Xenia Hausner, Kopfschuss, 2002-2004, Acryl auf Hartfaser © Bildrecht, Wien, 2020

Trotz Shut Down – Kunst wird produziert. Täglich geben wir Einblicke in die Ateliers. Zum virtuellen Interview traf PARNASS Autorin Clarissa Mayer-Heinisch diesmal die Künstlerin Xenia Hausner. Sie hätte im Mai die Ausstellung "True Lies" in der Albertina eröffnen sollen – die Schau wurde auf 2021 verschoben.


PARNASS: Was macht die Corona Krise mit Ihnen? Wie und wo arbeiten Sie? Was bewegt Sie, was denken Sie über den Virus und seine Auswirkungen auf unser aller Leben? Spiegeln sich die Gedanken in der momentanen Arbeitsweise beziehungsweise in den Werken wider?

Xenia Hausner: Ich bin am Traunsee im Atelier und arbeite hier. Für Künstler ist es einfacher, sie sind ohnedies zurückgeworfen auf sich selbst. Der Corona Alltag bedeutet für mich praktisch wenig Unterschied, aber der Blick in die Nachrichten ist dramatisch. Corona wird bleibende Auswirkungen auf unser Leben haben, nichts wird sein wie vorher. Maßnahmen aus Ausnahmensituationen werden in wesentlichen Teilen später als Konstante beibehalten – darauf können wir uns schon einstellen. Manches wird gut sein, manches beängstigend. Das dauernde Fliegen zum Nulltarif und der Massentourismus werden zurückgehen zum wohl des Klimas – aber Unsicherheit und Distanz zwischen den Menschen wird bleiben.

Ein "Sicherheitsabstand" wird uns eingeschrieben sein und spontan körperliche, überschäumende Herzlichkeit werden wir uns abgewöhnen müssen. Es wird sozusagen eine Welt der kühlen Köpfe sein.

Xenia Hausner

Ein "Sicherheitsabstand" wird uns eingeschrieben sein und spontan körperliche, überschäumende Herzlichkeit werden wir uns abgewöhnen müssen. Es wird sozusagen eine Welt der kühlen Köpfe sein. Das ist für mich interessant, weil ich Menschen und vor allem zwischenmenschliche Beziehungen male. Bis jetzt gehen die bei mir ja meistens auf Tuchfühlung. Das könnte dann der Blick in eine verloschene Welt werden. Mit dem eingeübten Tragen von Masken wird die Darstellung des entblößten Gesichts einen anderen Stellenwert bekommen – den von besonderer Intimität. Wir haben in den westlichen Demokratien die totale Gesichtsverhüllung immer als undemokratisch empfunden – jetzt trennt uns nicht mehr ganz so viel, aber dafür sind wir durch eine App totalitär erfasst. Es ist der Preis fürs Überleben. Seuchen erinnern uns auf dramatische Weise daran, dass wir Teil der Natur sind. Wir werden auf unser Wesentliches reduziert: Überleben.

Wer sich über die Wirklichkeit nicht hinauswagt, wird die Wahrheit nie erobern.

Friedrich Schiller
Xenia Hausner, Atelier © by the artist

Xenia Hausner, Atelier © by the artist

P: Was bedeutet die Absage der geplanten Ausstellung in der Albertina für Sie? Was war alles bereits vorbereitet, angedacht, fertig?

XH: Alles ist fertig vorbereitet, auch der Katalog, der im Hirmer Verlag erscheint. Aber durch die Verschiebung gibt’s jetzt auch die Möglichkeit auf die aktuellen Verwerfungen zu reagieren und vielleicht gibt das der Ausstellung noch eine zusätzliche Wendung.

P: In "True Lies“ liegt der Schwerpunkt auf dem Aspekt der Inszenierung. Was hat es mit ihrer Tätigkeit als Bühnenbildnerin zu tun? Welche Erfahrungen können Sie einbauen und was reizt Sie besonders an dieser Art der Kunst?

XH: Mit meiner Tätigkeit als Bühnenbildnerin hat das nichts zu tun, aber vermutlich war ich am Theater, weil mich die Fiktion von Anfang an begeistert hat. Und weil eine virtuose Lüge das Herz besonders ergreift. "Wer sich über die Wirklichkeit nicht hinauswagt, wird die Wahrheit nie erobern." (Friedrich Schiller) Soll heißen über die Erfindung und über die Fiktion lernen wir die Welt besser zu verstehen. Darum geht’s in der Kunst.

P: Sie haben das Bühnenbild für die Berliner Aufführung "Der Rosenkavalier" gemacht und haben dafür große Anerkennung und Lob bekommen. Was hat Ihnen an dieser Arbeit besonders Spaß gemacht? Was war speziell herausfordernd und wie kam es dazu, dass Sie nach vielen Jahren der ausschließlichen Malerei wieder in diese Richtung gegangen sind? Wird Weiteres folgen?

XH: André Heller hat mich gefragt und deshalb hab ich nach all den Jahren zugesagt. Er ist ein Grenzgänger und Weltenverbinder und das interdisziplinäre Atypische hat mich als Künstlerin interessiert. Aber dann bin ich bei der Arbeit erst richtig draufgekommen, dass der Stoff wie für mich geschaffen ist. Bei mir spielen ja Frauen sozusagen alle Rollen, ich handle die Beziehungsthemen an der weiblichen Figur ab. Im Rosenkavalier sind die zentralen Figuren Frauen. Die Hosenrollen glaubt man ja nicht wirklich, es geht vielmehr um die Behauptung – das ist das Interessante daran. Dieses Spiel mit den Geschlechtern ist ganz aktuell und modern. In diesem Sinn, kann man den Rosenkavalier als halbbewussten Vorreiter unserer heutigen Debatte der Diversität sehen. Zusammen mit Heller und Arbesser zu arbeiten, war eine glückliche Fügung. Wir sind seelenverwandte Spurensucher.

Xenia Hausner, Das blinde Geschehen, 2010, Öl auf Dibond © Bildrecht, Wien, 2020

Xenia Hausner, Das blinde Geschehen, 2010, Öl auf Dibond © Bildrecht, Wien, 2020

P: Welche Bedeutung hat das Thema Weiblichkeit in Ihren Arbeiten? Und gibt es ein Narrativ in Ihren Kunstwerken oder haben Sie ganz andere Intentionen? Zum Beispiel zu verstören, vieles offen zu lassen oder den Betrachter einzuladen, sich selbst Gedanken zu machen?

XH: Ich male immer schon selbstbestimmte Frauen, lange bevor der Ruf nach Quote und die „me-too Debatte“ laut wurde. Ich finde sie einfach kunstfähiger, sie sind vielschichtiger und komplizierter als Männer, sie können mehr und sie sind formal interessanter. Meine Figuren sind keine Pin-up Schönheiten, es sind eher ausgeprägte Persönlichkeiten. Sie sind für mich Dreh- und Angelpunkt in der Arbeit, in meinen Bildern agieren sie stellvertretend für alle Gender Zugehörigkeiten. Obwohl – in den Bildern finden sich auch vereinzelt Männer – als Sehensuchtsobjekte! Mein Female Gaze umschlingt sie liebevoll kritisch.

P: Ihre Werkserie "Exiles" ist dank der beinahe fotographischen Gestaltung und Hervorrufung starker Assoziationen sehr berührend. Wie sind sie entstanden? Technisch, aber auch inhaltlich – wie wichtig ist Ihnen die Botschaft in Ihren Werken?

XH: Die Botschaft allein ist Nichts wert, das Bild besteht auch aus Farbe und Lust und aus Irrationalismus. Bilder sind, wenn sie gelingen, Ausdruck ihrer Zeit, die der Künstler versucht auf den sinnlichen Begriff zu bringen. Meine Bilder haben keine eindeutige Botschaft, es sind Fragmente. Es ist nicht mein Ziel, eindeutige Lösungen zu präsentieren das Leben ist nicht schwarzweiß. Die Situationen auf den Bildern sind ambivalent, aber der Betrachter kann die Bilder trotzdem lesen, weil er davon betroffen ist, er liest das Bild mit seinem eigenen Lebensfundus. Kunst soll in Bewegung setzen und zum Nachdenken bringen.

P: In der Albertina hätten auch frühe Arbeiten gezeigt werden sollen, beziehungsweise werden sie im kommenden Frühjahr zu sehen sein: Können Sie exemplarisch zwei oder drei herausheben und erzählen, warum Ihnen dieses oder jenes wichtig ist?

XH: Also, ein ganz frühes Bild ist zum Beispiel "Renate Ankner". Das war meine Nachbarin in Berlin. Sie hatte Krebs und sie war schon in diesem Zwitterzustand von rational hoffnungslos und davongaloppierender Fantasie. Und unausgesprochen, aber klar zwischen uns – sie wollte das Bild unbedingt zu Ende bringen. Das habe ich versucht zu zeigen. "Liebestod", ein späteres Bild aus den 1990er-Jahren, ist schon voller 'lies'. Den toten Rudolf Hausner spielt Peter Simonischek, er war nicht phänotypisch besetzt, aber überwältigend in seinem Kunsttod – sozusagen toter als tot. Die Spannweite von 'true' bis 'lies' sieht man an den "Exiles" Arbeiten, da haben wir im Atelier die Zugabteile aus Karton simuliert, haben von der ÖBB aus Unfallwagen Teile abmontiert und Menschen in beklemmender Situation hineingedrückt. Aber, eben nicht die Wahren vom Bahnsteig. Ich bin nicht Reporterin, die Wirklichkeit sickert ein in mich durch den Filter meines Innenlebens – und erfährt so eine Sinnverschiebung. An dieser Stelle wird man vielleicht sehen was in einer Retrospektive interessant ist – die Entwicklungsgeschichte im Künstlerleben.

Xenia Hausner, EXILES 1, 2017, Courtesy Xenia Hausner © Bildrecht, Wien, 2020

Xenia Hausner, EXILES 1, 2017, Courtesy Xenia Hausner © Bildrecht, Wien, 2020

 

P: Last, but not least, zur hoffentlich bald virenfreien Zukunft ... welche künstlerischen Pläne und Träume harren der Realisierung?

XH: Ja, spannende Zeiten und Weltenumbrüche, die wir erleben. Der erzwungene Rückzug und das Elend der Welt wird den Blick in der Kunst auf andere Themen lenken. Tiefgang ist gefordert. Spiel- und Spaßgesellschaft hat Pause.

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