Nicoleta Auersperg, Ausdehnung im Raum,Hot To The Touch, MUSA, 2019; Foto Credit: Felix Hecker

Der Corona Shutdown hat Nicoleta Auersperg, so wie uns alle, ziemlich überraschend getroffen und weil sie als Künstlerin "Teil eines größeren Systems ist, das nicht nur aus der eigenen künstlerischen Praxis und Produktion besteht, sondern auch aus Institutionen, Museen, Universitäten, Galerien, anderen Künstlerstudios, Werkstätten und vielem mehr" musste auch sie miterleben, "wie dieses System als eines der ersten in der Krise auf Standby gesetzt wurde."


"Ob die Flut auf Instagram und all die neuen online Formate, die sich jetzt in Windeseile aufgetan haben, als Substitut wirklich befriedigen sei dahingestellt. Interessant finde ich diese Entwicklung dennoch. Es ist schon witzig die teils verschwommenen Köpfe eines Hans Ulrich Obrist oder Johann König von meinem Küchentisch aus auf Instagram live zu verfolgen, glücklicherweise aber auch schnell wieder verstummen zu lassen und sich seinem Frühstücksei widmen zu können."

Die Annahme Corona wäre für Künstler eine produktive Zeit, in der sie nun endlich in Ruhe und Muße Ihrer Arbeit nach gehen können, ist reine Romantik und entspricht nicht der Realität

Nicoleta Auersperg

"Für viele von uns ist es eine Zeit der Ungewissheit und Existenz bedrohend", weiß Nicoleta Auersperg. "Sie fragen sich: Wird es mit dem Kunstsystem und mir als Künstlerin, als Künstler danach weiter gehen? Dabei sitzen alle mehr oder minder im gleichen Boot. Auch kommerzieller und international agierende KünstlerInnen sind betroffen. Vor dem Shut Down habe ich im Studio von Alicja Kwade mitgearbeitet und auch sie rechnet damit, dass ihr Studio bis September auf das Nötigste herunter geschraubt sein wird. Die Annahme Corona wäre für Künstler eine produktive Zeit, in der sie nun endlich in Ruhe und Muße Ihrer Arbeit nach gehen können, ist reine Romantik und entspricht nicht der Realität."

"In meiner künstlerischen Arbeit musste ich anfangs ziemlich umdenken und vieles bei Seite legen. Da ich hauptsächlich skulptural arbeite, musste ich mich ernsthaft fragen was denn überhaupt möglich wäre, wenn alles zu hat und ich nicht zu meinen Materialien komme. In den letzten Wochen habe ich mich deshalb darauf konzentriert den Berg an Kunsttheorie und Büchern abzuarbeiten, der sich in den vergangenen Monaten angesammelt hat und ich habe viel gelesen und recherchiert. Mit meinem Freund habe ich die Abmachung, dass er mich in isometrischen Zeichnen unterrichtet und ich ihm im Gegenzug Yogaklassen gebe. Ein ganz guter Deal. Ich versuche die Zeit so gut es geht zu nutzen und glaube sie wird sich sicher irgendwie in meinen Arbeiten widerspiegeln."

Nicoleta Auersperg, Besetzer Mandarin, Hot To The Touch, MUSA, 2019; Foto Credit: Peter Mochi

Nicoleta Auersperg, Besetzer Mandarin, Hot To The Touch, MUSA, 2019; Foto Credit: Peter Mochi

In Nicoleta Auerspergs Arbeit spielt Material, dessen Charakter und dessen Eigenschaften eine wesentliche Rolle. Oftmals spricht sie vom „Potenzial des Materials".  Sie arbeitet immer in einem dialogischen Verhältnis mit dem Material, es ist nicht tote Materie, sondern wird in Auerspergs Arbeiten zum Akteur. In Amsterdam hat die junge Künstlerin im Glasdepartment an der Rietveld Adademie gearbeitet. "Dort habe ich gelernt, mit einem sehr eigensinnigen Material und komplexen Prozessen zu arbeiten" erzählt sie.

Seit damals zieht sich ein performativer Aspekt in den Arbeiten durch und lässt Materialprozesse sichtbar werden. Wachs schmilzt, oder Gips und Wasser binden einander. Immer wieder werden die Prozesse in Skulpturen und Installationen überführt. Häufig arbeitet Nicoleta Auersperg mit geometrischen Formen, Kreisen oder Ellipsen, es können aber auch Gegenstände aus dem Alltag zur Skulptur werden.

Das skulpturale Arbeiten spiegelt auf immer unterschiedlicher Weise mein Interesse an der Frage, was uns Menschen prägt, wie unser Denken und Handeln funktioniert ...

Nicoleta Auersperg

"Das skulpturale Arbeiten mit dem Material und die eigene Formensprache spiegelt auf immer unterschiedlicher Weise mein Interesse an der Frage, was uns Menschen prägt, wie unser Denken und Handeln funktioniert, wie sich strukturelle Mechanismen auswirken, und welches Potenzial wir haben uns davon zu lösen."

Nicoleta Auerspergs Ausstellung "liquid shapes and soft edges", deren Eröffnung  bei Lovaas projects in München für 18. März geplant war, ist erstmal auf Eis gelegt. Alle Werke, beispielsweise neue Glasarbeiten und großformatige Siebdrucke sind vor Ort, aber nicht aufgebaut. Wir warten jetzt erstmal ab und ich hoffe, dass wir die Ausstellung dennoch irgendwann eröffnen können.

Nicoleta Auersperg, Ausdehnung im Raum,Hot To The Touch, MUSA, 2019; Foto Credit: Felix Hecker

Nicoleta Auersperg, Ausdehnung im Raum, Hot To The Touch, MUSA, 2019; Foto Credit: Felix Hecker

Nach Inspirationsquellen gefragt, sprudelt es aus der Künstlerin: "Im Alltag, in Architektur, in der Natur, bei Menschen, im Theater, in Büchern, in Gesprächen und im Material. Zur Zeit lese ich viel und kann zwei Bücher empfehlen "Der Pilz am Ende der Welt" von Anna Lowenhaupt Tsing und Siri Hustvedts "Eine Frau schaut auf Männer die auf Frauen schaut".

Vorbilder gibt ebenfalls ganz viele, "die sich abwechseln, auftauchen und wieder verschwinden. Oft sind es Frauen die hartnäckig an ihren Dingen gearbeitet haben. Derzeit ist es die englische Bildhauerin Phyllida Barlow." Und: "Sobald der Baumarkt und der Stahlhändler wieder regulär geöffnet haben, geht es ab ans Werkeln."


IMPRESSIONEN

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