu verlieren oder der nach akademischer Tradition überlegenen Historienmalerei zu viel Platz einzuräumen. Der Romantiker gilt als Vorreiter der Moderne. Schon lange trug sich deshalb das Lenbachhaus mit dem Gedanken, im Kontext seiner Erforschung der Geschichte der Abstraktion auch die „Proto-Abstraktion“ Turners in umfassendem Rahmen zu zeigen, so Direktor Matthias Mühling.

Nun wurde dieses Projekt endlich in die Tat umgesetzt und ist aktuell im Kunstbau am Königsplatz zu sehen. Rund 40 Ölgemälde und ebenso viele Aquarelle und Arbeiten auf Papier werden gezeigt (auch ein paar Skizzenbücher sind darunter sowie Zeichnungen, die Turner für seine langjährige Lehrtätigkeit zur Perspektive anfertigte). Maßgeblich unterstützt wurde die Erfüllung dieses Wunsches durch die Kooperation mit der Tate Britain, in deren Obhut der Nachlass des Künstlers liegt, und einem Tausch aus der Schatzkammer des Lenbachhauses: Turner gegen Blauer Reiter. Münter, Kandinsky, Marc und Co. werden im Frühjahr 2024 in London dem britischen Publikum präsentiert.

Im Gegenzug kann man nun in München mit Turner durch Europa und die Zeit der Industriellen Revolution reisen, vor allem aber auch durch sämtliche Schaffensphasen seines Œuvres und die Genese seines Images als Wegbereiter der abstrakten Malerei. Auch um diesen Mythos, die auseinandergehenden Meinungen der zeitgenössischen Kritiker und um die (Selbst-)Inszenierung des Malers geht es in der Ausstellung.

Schneesturm - Ein Dampfschiff im flachen Wasser vor einer Hafeneinfahrt, ausgestellt 1842, Joseph Mallord William Turner (1775-1851). Tate: Accepted by the nation as part of the Turner Bequest 1856 © Foto Tate

Wie präsentierte Turner sich und seine Werke in der Öffentlichkeit und was blieb stattdessen hinter verschlossenen Türen? Wie erarbeitete er sich seine so charakteristische Ästhetik und Auffassung der Naturwiedergabe abseits der Konventionen? Und wie verschränken sich all diese Aspekte schließlich zum „Phänomen Turner“?

Der Leuchtturm von Marseille vom Meer aus, ca. 1828, Joseph Mallord William Turner (1775-1851). Tate: Accepted by the nation as part of the Turner Bequest 1856 © Foto Tate

Ausstellunsgsansicht, Turner. Three Horizons, Lenbachhaus, 2023, Foto: Lenbachhaus, Simone Gänsheimer

Ausstellunsgsansicht, Turner. Three Horizons, Lenbachhaus, 2023, Foto: Lenbachhaus, Simone Gänsheimer

Ausstellunsgsansicht, Turner. Three Horizons, Lenbachhaus, 2023, Foto: Lenbachhaus, Simone Gänsheimer

Niedergang einer Lawine in Graubünden, ausgestellt 1810, Joseph Mallord William Turner (1775-1851). Tate: Accepted by the nation as part of the Turner Bequest 1856 © Foto Tate

Städtische Galerie im Lenbachhaus

Luisenstraße 33, 80333 München
Deutschland

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