Studio Diary - David Reumüller

David Reumüller © Stefan Lozar

David Reumüller, geboren 1979, lebt und arbeitet in Graz. Noch, denn aktuell ist er auf der Suche nach einem Atelier in Wien. Hier traf ich ihn auch zu einem Gespräch in einem Wiener Innenstadtkaffee, das erstmals an diesem Tag nach dem Lockdown wieder geöffnet hatte. Grundsätzlich war alles anders geplant, denn eigentlich wäre ich nach Graz gefahren – zum diesjährigen Klanglichtfestival, für das David Reumüller eine große Installation konzipiert hatte. Das Festival und die Installation wurden auf 2021 verschoben, ebenso wie auch andere Ausstellungsprojekte die David Reumüller für dieses Jahr geplant gehabt hätte.


David Reumüllers künstlerische Tätigkeit einzugrenzen ist nicht so einfach – er arbeitet als bildender Künstler, Musik und Filmemacher und ist bestens vernetzt in der Kunst- und Kulturszene. Zuweilen verbinden sich die verschiedenen Genres, wie etwa in der Zusammenarbeit mit dem Schauspieler Johannes Silberschneider alias "Johnny Silberschneider", die in eine performative Installation im "studio" der Neuen Galerie mündete. Ausgehend von Aspekten der persönliche Biografie Silberschneiders schuf Reumüller eine Kunstfigur, inklusive zusammenklebbaren Starfoto im Stil der "BRAVO"-Magazine und stellte dabei Fragen nach Identitätsbildung und Starkult. Der Schauspieler und sein artifzielles Alter Ego, werden dabei so ineinander verschränkt und überlagert, dass sie miteinander zu verschmelzen scheinen – und die Kunstfigur als realer Rock´n Roll Star erscheint.

Um kulturelle Codes, um deren Wahrnehmung und Transformation geht es auch in dem Projekt für Klanglicht 2020/2021. Einmal mehr arbeitete David Reumüller hier mit Texturen, sprich gemusterten Stoffen. Sie spiegeln einerseits seine Auseinandersetzung mit kulturellen Codes und das für sein Werk charakteristische Spiel mit mehreren Realitätsebenen. Die Texturen werden übertragen, in Fotografie, in Zeichnungen und großformatige Lichtinstallationen. Die bewegte Oberfläche wird dabei nicht allein durch das Muster erreicht, sondern auch durch die vom Stoff verhüllten Körper. Verdecken und Verhüllen bestimmt auch eine Reihe von Fotoarbeiten, die in einem komplexen mehrstufigen Verfahren entstehen. In dem Reumüller mit verschiedenen Layers arbeitet, Settings mit verschiedenen Oberflächen generiert, die er dann wieder abfotografiert, zeigt er die Realität in einem steten Wandel. In seinen Lichtprojekten werden die Besucher selbst Teil dieser Inszenierung. In dem sie sich bewegen und gleichsam in die Projektion eintreten, verändern sie das Bild und werden selbst zur Projektionsfläche.

David Reumüller, Rauminstallation Mai 2020 © Stefan Lozar

David Reumüller, Rauminstallation Mai 2020 © Stefan Lozar

Das Spiel mit dem Perspektivenwechsel steht auch im Fokus seiner Bilder und Installation, die aktuell in seinem Atelier zu sehen sind. Hier arbeitet er mit linearen Systemen, die er jedoch keineswegs exakt, konstruktiv interpretiert. Vielmehr arbeitet er mit der Gegensätzlichkeit von System und Chaos, geplanter (An)-Ordnung und Zufall. Die Installationen steht nun als Prototyp in seinem Grazer Atelier und hätte im Rahmen der Kooperation zwischen dem Klanglicht-Festival und dem Kunsthaus Graz realisiert werden sollen. Das Atelier ist sehr groß und wirkt nahezu bereits wie Ausstellungsraum und ermöglicht Reumüller Arbeiten in großem Maßstab auszutesten und zu konzipieren. Nach einem Jahr mit einem dichten Ausstellungskalender hat er sich ein Jahr "Auszeit verordnet", so Reumüller, um an neuen Konzepten und Ideen zu arbeiten. Die Auszeit ermöglichte ihm an Ideen zu arbeiten, ohne sie sofort für eine bestimmten Ausstellung zu formulieren. Dass er viele der nun entwickelten Konzepte aktuell nicht zeigen kann, ist traurig, so Reumüller und war so natürlich nicht vorhersehbar. So wurde nicht nur das Klanglicht-Festival in Graz abgesagt, sondern auch Lichtstadt Feldkirch und anderes. "Dafür weiß ich allerdings schon, welche Projekte und Ausstellungen mich 2021 erwarten", versucht er der Situation auch etwas Positives abzugewinnen.

Reumüller geht es um die Auseinandersetzung von Bedeutungseben und die Erkenntnis, dass es nie nur eine Sichtweise geben kann.

 

Silvie Aigner

Die Installation besteht aus schwarz gefärbten Holzstangen, die scheinbar in einer zufälligen Ordnung im Raum platziert wurden. Es sind Linienkonstruktionen, die sich in den Raum einschreiben und Reumüllers lineare Leinwandarbeiten und Zeichnungen in die Dreidimensionalität transformieren. Die unebene Oberfläche der Holzstäbe, entspricht der Handzeichnung, in der die Linie auch bewusst nicht mit dem Lineal exakt gezogen ist. Durch das Begehen der Installation eröffnet sich eine Varianz an Perspektiven und Sichtweisen – bis hin zur Erkenntnis, dass die Stäbe keinesfalls chaotisch und zufällig platziert sind. Nimmt man einen bestimmten Standpunkt ein, so formieren sie sich, verdecken andere Stäbe und bilden eine Reihe.

Ebenso ist auch das mehrteilige Objekt "Mess-Age" ein Spiel mit der Wahrnehmung und Begrifflichkeiten. Wie auch in seinen Fotoarbeiten und Projektionen geht es Reumüller auch hier um die Auseinandersetzung von Bedeutungseben, ihre Varianten und die Erkenntnis, dass es nie nur eine Sichtweise geben kann. Und noch etwas war ihm während dieses freiwilligen Rückzugs und der intensiven Arbeit im Atelier wichtig: die Zusammenarbeit mit Künstlerfreunden. Reumüller, der unter anderem das Künstlerkollektiv "crew 8020" gründete und im künstlerischen Vorstand des Forum Stadtparks tätig war, schätzt dabei die positive Energie, die beim gemeinsamen Arbeiten entsteht. Dabei geht es nicht nur um die gegenseitige Unterstützung in der manuellen Arbeit, sondern vor allem um die konzeptuelle und inhaltliche Diskussion. Und wenn einmal eine Pause notwendig ist – steht der Tischtennistisch im Atelier bereit. Bereits ausgemacht: bei meinem nächsten Atelierbesuch in Graz nehme ich meinen Schläger mit.

David Reumüller, Atelier Mai 2020 © Stefan Lozar

David Reumüller, Atelier Mai 2020 © Stefan Lozar


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