Nicolas Jasmin: Archäologie des Bildes
Wien birgt und verbirgt große Kunst und Künstler. Nicolas Jasmin kann paradigmatisch dafürstehen wie einem potenziell großen Maler der Stadt nun die Aufmerksamkeit zukommt, die seit Jahren ausständig war.
1967 in Toulouse geboren kommt Nicolas Jasmin in den späten 1980ern nach Wien wo er zunächst bei Arnulf Rainer studiert. Schon 1990 findet seine erste Solopräsentation „Nicolas Jasmin Arbeiten“ im Institut für Gegenwartskunst an der Akademie der bildenden Künste Wien statt. Auf ebendiese frühe Schau bezieht sich nun eine aktuelle Auseinandersetzung im Belvedere 21. „Die Ausstellung spannt den Boden von der Gegenwart in die Vergangenheit und wieder zurück“, erklärt die Generaldirektorin des Belvedere Stella Rollig.
Denn Brüche zeichnen die malerische Entwicklung Nicolas Jasmins. Erst seit 2011 widmet sich der Künstler wieder konsequent der Malerei. Ein Exkurs im Film-/Video- und Musikbereich unter dem Pseudonym N.I.C.J.O.B. prägt die Jahre 1996 bis 2006. Die angewandten Medien ermöglichten Jasmin in der Zeit des Arbeitsstudiums und der Assistenz bei Walter Obholzer einen eigenständigen Weg in der Kunst zu verfolgen. Jasmin arbeitete vielen Jahre im Atelier des bekannten Konzeptkünstlers und Malers und erst nach Walter Obholzers Tod im Jahr 2008 wurde allmählich wieder Denkraum frei für die eigene Beschäftigung mit Malerei. Auch Jasmin selbst spricht in Bezug auf seine Biografie von einem „Umweg“ zur Malerei.
“Never paint a surface all over”
Und das trotz der vielversprechenden Anfänge. Denn bereits früh entwickelt Jasmin sein einzigartiges „Painting Dogma“. Ein strenges Regelwerk, das an große Konzeptkünstler wie Sol Le Witt erinnert und aus vier wesentlichen Parametern besteht:
„#1 Never paint a surface all over.
#2 Put a vanishing point with the help of a coin.
#3 Use burlap as basis.
#4 Break this dogma within 25 years.“
Die letzten Jahre sind nun gleichsam Anknüpfung wie Weiterentwicklung der früh gefundenen Stilmittel. Wesentliche Strategien des Künstlers sind, so Kuratorin Luisa Ziaja, „Wiederholung, Aneignung und Umdeutung“. So sind die Säulen des Dogmas von 1989 anstoßender Wertekatalog auch zahlreicher aktueller Arbeiten. Vor allem das Sackleinen als charakterstarker Malgrund beschäftigt Jasmin nach wie vor. Wesentlich kommt jedoch ein neues Malmittel zum Einsatz: der Laser.
Zwischen Auslöschung und Sichtbarmachung
So wird in der Regel ein gestischer Schriftzug von Jasmin eingescannt und dem Laser zur linearen Übertragung übergeben. So schreibt sich der Laser in die Malschichten ein und legt diese schichtenweise bloß. „Ich bin wie ein blinder Maler unterwegs. Der Laser bringt etwas an die Oberfläche, wie ein archäologischer Fund“, erklärt Jasmin in der Ausstellung.
Gewisse Parameter kann der Künstler dabei kontrollieren, vieles bleibt aber dem Zufall überlassen – etwa nimmt die wechselnde Luftfeuchtigkeit Einfluss auf das Ergebnis. „Ich entscheide aber, wann ich den Laser ausschalte“, so Jasmin der damit das letzte Wort in der Bildfindung behält. Es ist ein Spiel zwischen Auslöschung und Sichtbarmachung. Ein Tanz zwischen dem Bewussten und dem Auratischen.
Mehrschichtig auch in den zahlreichen Referenzen auf die Kunstgeschichte, die Popkultur, unsere Sprachlichkeit – sie alle verflicht Jasmin in die Schau im unteren Geschoss des Belvedere 21. Dabei kommen Vorstellungen eines kollektiven Bild-Gedächtnisses zum Tragen und es entsteht eine komplexe Begegnung mit einem sensibel-anstoßenden wie formal-spannenden Werk, das nun den verdienten zweiten Blick erhält.
Belvedere 21
Quartier Belvedere, Arsenalstraße 1, 1030 Wien
Österreich
Nicolas Jasmin Und Andere Arbeiten
bis 22. April 2019