Studio Diary - Svenja Deininger

Svenja Deininger, Atelier, Foto: by the artist

Anfang März hätten wir einander in Italien begegnen sollen. In der Collezione Maramotti, einer wundervollen Privatsammlung in Reggio Emilia unweit von Bologna. "Two Thoughts" ist der Titel der Ausstellung, die Svenja Deininger dort gerade noch für Team und Fotografen aufbauen konnte. Dann musste sie zusehen noch über die Grenze nach Wien und weiter in ihr neues Atelier in Berlin zu kommen. PARNASS besuchte sie dort nun telefonisch.


Zwischen Italien, Österreich und Deutschland hat Svenja Deininger über die letzten Wochen einen Lockdown nach dem anderen erlebt. Und das, nachdem schon das letzte Jahr "eine Art von Isolation" war, wie sie berichtet. Intensiv und zurückgezogen hat sie die monumentale Soloschau in der Collezione Maramotti, der Sammlung des Max Mara Gründers Achille Maramotti, vorbereitet. Die Vernissage musste abgesagt werden, inzwischen auch der Ersatztermin. Die Ausstellung wartet auf Besucher. Auch wenn sie verlängert wird, ist Deininger skeptisch, ob man heuer noch gut reisen können wird. Denn wie mühselig das Reisen ist, hat die Künstlerin im März selbst erlebt – Deininger arbeitet zwischen den Ländern, neben ihrem Atelier in Wien auch in Mailand und Berlin. In der deutschen Hauptstadt verbringt nun aktuell diese Zeit und arbeitet in ihrem, erst Tage vor dem Shut Down bezogenen, Atelier – unter anderem am Katalog für die große Soloausstellung in der Emilia-Romagna.

Svenja Deininger, Atelier Berlin, Foto: by the artist

Svenja Deininger, Atelier Berlin, Foto: by the artist

Eine Ausstellung, mit deren Ergebnis die Künstlerin sehr glücklich ist, denn, wie sie schon beim Aufbau feststellen konnte, funktioniert vieles in der Gesamtheit der Architektur exakt so, wie es ihr Vorhaben war. Dieser Moment, in dem eine Ausstellung zusammenfindet und das Resultat mit dem Team der Collezione geteilt werden konnte, war schon ein "persönlicher Erfolg", wie sie berichtet. Dennoch hofft Deininger sehr, dass es noch dazu kommen wird, dass die Ausstellung auch vor Ort gesehen werden kann – "da bei meiner Arbeit gerade auch die Installation wichtig ist … das Zusammenspiel der einzelnen Arbeiten, die einen Satz bilden, den man in Installationshots so nicht festhalten kann", erklärt sie. Wie Wörter in einem Satz funktionieren Deiningers Arbeiten, arrangiert zu Poesien und Versatzstücken im Kontext der Ausstellungsarchitektur, die die Künstlerin selbst entwickelt hat, und mit starken Beziehungen unter den einzelnen Werken. Beziehungen, die es im Raum zu erfassen gilt. Auch inhaltlich sind Relationen wichtig für die Ausstellung "Two Thoughts".

... das Zusammenspiel der einzelnen Arbeiten, die einen Satz bilden ...

Svenja Deininger

Die für Svenja Deininger wichtige Auseinandersetzung mit der Geschichte der Malerei zeichnet sich in vier Leihgaben von Władysław Strzemiński ab, die im Eingangsbereich vor ihrer Ausstellung zu sehen sind. Vier Werke von 1928/29, die alle den Titel "Architectural Composition" tragen. "Es ist die Intention, dass diese Arbeiten so installiert sind, dass sie zuerst gesehen werden bevor man die Installation meiner Arbeiten sieht. Der Titel "Two Thoughts" bezieht sich auf diese Situation, aber gleichzeitig wird auch ein eigenständiger Satz mit den Arbeiten formuliert", so die Künstlerin. Der nun im Entstehen begriffene Katalog zur Schau mit Texten von Luigi Fassi zu Svenja Deinigers Werk und Paulina Kurc-Maj zu Władysław Strzemiński versucht die Gesamtheit der Ausstellung nachzuvollziehen.

Froh ist die Künstlerin aber auch über ein Video, das noch in der Ausstellung gemacht werden konnte, ehe sie abreisen musste. "Normalerweise bin ich kein Fan von so vielen Detailaufnahmen, doch gerade in diesem Fall bin ich froh, da sie einzelne Arbeiten ‚erfahrbarer‘ machen – man bekommt ein Gefühl für die Ausstellung und einzelne Arbeiten, ohne dem Besuch etwas vorwegzunehmen", erklärt Deininger.

Die Sichtweise verändert sich durch die Ortswechsel

Sevnja Deininger

Nach der Ausstellung wäre nun eine kleine Pause geplant gewesen, doch die Umstände beschleunigten den Bezug des neuen Ateliers in Berlin. Anstelle des geplanten Umzugs innerhalb Mailands sowie endlich freier Zeit in Wien, ging es für Deininger nun direkt und Wochen früher als geplant in Berlin los, ehe alle Grenzen schlossen. Dort arbeitet Svenja Deininger nun an Arbeiten, die sie schon in Wien begonnen hat. Es sind Arbeiten, die Ende November des Jahres in der Galerie Martin Janda zu sehen sein werden. Durch die Ortswechsel verspricht sich Deininger neue Impulse, so hat sie in der Vergangenheit auch Arbeiten, die in Mailand begonnen wurden in Wien beendet. Nun sollen jene in Österreich begonnen Werke in Berlin fortgeführt werden. "Die Sichtweise auf einzelne Aspekte verändert sich durch die Ortswechsel und sei es auch nur durch die veränderte Lichtsituation", so Deininger. "Besonders an dieser Situation gerade ist, dass ich mir vorher eine Veränderung herbeigewünscht habe, beziehungsweise auch Zeit, um diese herbeizuführen. Durch die Verunsicherung, die nun aber in unserer momentanen Situation liegt, hätte ich mich gerne noch etwas länger in bekanntem Terrain bewegt", erwähnt Deininger. "Home alone, ohne sich schon zuhause zu fühlen ist nicht leicht, aber dadurch, dass es einiges zu entdecken gibt an einem neuen Ort, fühlt es sich manchmal zumindest wie eine Residency an. So genieße ich vor allem den Fahrradweg zum Atelier in der Zeit des Lockdowns", berichtet Svenja Deininger aus Berlin.

Svenja Deininger, Atelier Berlin, Foto: by the artist

Svenja Deininger, Atelier Berlin, Foto: by the artist


Collezione Maramotti - Svenja Deininger "Two Thoughts"

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