Studio Diary - Reinhold Ponesch

Reinhold Ponesch, Atelier © by the artist

Trotz Shut Down – Kunst wird produziert, ob in den städtischen Ateliers oder auf dem Land, wohin einige der Künstlerinnen und Künstler sich zurückgezogen haben. Wir haben sie um Einblicke aus den Ateliers und Notizen zu dieser Zeit gebeten. Am 1. April 2020 schickte uns Reinhold Ponesch Zeilen zu seiner Praxis im Wiener Atelier.


"Ich lebe meinen Traum. Aus dem Träumen schöpfe ich Kraft. Mein künstlerischer Prozess ist überwiegend von meinen Gefühlen, aber auch stark vom urbanen und menschlichen Umfeld beeinflusst.

In meiner Malerei suche ich ständig nach der Verbundenheit zum Leben, zum eigenen, aber auch zum Leben andere Menschen. Mich interessiert vor allem der Spannungsbogen zwischen normiertem Verhalten und der Verrücktheit jeder einzelnen Persönlichkeit. Das Produkt meiner Kunst empfinde ich daher oftmals als Ausdruck und Transformation aller Wahrnehmungen in diesem Spannungsfeld.

Auf der Leinwand geht es mir immer um die Suche nach neuen Kompositionen. Dabei wechsle ich am liebsten zwischen dem Informellen und dem Figurativen, so dass ein fertiges Gemälde für die Betrachterinnen und Betrachter viel Interpretationsspielraum offen lässt.

... was macht die derzeitige Situation mit mir, mit meiner Kunst, mit meinem Umfeld, ja gar mit meinen Gedanken?

Reinhold Ponesch

Wie ist es aber nun mit dem Traum in dieser Krise, die seit dem 16. März 2020 unsere gesamte Gesellschaft stufenweise verändert? Und was macht die derzeitige Situation mit mir, mit meiner Kunst, mit meinem Umfeld, ja gar mit meinen Gedanken? Wie helfe ich mir im Geiste damit klar zu kommen?

Das Malen und die Isolation im Atelier machen mir im Grunde nichts aus, denn es unterscheidet sich im Wesentlichen nicht von meinen sonstigen Arbeiten.

Reinhold Ponesch, Atelier © by the artist

Reinhold Ponesch, Atelier © by the artist

In solchen Situationen denke ich meist an meine Mitmenschen und an jene, denen es nicht so gut geht wie mir und dann beginne ich zu überlegen, wie ich ihnen helfen könnte.

So arbeite ich gerade an eigenen Lesezeichen aus Leinwand und designe Etiketten für meinen eigenen Honig. Für die Honig-Etikette wählte ich das Bild "Warmly Soul" als Zeichen von viel Zuneigungsbedarf der Menschen in dieser Zeit. Beide Produkte werde ich demnächst zum Verkauf anbieten und den gesamten Erlös einer bedürftigen Familie, die besonders von den derzeitigen Umständen betroffen ist, zukommen lassen.

Lyrik und überhaupt Sprache sind für mich genauso
Lebens- und Überlebensraum wie die Malerei.

Reinhold Ponesch

Darüber hinaus produziere ich derzeit Videos für meinen YouTube Kanal mit Lesungen meiner Texte und erzähle darin Geschichten für Kinder, um ihnen die Zeit zu Hause zu verkürzen. Lyrik und überhaupt Sprache sind für mich genauso Lebens- und Überlebensraum wie die Malerei.

Reinhold Ponesch, Atelier © by the artist

Reinhold Ponesch, Atelier © by the artist

Mit diesem Tun abstrahiere ich meine Gedanken ins Positive. Das soziale Engagement hilft mir dabei und verändert offenbar auch meine Arbeitsweise.

Selbstverblüffend ist gerade meine Arbeit an einem Werk, das einen Engel mit Maske zeigt – atypisch für meine Bildsprache – ergänzt durch einen collage-, skulpturartigen Unterkörper - aber immer noch "in progress".

Und so entstand auch schon letzte Woche auf einer anderen Leinwand ein Bild mit dem Titel „SPECTATOR OF THE FUTURE“. Ein Auge schaut inmitten des abstrakten Gewirrs heraus in die Zukunft. Für mich nicht überraschend, weil in so einer Situation das kreative Potenzial und der Erfindergeist in mir ungemein groß sind. Meine Gedanken richten sich bereits mit dem Wissen nach vorne, dass jede Krise auch eine Chance ist, gestärkt daraus hervorzugehen und wieder neu zu erkennen was wirklich wichtig ist.

Kunst wird nach der Krise genauso wichtig für die Bildung und die kulturelle Entwicklung unserer Gesellschaft sein wie sie in der Vergangenheit immer war, vielleicht sogar noch bedeutender.

Somit wird sich mein Traum in der Malerei, ständig nach der Verbundenheit zum Leben zu suchen, auch nach der Krise nicht verändert haben. Aber mit Sicherheit meine künstlerischen Arbeiten unter dem Einfluss einer ganz besonderen Zeit."


IMPRESSIONEN

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