Nives Widauer
Nives Widauer, geboren 1965 in Basel, Schweiz, studierte an der dortigen Hochschule für Gestaltung und Kunst in der Klasse für audiovisuelle Gestaltung und lebt heute in Wien. Sie entwickelte einen singulären künstlerischen Kosmos, in dem sich Leben und Kunst osmotisch verbinden. Dabei bedient sie sich aller verfügbaren Medien und Techniken von Videokunst, Installationskunst, Fotografie und Bühnenbild bis hin zur Malerei.
Nives Widauer arbeitet an der Schnittstelle zwischen analog und digital und schafft so einen Übergang zwischen historischen Prägungen und zeitgenössischem Geschehen. Die Künstlerin greift sozial- und kulturgeschichtliche Aspekte auf, durchbricht diese und hinterfragt klassische Strukturen und Einteilungen ebenso wie Gattungsgrenzen, die sie durchmischt und innovativ ausweitet – ob im Bereich videotechnischer Bildproduktionen oder in der bildenden Kunst, wo sie die Übergänge zur Literatur und performativen Praxis auslotet und literarische ebenso wie (audio-)visuelle Narration miteinander verbindet.
Im Atelier
Materialität und Bewegung, Sprache und Bild, Raum und Zeit sind die Parameter, die in den verschiedenen Medien untersucht werden. Andere Werkgruppen zeichnen sich durch ein starkes phänomenologisches Interesse und die intensive Beschäftigung mit Erinnerungsprozessen aus. Beiläufige Entdeckungen und Erfahrungen spezifischer, real existierender Gegebenheiten, mithin auch des Lebensalltags, und stets auch kulturelle Referenzen bilden ihr inhaltliches Reservoir.
Ihr scheinbar unerschöpflicher Output spiegelt sich ebenso in ihrem Atelier wider, in dem sie lebt und arbeitet. Ob zuvor in Wien-Hietzing oder nun in der Nähe des Naschmarkts – stets sind es Zimmerfluchten, in denen sich ähnlich wie in den Kapiteln eines Buches immer wieder neue Gedanken oder Erinnerungen auftun und einen Einblick in ihren Kosmos ermöglichen, in dem sich das Prozesshafte ihres künstlerischen Tuns offenbart.
„Ich glaube, ich bin in verschiedenen Räumen zu Hause“, so Nives Widauer, „daher haben auch meine Ateliers immer viele Räume. Ich finde es schön, wenn man etwas anfängt, dann lässt man es liegen und kann sich wieder in andere Räume bewegen. Wenn man zurückkommt, sieht man die Arbeit wieder anders. So betrachte ich auch ein bisschen das Leben – ganzheitlich. Ich verbinde meine Räume und mein Leben. Ich wohne ja auch in dem Atelier. Ich bin gerne mittendrin und stehe gerne mittendrin auf und gehe gerne mittendrin schlafen.“
Die eigene Zukunft ausgraben
Im Titel ihrer aktuellen Ausstellung „Archeology of undefined future“ versteckt sich, so Nives Widauer, der Gedanke, die eigene Zukunft auszugraben. „Schon eine meiner ersten Ausstellungen hieß ,Nichts ist so, wie die Erinnerung daran sein wird‘. Ich selbst fühle mich ins Leben geworden, das heißt, ich stehe an dem Punkt, den wir das ,Jetzt‘ nennen. Seit meiner Geburt habe ich viele Dinge in mir aufgesogen. Aus diesen Erfahrungen und aus diesem Wissen projiziert man sich eine eigene Zukunft, seine Vorstellungen, wie diese sein könnte. Aber die eigene Zukunft und der eigene Tod sind nicht denkbar, sie sind nicht berechenbar. Auch wenn der Mensch denkt, dass er vieles berechnen kann, so sind diese Berechnungen nicht sinnlich, wir können sie nicht erspüren. Die Kunst jedoch ist ein Phänomen, solche Visionen auch sinnlich erfahrbar zu machen.“
In der Ausstellung bezieht sich die Künstlerin auch auf die Geschichte des Ortes – der Beletage eines Wiener Barockpalais. „Das Palais ist ja auch in gewisser Weise eine Projektionsfläche, in der sich Schichten und Geschichten abgelagert haben – und in die ich nun meine Schichten einschreibe. Ich reihe mich damit in eine Kette von Menschen ein, die hier ihre Spuren hinterlassen haben. Gerade dieses Wortspiel zwischen Geschichte und Schichten finde ich sehr spannend. Ich habe eine Art Präsenzzeit in diesen Räumen und in diesem Moment verbindet sich meine Geschichte mit der Geschichte dieses Ortes. Dadurch verändert sich der Ort, aber auch ich mich selbst. Das Faszinierende an der Kunst ist auch, dass sie einen Zeitsprung leisten kann. Ich finde diesen Gedanken sehr schön, dass ich ein Gedicht lesen, ein Musikstück hören kann, das mehr als 100 Jahre alt ist, und sofort mit seinem Urheber in Kontakt treten kann, weil er seine Essenz in das Werk gelegt hat – das ist einfach Kunst. Gleichzeitig bin ich auch als Künstlerin stets im Austausch mit sehr vielen Menschen. Ich glaube, dass dies der Grund ist, warum ich so gerne Kunst mache. Es ist ein unglaublicher osmotischer Zustand und er verbindet einen mit dem Leben. Auch wenn du allein in deinem Studio arbeitest, kommunizierst du in dem Moment, in dem du etwas erschaffst.“