Stadtflucht: Lichtenfels Sculpture

Eine Stadtflucht ins niederösterreichische Waldviertel birgt aktuell ein kleines großes Wunder: ein Campingplatz verwandelt zum Parcours zeitgenössischer Skulptur.


Insgesamt drei Hektar bespielt „Lichtenfels Sculpture“ ein 2021 erstmalig ins Leben gerufenes Format initiiert von Olivia Thurn-Valsassina. Gemeinsam mit dem Galeristen Emanuel Layr, dessen Wiener Galerie Thurn-Valsassina leitet, wurde rund um die Burgruine Lichtenfels und den Stausee Ottenstein und im zugehörigen Campingareal ein Skulpturen Spaziergang entwickelt, der sich elegant zwischen Hoch- und Freizeitkultur ansiedelt. Es sind nur acht Positionen zeitgenössischer Kunst, die sich über den Park verteilen. Doch gibt die hochkarätige Auswahl jeder Arbeit genau den Raum, den sie braucht – Raum und Zeit, das ist der Luxus den Lichtenfels Sculpture bietet.

Begrüßt wird der Besucher von zwei unscheinbaren Bänken – gerade liegt ein Fußball in einem Winkel, rundum spielen ein paar Burschen in ihren Sommerferien. Nancy Lupo (*1983 USA) ist die Autorin dieses kleinen surrealistischen Einstiegs in einen Spazierweg voller Überraschungen. Lupo modifiziert bestehende Objekte und platziert sie neu und ungewohnt. Eine Anlehnung an Bänke des römischen Hauptbahnhofs stellt sie hier ins tiefe Grün des Campingplatzes.

Das Umwidmen von bekannten Alltagsformen ist auch nicht unwesentlich im Werk Benjamin Hirtes (*1980), der in Wien lebende Deutsche, der auch von der Galerie Layr vertreten wird, schlug eine neue Arbeit aus einem Stück Carrara Marmor für Lichtenfels Sculpture. Ein Duschbecken, das sich unauffällig und doch monumental in die Landschaft bettet.

Nancy Lupo, Bench 2019, 2019, Terazzo, Stahl, Pantone PMS 350U pulverbeschichtet, Schrauben, Kunststoffkappen, verchromte Sternschrauben, 56 × 139 × 66 cm, Courtesy: the artist, Jan Kaps, Cologne. Installation view, Lichtenfels Sculpture 2021. Photo: Maximilian Anelli-Monti

Mehr Aufsehen macht derweil ein anderes tonnenschweres Marmorobjekt: Nina Beier (*1975 Dänemark) vergrub einen Marmorlöwen am Badestrand. Halbverschüttet bewacht er den temporären Skulpturenpark. Olivia Thurn-Valsassina kann sich gut vorstellen diesen als jährliches oder biennales Projekt zu entwickeln. Entsprechend wurde die Burgruine gesichert und erstmalig wieder dem Publikum geöffnet – Campingplatzbewohner und Frischluftsuchende aus der Stadt streifen durch die alten verwachsenen Mauern, zwischen die Lena Henke (*1982 Deutschland) zwei lebensgroße Augen aus Aluminium setzt.

Ein kleines Stück des Weges weiter, über Stock und Stein, wird der Spaziergänger mit der berührenden Arbeit von Dominique Knowles (*1996 Bahamas) belohnt. Ein in Granitstein gemeißeltes Gedicht erinnert an Tazz, das verstorbene Pferd des Künstlers. Perfekt gelegen, auf einem Waldvorsprung mit Blick über den Stausee lädt der Künstler zum ruhigen Innehalten ein – und das klappt hier wunderbar.

Nina Beier, Guardian, 2020, Marmor Wächterlöwe, Sand, 180 x 120 x 50 cm, Courtesy: the artist, Croy Nielsen Vienna. Installation view, Lichtenfels Sculpture 2021. Photo: Maximilian Anelli-Monti

Gut eineinhalb Autostunden von Wien und zwischen Badegästen und knisternden Feuern auf denen gegrillt wird, wird die Kunst unaufdringlich und dennoch bemerkenswert präsentiert. Der Skulpturenpark schafft Räume zum Verweilen und Durchatmen. Dass so große Namen, darunter auch Stano Filko, Yu Honglei und Heimo Zobernig hierhin kommen, ist eine wohntuende Überraschung für das stadtflüchtige Kunstpublikum und eine sehenswerte Verführung für die Touristen rundum. Eine Wiederauflage 2022 oder 2023 wäre jedenfalls lohnend. Die aktuelle Auswahl ist noch bis Mitte Oktober zu sehen.  

Lichtenfels sCulpturE

Camping Lichtenfels, 69 Friedersbach, 3533 Friedersbach

Zur Website

Das könnte Sie auch interessieren