Toni Schmale: Pure Symbolik und poetische Metapher
Zwei Zapfsäulen, ein Sockel und ein Dach – Toni Schmale abstrahiert die Idee einer kommerziellen Tankstelle zur minimalistischen Installation und poetischen Metapher.
Von der Wiener Wiese nach Dornbirn
Aalglatt, monochrom und auf ihre pure Symbolik reduziert steht die „TANKE“ im Kunstraum Dornbirn. Es ist die zweite ihrer Art. Eine im Maß idente „TANKE 24/7“ findet sich seit 2021 im öffentlichen Raum in Wien. Schmale gewann eine Ausschreibung von KÖR Kunst im öffentlichen Raum Wien und gestaltete daraufhin einen Platz im 5. Bezirk im Stefan-Weber-Park mit einer monumentalen Stahlarbeit. Zwischen zwei Wildwiesen steht sie da, die aus ihrer Funktion gerissene, ständig offene und gleichsam ewig geschlossene Tankstelle, deren Umrisse von der Natur zurückerobert werden und deren Daseinsberechtigung im Stadtverkehr eine Absage erteilt wird: Hier gibt es keinen Treib-Stoff. In Dornbirn denkt Toni Schmale ihren Topos nun erstmalig im Innenraum weiter – „ein abgeschlossener Ort der Ruhe und Stille und Reflexion“. Im Verhältnis 2:1 zur Halle wirke die Arbeit auch in ihrer Größe völlig verändert im Vergleich zum Stadtraum, erklärt Schmale beim Atelierbesuch in Wien. Die Tankstelle interessiert die Künstlerin als soziales Konzept.
Die kommunikative Idee überdauert auch im Ausstellungsraum, doch die Grundfunktion der Tankstelle wird vollkommen negiert. Übrig bleibt ein irritierend dysfunktionaler Ort, der aus der Zeit fällt, zwischen Dystopie und Utopie schwebt. Das absurde Prinzip der Funktionsstörung wird in Dornbirn noch weiter getrieben als in Wien – nicht einmal zufahren kann man zur Tanke. Sie ist ein „Ausstellungsrelikt“ in der großen ehemaligen Montagehalle.
Sie ist ein Platz, der durch seine Gäste erst aufgeladen wird. Der Ort ist ein flexibler Platz, der allen frei zugänglich ist und sich in jederlei Umgebung einschreibt. Die Tankstelle wird zur Kulisse für das Zusammenkommen von Menschen. Überall gibt es Tankstellen, oft verlassene. Sie haben auch vor Schmale schon Künstler beschäftigt: Edward Hopper machte sie zum nüchtern-poetischen Bildausschnitt und Ed Ruscha fotografierte die weltberühmte Serie „Twentysix Gasoline Stations“. Auch Schmale ist noch nicht fertig mit dem Topos. Ein humoristisches und fast schon surreales Versatzstück ihrer Gedanken findet sich übrigens bereits am Semmering: Ein Trampelpfad vom Bahnhof führt zu einer singulären, im Umraum verlorenen Tanksäule in der Landschaft.
Tankstelle als Gesellschaftskritik
In Dornbirn hingegen bekommt die Tankstelle – komponiert aus den reduzierten Grundfesten Tanksäulen und Dach – nun zum ersten Mal Nebenakteure: Zwei Schlauchobjekte bewohnen den Ausstellungsraum. Für die neuen Werke „sucker #1 #2“ und „sucker #3“, die die Tankstelle wie vergessene Autos besiedeln, bleibt Toni Schmale in der bildlichen Welt der Tankstelle – der Reifenluftdruckmessgeräte oder Staubsauger. Apropos Auto – damit macht sich natürlich ein noch größerer Gedankenraum auf. An Schmales Tanke gibt es keine Wettbewerbe unter Männern mehr, keinen Lackabgleich – alles ist monochrom und frei von Hierarchie, auch der der Geschlechter. Es ist ein insgesamt gelungen kühles Arrangement mit viel Zündstoff, das Schmale liefert. Nicht zuletzt weil die Tankstelle auch gesellschaftspolitisch interpretiert werden kann und muss, man denke etwa an Friedrich Dürrenmatts Äußerung: „Die Welt ist eine Tankstelle, an der das Rauchen nicht verboten ist.“
Kunstraum Dornbirn
Jahngasse 9, 6850 Dornbirn
Österreich
Toni Schmale
Tanke
Bis 9. Juni 2024
Tipp: Die Albertina Modern in Wien zeigt bis 28. Juli Toni Schmale in Zusammenschau mit Zeichnungen von Bruno Gironcoli.