Skulpturenpark Waldfrieden

Ein Spaziergang mit Heinz Mack und Tony Cragg

Zum 90. Geburtstag des aus dem deutschen Lollar bei Gießen stammenden Künstlers Heinz Mack richtet sein Bildhauer-Kollege Tony Cragg (*1949) dem Gründer der ZERO-Bewegung eine Skulpturen-Retrospektive aus. Der Skulpturenpark Waldfrieden in Wuppertal des englischen Bildhauers zeigt dabei erstmals das umfassende bildhauerische Werk des Künstlers aus sieben Jahrzehnten.

Kunstkritiker Sebastian C. Strenger traf sich mit beiden Künstlern zum Gespräch bei einem Spaziergang durch das 14 Hektar große Gelände mit seinen drei Ausstellungshallen, um beim Aufbau bereits die unterschiedlichen Schaffensperioden im skulpturalen Werk beider Künstler kennenzulernen und Heinz Mack einige Erinnerungen aus einem erfüllten Künstlerleben zu entlocken.


Neben der vielfältigen Materialverwendung von Metall, Holz, Gips, Sand, Glas und Keramik waren es vor allem die Mack-Skulpturen von teils monumentaler Größe in Stein durch ihren elementaren und kraftvollen Charakter in Verbindung mit Licht, die mich in der Natur beeindruckt haben. Neben Macks beweglichen und kinetischen Skulpturen ein kaum bekanntes Spektrum in seinem Werk, das anhand von mehr als 50 ausgewählten Werken die Berührungspunkte beider Bildhauer aufzeigt und für die Künstlerfreund Cragg keine Kosten und Mühen gescheut hat, Tonnen um Tonnen zu bewegen, um sich in dieser sehr sehenswerten Gesamtschau auch dem künstlerischen Entstehungsprozess über inhaltliche Aspekte der Arbeiten im Park zu widmen.

Pünktlich zum Ausstellungsbeginn am 4. Juli, mit anschließender Dauer bis zum 2. Januar 2022, legt der mehrmalige Documenta- (1959, 1966) und Venedig-Biennale-Künstler (1970) Heinz Mack zudem den dritten Werkkatalog seines bildhauerischen Œuvres mit rund 550 Seiten vor. Darin auch enthalten: Europas größte Skulptur, die Mack mit einer Höhe von 42 Meter aus Edelstahl schuf und die heute vor der Zentrale des Daimler-Konzerns in Stuttgart steht.

Auf ein Wort mit Heinz Mack und Tony Cragg

PARNASS: Wie kam es zu diesem besonderen Skulpturenprojekt hier in Waldfrieden?

Tony Cragg (T.C.): Heinz Mack und ich kennen uns bereits viele Jahrzehnte. Aber wir wurden uns nie vorgestellt. Er ist ein absolut bemerkenswerter Mensch und Künstler. Wenn man bedenkt, wie früh er seine Arbeiten gemacht hat! Er gehörte zu den Künstlern, die in den 1950er-Jahren die Figur nicht darstellen wollten und er hat dann eben ganz radikal mit den Elementen gearbeitet. Heinz Mack hat also den Mensch als Figur in seinem elementaren Rahmen dargestellt. Und das war natürlich neben künstlerischen Positionen wie Beuys und Mario Merz hoch bedeutsam. Du warst (schaut zu Heinz Mack) bereits sehr, sehr früh mit so vielen Sachen verbunden. Und ich würde sagen, wenn Du in den 1950er/60ern nicht gerade aus Deutschland gekommen wärst, würdest Du heute als der Mitbegründer von Land-Art, von Minimalismus, von Happenings und vielen mehr gelten!

PARNASS: Wie fühlen Sie sich dabei und mit Ihrer Ausstellung, Herr Mack?

Heinz Mack (H.M.): Seit 70 Jahren bin ich jetzt Bildhauer. Soeben ist mein dritter Werkkatalog mit mehr als 540 Seiten erschienen und bis heute sind weit mehr als 1000 Skulpturen entstanden. Und dann gibt es immer noch Leute die sagen: Ach, ich wusste nicht, dass sie Bildhauer sind. Dabei steht dies doch auf jedem Briefpapier! (Lachen) Das sind alles Dinge, wo ich mich dann auch amüsiere. Insofern ist diese Ausstellung außerordentlich wichtig. Viele Leute haben das nicht gesehen, weil meine drei Skulpturenparks alle privat sind - kein Zutritt für die Öffentlichkeit. 

Heinz Mack, Monolith 1956-1979 (c) VG Bild-Kunst 2021, Foto: Michael Richter

PARNASS: Wir sehen hier neben verschiedenen Stelen, die zu ihrer frühesten Werkgruppe gehören, aber auch viele andere Skulpturen, die Ihr übergreifendes Verständnis von Kunst mit seinen dynamischen Strukturen sichtbar werden lässt. Herr Mack, haben Sie hier ein besonderes Stück, von dem Sie uns die Geschichte erzählen wollen?

H.M.: (Heinz Mack zeigt auf eine solitär stehende, getreppte Skulptur) Acht Tage nachdem das Anne-Frank Museum in Amsterdam eröffnet wurde, hatte ich das Museum schon betreten und habe die schwarze Treppe, die nach oben führt, gesehen. Das waren schwarze Quader als Treppe und das hat mich bewegt!  Denn es sah so aus, als würde dort Sarkophag auf Sarkophag stehen.

PARNASS: Und?

H.M.: Ich habe mich noch dort gefragt, ob es bereits ein Mahnmal in Deutschland gibt. Und da kam heraus: Das gibt es noch nicht! Und es ist auch heute noch das einzige mir bekannte Mahnmal, das für Anne Frank in Deutschland realisiert worden ist.

PARNASS: Aus welchem Material ist es?

H.M.: Nero Assoluto, der schwärzeste Granit, den man überhaupt auf der Welt bekommt. Und der lässt sich auch wunderbar polieren und schleifen. Ich habe dann den Stein mit meinem Geld bezahlt und das war damals für mich sehr viel Geld und habe dann das Thema für mich aufgenommen und in Eigeninitiative Herrn Rau, den damaligen Bundespräsident angerufen und habe gesagt: Herr Rau; ich brauche Geld! Den Stein kann ich nicht mehr selbst bezahlen; ich bin aber bereit ohne Honorar zu arbeiten. Da sagte er: „Was kostet das“? Mein Antwort: „Ich brauche 100.000 Euro für den Stein und die Bearbeitung“. Acht Tage später war das Geld da. Heute geht das gar nicht mehr! (Lachen)   

Heinz Mack und Tony Cragg, Copyright Sebastian C. Strenger

PARNASS: Wie ging die Geschichte weiter?

H.M.: Dann ist dieser Stein in Gegenwart der Direktorin des Anne Frank Museums, auch von wichtigen Persönlichkeiten wie dem niederländischen Botschafter in Duisburg vor die Brandmauer, also der Restmauer der zerstörten Synagoge, gestellt worden. Direkt neben an ist ein Lyceum, eine Oberschule für Mädchen und die heisst Anne Frank Schule! Insofern steht er genau richtig. Inzwischen musste er umgestellt werden, weil er durch Vandalismus verletzt war und nochmal neu poliert werden musste. Das macht sehr große Freude, gell (zerknirschter Gesichtsausdruck) und nun haben wir einen zweiten Standort bekommen, der noch besser ist, weil dort irgendwelche baulichen Massnahmen ergriffen werden mussten... Er steht jetzt hier und heisst in meiner Arbeitssprache „Die Frank-Skulptur“.

PARNASS: Was hat Sie eigentlich dazu bewogen?    

H.M.: Anne Frank war ein Jahr älter als ich und das ist alles nicht ganz zufällig. Ich bin ein Freund der Juden, weil die einen unglaublichen Beitrag zu Wissenschaft und Kultur geleistet haben und nicht umsonst zahlreiche Nobelpreisträger – und so weiter und sofort – hatten. Ich habe auch Verwandte, die Juden sind und bin auch als Freund der Juden bereits mehrfach ausgezeichnet worden, für diese Tatsache.

PARNASS: Was sagen Sie zu dieser Ausstellung?

H.M.: Hier einen Teil dieses Waldes zu pachten, zu mieten oder auch zu erwerben, um daraus einen Skulpturenpark zu machen, ist eine außerordentlich, einzigartige und einmalige Entscheidung, die bis jetzt in Deutschland stattgefunden hat. Das hat meine tiefste Bewunderung, denn hier hat ein Privatmann, in dem Fall ein Bildhauer aus Eigeninitiative mit seinen eigenen Mitteln etwas bewirkt, das eigentlich streng genommen, Aufgabe jeder Kommune wäre oder sogar jedes Bundeslandes – dafür zu sorgen, dass Skulpturen im öffentlichen Raum ausgestellt werden können. Es unterbleibt vollkommen in diesem Land und das ist eine erschütternde Tatsache. Wenn keine Privatleute da sind, passiert gar nichts! Und das steht in einem krassen Gegensatz zu dem, was ich in Amerika erlebt habe.

Heinz Mack, Vier Stein-Stelen 1995 (c) VG Bild-Kunst Bonn 2021, Foto Michael Richter

PARNASS: Wie meinen Sie das?

Da gibt es Skulpturenparks, da geht Ihnen das Herz auf! Mit einer unglaublichen Großzügigkeit. Die sind so groß, da können Sie mit dem Auto darin spazieren fahren. Das Gleiche in Japan, auch dort gibt es unglaublich schöne Anlagen. Und hier passiert durch die öffentliche Hand nichts. Dass dies ein einzelner Mann macht, der auch noch die Großzügigkeit hat – und was ich noch mehr bewundere,  nicht nur an sich selbst denkt, sondern dabei auch an einen Kollegen – mich zu einem solchen Projekt einzuladen, kann ich ihm nicht hoch genug anrechnen.       

PARNASS: Was sagen Sie über Ihre gemeinsame Verbindung?

T.C.: Wie gesagt, ich habe Heinz Mack immer als sehr, sehr großen Künstler geschätzt, aber ich habe ihn nicht gekannt. Und dann habe ich eine kleine Bronzeskulptur gesehen, die ich dann für diesen Park hier gekauft habe. Ein Freund sah das und sagte: Ich kenne ihn zufälligerweise und er wohnt nicht weit von hier entfernt. Dass dies alles erst im vergangenen Jahr geschehen ist, ist schon bemerkenswert.  Seitdem haben wir sehr interessante Gespräche und einen respektvollen Umgang miteinander.

H.M.: Auf jeden Fall!

Skulpturenpark Waldfrieden Ausblick Ausstellung Heinz Mack ab 4. Juli 2021 (c) VG Bild-Kunst Bonn 2021, Foto Heinz Mack

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