Studio Diary - Gabriele Kutschera

Gabriele Kutschera, Atelier, Foto: KATSEY FOTOSTUDIO

Trotz Shut Down – Kunst wird produziert, ob in den städtischen Ateliers oder auf dem Land, wohin einige der Künstlerinnen und Künstler sich zurückgezogen haben. Wir haben sie um Einblicke aus den Ateliers und Notizen zu dieser Zeit gebeten. Heute führt der Besuch zu Gabriele Kutschera und Peter Bischof nach Oberösterreich.


"Wir brauchten ein großes Haus, um voneinander lassen und uns mit Freude wieder finden zu können", erzählt Gabriele Kutschera. "Es gibt eine Führung, wenn man sich selber gegenüber ernsthaft ist, wenn etwas sich in einem zusammenbildet, muss man Mut haben und zugreifen." Gabriele Kutschera erzählt von jener Zusammenballung Ende der 1980er-Jahre, die zum Finden des alten Meierhofes führte. Ihr Partner der Künstler Peter Bischof – der für viele Kirchen Österreichs Glasfenster schuf – war in Schlierbach an der Arbeit für die Fenster der Pfarrkirche Gmunden beschäftigt – und Gabriele Kutschera nahm 1987 am Symposium "Schmuck im Raum" der Galerie am Tanglberg in Vorchdorf teil. Freie Zeit nutzte sie zum Besuch beim örtlichen Schmied. Nach Wochen im Umgang mit glühendem Eisen, gab es nicht nur Brandblasen, sondern auch eine gefestigte Obsession: Kutschera beschloss aus der Schublade der Schmuckkünstlerin auszubrechen und Schmiedin zu werden.

Der Hammerschlag ist das Jetzt.

Gabriele Kutschera

"Schmieden ist ein sehr reduziertes, rhythmisches Arbeiten, das einem den Takt vorgibt. Es ist der Rhythmus von Spannen und Loslassen. Während das Material sich im Feuer entspannt, rastet auch der Schmied, die Anspannung des Schmiedes kommt mit dem gezielten Hammerschlag und endet, wenn das Eisen erkaltet und neuerlich erhitzt werden muss." Über den Rhythmus des Eisens in seiner Formbarkeit fand Kutschera zu einem ihrer zentralen Anliegen, die Wahrnehmung von Zeit: "Der Hammerschlag ist das Jetzt." Mit der eigenen Werkstätte in dem wunderschönen, liebevoll restaurierten Meierhof, den Peter Bischof und Gabriele Kutschera 1992 erworben haben, arbeitet sie an ihren Metallobjekten.

Durch rhythmisches Weichmachen (sich öffnen) und Härten (sich abgrenzen) wird Form gewonnen.

Gabriele Kutschera
Gabriele Kutschera, Atelier, Foto: KATSEY FOTOSTUDIO

Peter Bischof im Meierhof, Foto: KATSEY FOTOSTUDIO

"Wir haben hier eine tolle Lebensqualität und eine ideale Plattform um zu arbeiten." Neben den Metallarbeiten entstehen Zeichnungen und natürlich auch nach wie vor Schmuck. Kutschera studierte bei Franz Hagenauer in der Meisterklasse für Schmuck und Metallgestaltung an der Hochschule (heute Universität) für angewandte Kunst in Wien. Doch "mein Medium ist die Schmiedetechnik", meint Gabriele Kutschera. "Durch rhythmisches Weichmachen (sich öffnen) und Härten (sich abgrenzen) wird Form gewonnen. Die Form entsteht nicht durch Hinzufügen oder Abtragen von Material sondern erfolgt durch Umwandlung, 'Querschnittveränderung'.  Das Gelingen der Form, mit der Beziehung hergestellt werden soll, mit der ich mein Innen mit dem Außen verknüpfe, ist abhängig von der Wahl des Materials und vom Einhalten des rechten Rhythmus. Tatsache ist, dass Material und Handwerkstechnik (=Tun) mir die rechte Weise vorgeben, sich mein Tun also entlang einer immanenten Linie bewegt. Formfindung = Wesensbildung = Charakterbildung erfolgt durch Weichmachen und Härten, Sichöffnen und -abgrenzen, Aus- und Einatmen, unter Einhaltung des rechten Rhythmus."

Gabriele Kutschera, Atelier © by the artist

Gabriele Kutschera, Atelier, Foto: KATSEY FOTOSTUDIO

"Die Übereinstimmung von innerem Erkennen und äußerem Tun erscheint mir in keinem anderen Medium so augenfällig. Es geht mir also in meiner künstlerischen Arbeit nicht um die Erfindung von Formen sondern vielmehr um das Sichtbarmachen dieser Übereinstimmung."

Die Überlegungen über die Entstehung von Form und das Wesen von Materie stehen in Bezug zueinander. Rhythmus, Linien und Reihenanordnungen charakterisieren ihre Werke, sowohl in der Zeichnung als auch in den Metallobjeken. "Die Wiederholung scheinbar gleicher Formen verweist auf den immanenten Rhythmus ihrer Entstehung einerseits und die Weise des in Beziehungtretens andererseits."


Geplantes und Verschobenes

Derzeit arbeitet Gabriele Kutschera intensiv an ihrer Einzelausstellung in der Salzburger Galerie Welz. Unter dem Titel "EISEN # ZEIT" wird sie neue Arbeiten zeigen. Die Ausstellung wird am 3. Juni eröffnet werden. (Dauer bis 15. Juli 2020). Ein weiteres Projekt ist derzeit aufgrund der aktuellen Situation unterbrochen.

Die für März 2021 geplante Ausstellung zur Schmuckkunst in Österreich zeigen soll. Im Fokus steht das aktuelle Schmuckdesign, wie wohl die Ausstellung auch die historischen Kontext beleuchten möchte. Die Bedeutung der Schmuckkünstlerinnen als auch jene Pionierleistungen der Galerie am Graben von Inge Asenbach und ihren Nachfolgerinnen wie Galerie V&V oder Galerie Slavik.

Seit September 2019 arbeitet Gabriele Kutschera arbeitet an diesem Projekt gemeinsam mit den der Kuratorinnen Verena Formanek, Susanne Hammer und Ursula Guttmann. "In 3 intensiven Klausuren hier in unserem Haus haben wir ein detailliertes Konzept erarbeitet und in Form eines Sponsoring-Sheets alles bereitgestellt um für die Finanzierung los zu legen  dann kam CORONA. Damit liegt die Sache einmal auf Eis. Aber wir haben mittlerweile 40 begeisterte Zusagen von Künstlerinnen. Dennoch heißt es im Augenblick leider einmal BITTE WARTEN."

Gabriele Kutschera, Atelier © by the artist

Gabriele Kutschera, Atelier, Foto: KATSEY FOTOSTUDIO

Zeitlinien

Seit einigen Jahren arbeitet Gabriele Kutschera an einem Projekt, das nun scheinbar in die aktuelle Zeit fällt. "In den letzten Jahren habe ich unterschiedliche Zeitspannen wie Bahnreisen, Vorlesungen, Lesungen, Radiosendungen, Musik etc. auf WC-papierrollen und Kassastreifen jeweils mit Anfang, Dauer und Ende linear dokumentiert", erklärt sie die Reihe "Zeitlinien". Für Kutschera ist es eine Art Zeit-Spiel: "Die gezeichnete Linie ist die unendlich dichte Aneinanderreihung von Punkten – Momenten – die durch ihre Verbindung so etwas wie Dauer vermitteln kann. Man könnte auch sagen: eine Linie ist ein in Bewegung gesetzter Punkt. Warum WC- Papier? Ich war auf der Suche nach Papierstreifen, die mir eine möglichst unbegrenzte, lange Linienzeichnung ermöglichen, da nicht vorhersehbar ist wie lange eine Bahnfahrt als gezeichnete Strecke auf Papier werden wird. Das ganz Besondere am WC-papier ist zudem seine Saugfähigkeit: meine mit Filzstift auf der geschlossenen Rolle gezeichnete Linie erscheint in meinem JETZT als Vergangenheit, als Schatten des bereits vergangenen JETZT auf."

Gabriele Kutschera, ZEITLINIEN AUF WC-PAPIER © by the artist

Gabriele Kutschera, ZEITLINIEN AUF WC-PAPIER © by the artist


IMPRESSIONEN AUS DEM ATELIER

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