Schlammschlacht – eine Kläranlage als Ausstellungsort?
Was passiert, wenn ein Ausstellungsraum „zeitweise in eine Kläranlage verwandelt“ wird? Olfaktorische Befürchtungen bewahrheiten sich in der Kunsthalle Exnergasse glücklicherweise nicht – der Schlamm bleibt Konzept und auch die tatsächliche Kläranlage wird nur formal im Display widergespiegelt. Irgendwie ist das schade, irgendwie aber auch nicht.
Julia Grillmayr und Eva Seiler haben in der Kunsthalle Exnergasse eine feine, gar nicht so kleine Ausstellung kuratiert für die sie mit unfeinen Begriffen um sich werfen. Es geht um „Fäkalien“, „Dreck“, „Ausscheidungen“ und schließlich die „Aufklärung“ all dessen „Schwammigen“ und „Schlammigen“ in unserem Sein.
Ausgehend von Besuchen auf Kläranlagen denken die beiden über unser Miteinander nach und sehen die Kunst als Komplizin der ewigen Kreisläufe auf denen unsere Existenzen passieren herbei. So inszenieren sie eine „Ode an den Klärschlamm“ (Julia Grillmayr). Das wird stellenweise sehr konkret, wenn Grillmayr etwa in ihrer eigenen Arbeit, einem Soundpiece, die Aufnahmen von Gesprächen mit Arbeitern aus den Kläranlagen in den Ausstellungsraum stellt und Seiler die Displays der Ausstellung dem Formenvokabular eben solcher Anlagen nachempfindet und an anderen Stellen wird es rührend poetisch – etwa wenn Heribert Friedl über den Kreislauf des Lebens anhand zerfressener, zigfach gestopfter Kleider verstorbener Bekannter sinniert und dabei Konsummuster ebenso aufdeckt wie soziale Schismen.
Ein duzend Künstlerinnen und Künstler wurden eingeladen sich am Thema „Klärschlamm“ – so der Ausstellungstitel – zu reiben. Bestechend gelingt das Christina Gruber, die mit zwei Wassertanks Mikroorganismen als Metapher der Data Science stilisiert oder auch Sophie Marie Csenar deren Gelatine Schweinchen Ernährungsmythen karikieren.
Melodisch wird es in der Arbeit von Lukas Posch der Federbälle im Raum verteilt, in Schwärmen und in Ausreißern, in Federkörpern, die an ihre ursprünglichen Vogelgestalten erinnern und daran wie sich diese über die Anlagen streuen, wo Birdwatcher sich tummeln. Wie es übrigens, so erfährt der Ausstellungsbesucher, auch Tomaten tun – wo der Klärschlamm im Prozess der Verwertung überschwappt, ziehen die Kerne, die unverdaut durch unseren Darm gleiten, neue Pflanzen aus dem Boden. Freilich sieht man diese Auswüchse als Verbrauchen kaum, sie sind gemeinsam mit dem Schlamm an den Stadträndern gut verdrängt.
In der Exnergasse regt der Standpunktwechsel durchaus an, an den Rand zu sehen, wenn auch die Frage drängt ob, im Sinne der Klärung, die Umstände, die Inspiration für das Ausstellungsprojekt waren nicht noch drastischer in den bequemen (Kunst-)Alltag reingeholt hätten werden müssen, wenn wir es auch schlecht riechen könnten.
Kunsthalle Exnergasse
Währinger Straße 59, 1090 Wien
Österreich
23. Januar bis 29. Februar 20
Performances
28. Februar 2020, 18 Uhr