Studio Diary - Gisela Stiegler

Gisela Stiegler, Atelier © by the artist

Trotz Shut Down – Kunst wird produziert, ob in den städtischen Ateliers oder auf dem Land, wohin einige der Künstlerinnen und Künstler sich zurückgezogen haben. Wir haben sie um Einblicke aus den Ateliers und Notizen zu dieser Zeit gebeten.


Auch wenn die Skulpturen von Gisela Stiegler heute oft in grellen Farbkontrasten ausgeführt sind, so lag die Präferenz zunächst eindeutig auf Schwarz, Weiß, Grau oder Metallic-Farben. Beides, sowohl die Beschäftigung mit der Skulptur, als auch die Verwendung von Schwarz und Weiß haben ihre Wurzeln in der Fotografie, mit der die Künstlerin bis 2004/05 fast ausschließlich arbeitete. Für ihre komplex inszenierten fotografischen Stillleben baute sie ein bühnengleiches Szenario. Für die Hintergründen entwickelte sie ein geometrisches Feld aus Quadern und Würfeln, das durch den Kippeffekt von Zwei- und Dreidimensionalität eine perspektivische Verkürzung des Raumes suggerierte. In der Folge rückten die fotografischen Hintergründe immer stärker in den Fokus und wurden schließlich selbstständig. Zunächst entstanden Styroporreliefs: Wandobjekte, deren Oberfläche geschnitzt wurde. Erst in einem weiteren Schritt, löste Stiegler ihre Objekte endgültig von der Fläche und schuf freistehende Skulpturen. An der Technik des Schnitzen und Einkerbens des Materials hielt sie fest. Man kann nahezu behaupten, diese einprägsame Bearbeitung der Oberfläche ist heute der „singature style“ ihrer künstlerischen Arbeit.

Das Material Styropor ermöglicht der Künstlerin jedoch nicht nur mit der Oberfläche zu variieren, sondern auch in großen Dimensionen zu arbeiten, bis hin zu den raumhohen Säulen, die sie im Vorjahr in der Art Box im Museumsquartier zeigte und die heute – wie als würden sie wirklich eine architektonische Funktion haben  – in ihrem Atelier stehen. Seit 2006 wird dieses auch zum temporären Ausstellungs- und Projektformat mit dem Titel „Grauzone“. Diese gründete Gisela Stiegler gemeinsam mit dem Künstler Hervé Massard, um Werke befreundeter Künstler zu zeigen und zu diskutieren. Der Name ist bezeichnend und entsprach ihrer damaligen künstlerischen Praxis, dem Arbeiten mit unteren Grauwertstufen und einer bewusst formalen Zusammenstellung. Die erste Ausstellung zeigte Werke von Künstlern mit ähnlichen Intentionen und trug daher den Titel „Grauzone“, den Massard und Stiegler in der Folge auch für den Raum übernahmen.

Styropor ist ein Material, das sich nicht in den Vordergrund spielt

Gisela Stiegler

Styropor ist auch ein Material, so Gisela Stiegler, das sich nicht in den Vordergrund spielt, mit dem man zügig arbeiten kann. Letzteres ist ihr wichtig, um in den Rhythmus und in das Tempo des Schaffensprozesses eintauchen zu können. Das Formenvokabular ihrer Werke ist vielfältig, in der grundsätzlich eine minimalistische Grundhaltung dominiert. Das trotz der intensiven Oberflächenbearbeitung, wo zuweilen tiefe Kerben auf wuchtige Rundungen treffen, diese sich nicht in den Vordergrund spielt, erreicht Gisela Stiegler durch die Farbe. Diese ist nicht gestaltend, sondern im Gegenteil, sie unterstützt den, für die Künstlerin wichtigen, abstrakten Gehalt der Skulpturen. Das Interessante bei Stieglers Objekten ist die mehrfache Wahrnehmung. Zunächst dominiert die Farbe und die äußere Form, dann jedoch wird der Betrachter unversehens mit der „Binnenzeichnung“ der Skulptur konfrontiert: grobe Einschnitte, Kanten und Rundungen, agieren als kontrastreiches Spiel zwischen Reduktion und Opulenz, zwischen der Strenge des Minimalismus und einer offenen Form. Es ist der undogmatischen Zugang der Künstlerin zur Skulptur und ihre Lust am Arbeiten mit dem Material, das beeindruckt: alles ist möglich und diese Freiheit ist Inspiration.

Gisela Stiegler, Atelier © by the artist

Gisela Stiegler, Atelier © by the artist

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