Studio Diary - Elisabeth von Samsonow
Trotz Shut Down – Kunst wird produziert, ob in den städtischen Ateliers oder auf dem Land, wohin einige der Künstlerinnen und Künstler sich zurückgezogen haben. Auch Elisabeth von Samsonow ist neben Wien im Atelier in Niederösterreich aktiv und schickte uns ihren ganz persönlichen Einblick in diese Zeit.
"Während der kalten Zeit habe ich, so oft es ging, das Atelier in Untermarkersdorf im Weinviertel genutzt, weil ich es heizen kann. Dort habe ich gemalt. Ich habe im Winter in Wien nur kleinere Skulpturen aus Lindenholz gemacht, unter anderem ein Baby auf Rädern. Jetzt bin ich wieder viel im Atelier in Untermarkersdorf, ich lebe in dieser Eremitage auf dem Land.
Malen und Schreiben fordern Einsamkeit und Konzentration, also bin ich gut geübt in Selbst-Isolation. Mich interessiert die Malerei so sehr, weil sie im Unterschied zur Skulptur, die für mich die body-body-Relation ist, mit seelischem Material in Resonanz geht. Ich hatte schon zu Weihnachten damit begonnen, Diagnose-Bilder zum seelischen Zustand der Erde zu machen: mein Atelier=eine Erdordination. Ich glaube, die Erde ist sehr aktiv im Moment. Es ist nicht leicht, ihren seelischen Zustand zu malen, die Farben müssen minutiös abgestimmt werden, die Skala muss kalibriert werden. Ich male mit Pigmenten und Eitempera auf Jute, große Formate. Die Erde beschäftigt mich sehr. Ich verstehe die aktuelle Krise besser im ganz großen Zusammenhang, wenn ich mir die Ereignisse in der Biosphäre, auf dem lebendigen äußeren Erdmantel, vorstelle, und die tiefen Interdependenzen der Wesen. Da sehe ich auch die große Störung, das Ungleichgewicht, die Maßlosigkeit, die geherrscht haben.
Das Virus macht, was Menschen auch tun: sich möglichst ausbreiten, überallhin, koste es was es wolle. Es hat eine brillante Technologie, sehr advanced. Es ist sehr raffiniert, er ist ein Hacker. Und es gelingt ihm, Dinge zu bewerkstelligen, die niemand bewerkstelligen konnte bis jetzt, kein Mächtiger der Welt. Ich denke, die Zukunft muss und wird eine Erhöhung des ökologischen Bewusstseins mit sich bringen.
Ich stelle mir vor, dass wir während der Zeit, in der wir all diesen Beschränkungen unterliegen, wahrnehmen, dass sich die Welt um uns erholt. Dass wir uns mit ihr erholen. Dass die Natur uns erscheint, anders. Dass wir anfangen, sie zu wollen, dass wir wollen, dass es uns gut mit ihr geht. So werden die Weichen gestellt, in eine neue Zukunft. Die Kunst kann diese Zukunft entwerfen.
Ich versuche, eine Erdseismografin zu werden. Ich beschäftige mich mit den ganz langen Zeiträumen der Erdgeschichte, 1,5 Millionen Jahre zum Beispiel. Vor meiner Ateliertüre gibt es eine riesige Lösswand von zwölf Meter Höhe. Das ist für mich ein phantastischer Einblick in den Haushalt von Gaia: 1,5 Millionen Jahre kein Staub gewischt. Er blieb einfach liegen, oder der Wind hat ihn verblasen, als äolisches Sediment. Die Wand sieht sehr schön aus, wie eine Ruine. Sie macht mir die Idee des Alters sympathisch. Ich male diese Lösswand auf Leinwände, ganz große Formate. Da erscheint sie mir in ihrer sublimen Qualität. Ich male den Löss mit Ocker unterschiedlicher Herkunft, mit böhmischer Erde und Eisenoxyd. Ich male Erdgeschichte mit Erden. So geht die Erde durch mich durch, durch mich, ihre Seismografin, und ich bereite ihr eine Epiphanie."