Über die Salzburger Festspiele und die Bezüge zur bildenden Kunst

Ein Gespräch mit Helga Rabl-Stadler

Die Salzburger Festspiele bereiten sich auf das Jubiläum zum 100. Jahr ihres Bestehens im Jahr 2020 vor. In diesem Zusammenhang wird eine Landesausstellung in Salzburg und eine Serie von Publikationen geplant, deren erste schon zum heurigen Festival-Start vorgelegt wird: „Das Große Festspielhaus“ wird als Gesamtkunstwerk präsentiert, in dem Bühnenraum und bildnerische Gestaltung gleichermaßen thematisiert werden. Margit Zuckriegl sprach mit Helga Rabl-Stadler im Vorfeld der Salzburger Festspiele. Hier wird nun erstmals aufgearbeitet, welche Kunstwerke im Rahmen der Bauaufgabe des Großen Festspielhauses in Auftrag gegeben oder zur Ausstattung erworben wurden. Der Architekt Clemens Holzmeister hatte die Fresken und Mosaiken, Gobelins und Keramiken, Reliefs und Skulpturen in seinem Gesamtkonzept mitgedacht und damit ein Kunstpanorama der späten 1950er-Jahre geschaffen.


PARNASS: Sie sind seit 1995 Präsidentin der Salzburger Festspiele und kennen die Häuser in- und auswendig. Hat es Sie überrascht, wie viele Werke der bildenden Kunst sich hier befinden? Helga Rabl-Stadler: Es waren ja nicht immer alle Werke zu sehen, der „Orpheus“ von Alfred Hrdlicka hat seinen Platz gewechselt, die Reliefs von Rudolf Hoflehner wurden erst vor wenigen Jahren wieder montiert. Glücklicherweise konnte auch ich einige Werke erobern: Max Weilers „Wie eine Symphonie“ für den Karl-Böhm-Saal, die vier monumentalen Kreuze von Robert Longo, ein großzügiges Geschenk vom Ehepaar Essl für das Foyer des Großes Festspielhauses, und Andreas Urteils „Wächter“-Skulptur von der Familie Landesmann sowie die Marmorbank von Robert Wilson, geschenkt von Alfons Schneider, die Teil unserer wunderbaren „Erwartung“-Interpretation 1995 war.

P: Sie haben aber bildende Kunst nicht nur als Objekte im Raum aufgefasst, sondern auch in die Konzeption von Programmheften eingebracht. HRS: Gerade in den Jahren 2004 bis 2006 habe ich mit bildenden Künstlern die Gestaltung der Jahresprogramme entwickelt: Walter Pichler, Mimmo Paladino und Jan Voss haben eigens für die Druckwerke ihre Zeichnungen entworfen und damit mehr als bloße Illustrationen geschaffen. Es war aber Gerard Mortier, der gemeinsam mit Karl Ernst Herrmann 1991 eine wunderbare neue Ästhetik für alle Programmhefte geschaffen hat.

P: Sie sind nach nunmehr 22 Jahren als Festspielpräsidentin bis in das Jubiläumsjahr 2020 bestellt. Da blickt man auf eine lange Reihe von Produktionen zurück, auf eine Abfolge von fünf Intendanten und zwei Interimssituationen. Sehen Sie sich als die Konstante im Festspielbetrieb? HRS: Ich sehe mich – anders als im Festspielgesetz 1950 geschrieben, wo der Präsident als künstlerischer und organisatorischer Leiter der Salzburger Festspiele genannt wird – als Ermöglicherin für die künstlerischen Wünsche des Intendanten, als Vermittlerin, als „Außenministerin“ und als Partnerin für unsere Sponsoren und Förderer. So haben sich gleichermaßen das Verständnis für mein Amt wie auch die Anforderungen geändert. Ich bin viel unterwegs und präsentiere die Programme jährlich in zehn bis fünfzehn Großstädten der Welt, neuerdings auch in Chicago und Los Angeles, Shanghai ist schon zum fünften Mal dabei, neben Wien, München, London, New York und anderen. Ich erfahre hierbei auch viel über die Reaktionen und Erwartungen des Publikums. Letztes Jahr etwa hatten wir gerade durch die beiden Produktionen, in denen ein bildender Künstler und eine Fotografin federführend an der Realisierung beteiligt waren, eine ganz besondere Resonanz: Viele nicht so opernaffine Interessierte wollten Shirin Neshats „Aida“-Gestaltung sehen oder William Kentridges „Wozzeck“. Das erschloss uns ein anderes Publikum zusätzlich zur Anerkennung bei Kritik und Öffentlichkeit.

Alban Berg Wozzeck 2017: Mélissa Guex (Darstellerin), Andrea Fabi (Darsteller) © Salzburger Festspiele / Ruth Walz

Alban Berg Wozzeck 2017: Mélissa Guex (Darstellerin), Andrea Fabi (Darsteller) © Salzburger Festspiele / Ruth Walz

P: Bildende Künstler und ihre Arbeit für die Bühne – das ist ein Thema, das in Salzburg seit Beginn der Festspiele eine Rolle spielt. Andere Festival-Orte sind hier nicht so mutig? HRS: Es ist vielleicht nicht „mutig“, eher „offen“ – die Arbeit mit bildenden Künstlern eröffnet noch einmal eine neue Dimension, eine neue Sichtweise. Schon in den 1950er-Jahren hat Oskar Kokoschka mit der Rauminterpretation durch farbiges Licht experimentiert, William Kentridge andererseits hat Räume ineinandergesteckt und mit Schatten agiert. Shirin Neshat hingegen hat – da sie nie vorher an einer Opernproduktion beteiligt war – mit ihrer unvoreingenommenen, erfrischenden Herangehensweise die Aida „entrümpelt“. Das größte Lob spendete ihr wohl der beste Verdi-Interpret unserer Zeit, Riccardo Muti: „You gave me the Aida I always wanted.“ Denn Aida handle nicht von Elefanten und Pyramiden, sondern von menschlichen Beziehungen. Man sieht: Diese neuen Sichtweisen und Konzepte wirken auch auf die beteiligten Künstler!

Ich sehe mich als Ermöglicherin für die künstlerischen Wünsche des Intendanten.

Helga Rabl-Stadler

P: Intendant Markus Hinterhäuser legt großen Wert auf die Singularität des Erlebnisses bei den Festspielaufführungen und auf magische Konstellationen der beteiligten Künstler und Künstlerinnen. Dennoch sind für 2018 und 2019 keine Fortsetzungen der Kooperationen mit bildenden Künstlern wie 2017 geplant. Wird man in Zukunft daran denken, mit jüngeren bildenden Künstlern eine Produktion zu erarbeiten oder wieder Programmhefte originär zu konzipieren? HRS: Die Intendanz von Markus Hinterhäuser läuft noch bis 2021, da ist sicher auch noch das eine oder andere in Richtung zeitgenössische Kunst zu erwarten.

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