Clemens Hollerer, Atelier © by the artist

Während die öffentlich wahrnehmbare Kulturwelt größtenteils still steht, haben wir Clemens Hollerer – zumindest virtuell – in der Südoststeiermark getroffen. Hier am Stadtrand von Bad Gleichenberg befinden sich Hollerers Atelier und Zuhause in einem sanierten Bauernhof. Neben intensivem Familienleben inklusive Homeschooling, Kochen und Gartenarbeit, bleiben nur wenige Momente für die Kunst.


Clemens Hollerer, Atelier © by the artist

Clemens Hollerer, Atelier © by the artist

Als ich mich fragte, warum Zerstörung für mich so magisch und faszinierend war, fand ich es schnell heraus. Es ging einzig und alleine um Veränderung.

Clemens Hollerer

"Zurzeit bin ich mit zwei neuen, großen Projekten beschäftigt", erzählt der Künstler. "Skulpturen werden gebaut, an meinem Archiv gearbeitet und eine neue Werkserie von Collagen nimmt ihren Lauf. Gott sei Dank haben nicht alle ihre Jalousien heruntergelassen. Da ich jedes Jahr viel reise, sind die momentanen Schließungen von Staatsgrenzen die größten Einschränkungen für mich. Musik und Erfahrungen aus eben diesen Reisen sind meine Motoren."

Hollerers künstlerische Arbeit beleuchtet Zerstörung in all ihren Formen, Leit- und Begrenzungssysteme, sowie Menschen und deren Verhaltensmuster in urbanen Zonen. "Als ich mich fragte, warum Zerstörung für mich so magisch und faszinierend war, fand ich es schnell heraus. Es ging einzig und alleine um Veränderung. Ich bin eine visuelle Person und langweile mich leicht in statischen Situationen. Change is good. Dinge sollen flexibel und in Bewegung bleiben. Explosionen, Erdbeben, Erdrutsche oder Unfälle können so mächtig sein, dass Umgebungen, Situationen oder Objekte innerhalb von Sekunden ihr visuelles Erscheinungsbild erheblich verändern. Meine Arbeitsweise der letzten Jahre hat mit Konstruktion und Dekonstruktion zu tun. Diese Transformationsprozesse wiederum spiegeln mein Interesse für Zeit und Erinnerung wider."

Clemens Hollerer, Atelier © by the artist

Clemens Hollerer, Atelier © by the artist

Hochinteressant sind für mich derzeit die Bewegungsmuster von Menschen im öffentlichen Raum.

Clemens Hollerer

Wenn Clemens Hollerer Metropolen in der Gegenwart in Zeiten von Corona betrachtet, sind sie ihm fremd, "aber ich liebe ihren Anblick. In menschenleeren Zonen wird unser Auge auf die reine Umgebung gelenkt. Die Architektur und der Raum an sich rücken wieder in den Vordergrund. Ein Schachbrett ohne Figuren. Klar und strukturiert", analysiert er.

"Hochinteressant sind für mich derzeit die Bewegungsmuster von Menschen im öffentlichen Raum. Vor ein paar Jahren habe ich noch auf der Shibuya Kreuzung in Tokio gefilmt, wie tausende von Leuten innerhalb von Sekunden die Straßenseite wechseln. Eine Vorstellung, die im Augenblick völlig ausgelöscht scheint."

Hollerers künstlerische Werke sind alle Reflexionen der Realität. "Ich beobachte und fotografiere, reagiere auf Raum und Situationen. Diese Recherchen bilden wesentliche Grundlagen für meine skulpturalen und installativen Arbeiten. Nachwirkungen von beispielsweise Katastrophen werden von mir analysiert und verarbeitet."

Nach seinen Schlüsselwerken gefragt, nennt Clemens Hollerer exemplarisch eines aus seinen künstlerischen Anfängen: Es ist die fünfteilige Arbeit "31 days of rain, 2006". "Dies war meine erste Installation mit Raumbezug, ausgestellt im CCNOA in Brüssel. Ich reagierte auf ein markantes Dachflächenfenster und positionierte mein Werk leicht versetzt darunter."

Eine weitere wichtige Arbeit ist: "How to disappear completely, 2011", "eine reinweiße Vertikalkonstruktion, welche ins Prachtstiegenhaus des Palazzo Papadopoli in Venedig eingespreizt wurde. Als Kollateralevent zur Biennale von Venedig war ich einer der 20 Nominierten für den Future Generation Art Prize, der vom Pinchuck Art Center in Kiev seit 2010 vergeben wird“ freut er sich.

Clemens Hollerer, 31 days of rain, 2006, Lack auf Aluminium und Holz, 5-teilig, je 200 x 13 x 5 cm © by the artist

Clemens Hollerer, 31 days of rain, 2006, Lack auf Aluminium und Holz, 5-teilig, je 200 x 13 x 5 cm © by the artist

Clemens Hollerer, How to disappear completely, 2011, Lack auf Holz, Dimensionen variable, Future Generation Art Prize @ Venice, Kollateralevent der Biennale von Venedig 2011, Palazzo Papadopoli, Venedig, IT, Organisiert vom Pinchuk Art Centre und der Victor Pinchuk Foundation, Kiev, Ukraine © by the artist

Clemens Hollerer, How to disappear completely, 2011, Lack auf Holz, Dimensionen variable, Future Generation Art Prize @ Venice, Kollateralevent der Biennale von Venedig 2011, Palazzo Papadopoli, Venedig, IT, Organisiert vom Pinchuk Art Centre und der Victor Pinchuk Foundation, Kiev, Ukraine © by the artist

"Ein echter Rohdiamant für mich ist die Arbeit "The birth and death of the day, 2016". Die fragmentierte Skulptur aus Aluminium ist eine Interpretation eines Architekturdetails, sehr minimalistisch. "Wie so häufig ist auch diese Arbeit von Hollerers Faible für rebellische Musik inspiriert und einem Lied der Band 'Explosions in the Sky' entlehnt". schreibt Kuratorin Katrin Bucher Trantow in einem Katalogtext, und weiter "wie Geburt und Tod gleichzeitig das quasi erotische Versprechen des Neuen und die Fragestellung des Abschieds in sich tragen, legt Hollerer seinen Finger auf den aufregenden Umstand einer Existenz des immerfort Metamorphen."

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