Nachgefragt: Ein Gespräch mit Andrea Stockhammer
Das 2014 eröffnete DomQuartier zählt zum UNESCO-Weltkulturerbe Salzburgs und ist ein einzigartiges Zusammenspiel von 1.300 Jahren Herrschaftsgeschichte, Kunst, Musik und Architektur. Seit 1. Oktober 2022 wird das DomQuartier Salzburg von der österreichischen Kunsthistorikerin Andrea Stockhammer geleitet. Sie bringt langjährige Erfahrung im Kunst- und Kulturmanagement in Deutschland mit und hat auch für die Weiterentwicklung des DomQuartiers viel vor. PARNASS traf Andrea Stockhammer in Salzburg.
PARNASS: Das DomQuartier Salzburg ist 2014 eröffnet worden und besteht aus unterschiedlichen Museen und Sammlungen. Sie haben bei Ihrem Antritt davon gesprochen, die Einheit des Museumskomplexes stärker hervorheben zu wollen.
ANDREA STOCKHAMMER: Die DomQuartier Salzburg GmbH besteht aus drei Gesellschaftern, dem Land Salzburg, dem Domkirchenfonds und der Erzabtei Sankt Peter. Unsere Aufgabe ist es, unter der Dachmarke DomQuartier Salzburg den Museumsbetrieb mit all seinen Programmen und Ausstellungen zu organisieren und die Rahmenbedingungen von Ticketing bis zu Marketing, Öffentlichkeitsarbeit und Vermittlung zu schaffen. Für Sonderausstellung steht das Nordoratorium zur Verfügung, das von allen Partnern der DomQuartier GmbH und auch vom Salzburg Museum wechselweise bespielt wird. Darüber hinaus bin ich als Geschäftsführerin für die Residenzgalerie zuständig, wo ich mich sozusagen „allein“ austoben kann. Das heißt wir haben einen viel höheren Abstimmungsbedarf als andere Museen und daher stellt sich natürlich die Frage, in welcher Form etwas Gemeinsames entstehen kann. Aber das ist auch das Interessante am DomQuartier: dass es ein lebendiges Projekt ist, das man gemeinsam in die Zukunft entwickeln kann.
P: Gibt es hier konkrete Pläne?
AS: Neben der Stärkung des gemeinsamen Auftrittes ist auch die Aktualisierung des Leitbildes ein konkretes Projekt, verbunden mit der Frage: Wer wollen wir gemeinsam sein und in welche Richtung möchten wir gehen? Ein weiteres Vorhaben ist der Bau eines Besucherzentrums auf der linken Seite des Residenzhofes, eine notwendige und wichtige bauliche Maßnahme.
P: Können Sie etwas mehr zum geplanten Besucherzentrum erzählen?
AS: Das Besucherzentrum soll über die Serviceabwicklung, Ticketing, Etablierung eines modernen Kassasystems etc. hinaus auch ein Ort sein, an dem wir die Möglichkeit haben, zu erklären, wie die einzelnen Sammlungen und Museen zusammenhängen und einen Einstieg in den Rundgang bieten. Bei dieser Gelegenheit wird auch ein neuer und besserer Zugang zum Domgrabungsmuseum geschaffen, das Teil des Salzburg Museums ist und in seiner Gesamtheit überarbeitet und saniert wird. Für das Römermuseum Iuvavum werden in den historischen Kellergewölben der Alten Residenz neue Ausstellungsflächen erschlossen. Ebenso soll der Museumsshop, der sich derzeit in der Residenzgalerie befindet, im Besucherzentrum untergebracht werden. Insgesamt geht es um eine Modernisierung und um ein Erschließen von Service- und Informationsangeboten für die Besucher. Wir freuen uns sehr, dass es hier in absehbarer Zeit zu einer deutlichen Verbesserung kommen wird.
P: Welche Pläne haben Sie in den Bereichen Ausstellung und Vermittlung?
AS: Das DomQuartier ist das Herzstück des Salzburger Welterbes und hat vor allem auch eine große Bedeutung für die Musikgeschichte der Stadt. Hier ist der authentische Aufführungsort der Musik Mozarts, der bis zu seiner Übersiedlung nach Wien im Dienst der Salzburger Fürsterzbischöfe stand. Im Rittersaal wurden frühe Werke Mozarts unter seiner Leitung das erste Mal aufgeführt oder auch seine Serenata Il re pastore KV 208, die er im Auftrag von Fürsterzbischof Hieronymus Graf Colloredo für den Besuch von Erzherzog Maximilian Franz, dem jüngsten Sohn Maria Theresias, komponierte. Es ist auch der authentische Ort, um zu verstehen, wie weltliche und geistliche Macht damals zusammenwirkten, wie die Hofkultur das kulturelle und gesellschaftliche Leben prägte und wie sie inszeniert wurde, bis hin zum Alexander-Zyklus in den Prunkräumen, einem bedeutenden Zeugnis der österreichischen Barockmalerei. Dies gilt es auch in verschiedenen Programmen zu vermitteln – von Gesprächsreihen und Konzerten bis zu Spezialführungen, bei denen etwa erklärt wird, was Musizieren am Hof des Fürsterzbischofs bedeutete und welche Formen von Musik gespielt wurden. All das sind Möglichkeiten, um plastisch und sinnlich eine Vorstellung zu geben, wie sich das Leben hier am Hof abgespielt hat.
P: Salzburg ist ein Touristenmagnet – wie aber erreicht man auch den lokalen Besucher?
AS: Hier gilt es, das Programm zu verstärken und da gehören meinem Verständnis nach auch Abend-Öffnungszeiten dazu und ein Angebot mit Neuheitswert, insbesondere Ausstellungen in stärkerem Austausch mit internationalen und österreichischen Sammlungen. Bislang wurden die Ausstellungen hauptsächlich mit Werken aus den eigenen Beständen entwickelt. Wunderbar gemacht, doch gilt es, unsere Sammlung auch in einem erweiterten Kontext zu präsentieren. Auch um zu zeigen, dass sie im kunsthistorischen Dialog absolut bestehen kann.
P: Sie haben in den Salzburger Nachrichten nach Ihrem Dienstantritt gesagt, Sie möchten auf derselben Flughöhe sein wie die Salzburger Festspiele.
AS: Ja, definitiv, denn die Residenz hat eine wirklich große Bedeutung für die Musikgeschichte und auch für das Theater. Hier wurde die erste Oper nördlich der Alpen aufgeführt, 1614 am Hof des Salzburger Erzbischofs Marcus Sitticus von Hohenems. Bevor es ein Theater gab, war die Residenz der Ort für alle szenischen und theatralischen Darbietungen. Diese Bedeutung für die Musikgeschichte wollen wir in Zukunft noch stärker hervorheben – auch gemeinsam mit Partnern, wie etwa der Stiftung Mozarteum, den Salzburger Festspielen oder dem Bach Chor.
P: Wie verortet man ein Museum, das so bedeutende Kulturgüter umfasst? Wie kann die Wertigkeit und auch eine gegenwärtige Aktualität vermittelt werden?
AS: Es gibt Themen, die sich auf Basis unserer Sammlungen aus einer zeitgenössischen Perspektive vermitteln und diskutieren lassen. Etwa die Frage, wie Herrschaft damals inszeniert wurde und mit welchen Mitteln das heute gemacht wird. Welche Protokolle und Etiketten, Kleidervorschriften gab es damals und welche heute? Wie wurden und werden Staatsgäste empfangen usw. Ebenso auch Fragen des religiösen Ritus: Viele der liturgische Geräte aus dem Domschatz sind aktuell noch bei festlichen Gottesdiensten in Gebrauch, ihre Funktion ist dem heutigen Publikum aber vielfach nicht mehr vertraut. Ein weiteres Thema ist das Kunsthandwerk, das sich in den hochkarätigen Objekten der Sammlungen manifestiert. Hier lässt sich diskutieren, was Qualität damals und heute ausmacht. Gibt es noch Manufakturen, die dieses Wissen weitergeben, wie sah Unternehmertum damals aus und wie heute?
P: Zum Abschluss: Was erwartet die Besucher in diesem Jubiläumsjahr?
AS: Ein vielfältiges Programm. Wir werden einerseits die Gründungsgeschichte der Residenzgalerie erzählen, die 1923 kurz nach den Salzburger Festspielen gegründet wurde, wohl auch aus touristischen Überlegungen heraus. Aber auch aus einem Gefühl des Verlustes im Zuge der Nachwirkungen der Säkularisierung, als viele Kunstwerke „Füße bekommen haben“. Daher nennen wir die Ausstellung auch von „0 auf 100“, denn die Gründung erfolgte nahezu ohne eigene Kunstwerke. Heute bildet die Sammlung Czernin den Kernbestand der Residenzgalerie. Wir zeigen auch die Aufgaben, die mit einer Sammlung verbunden sind: sie zu pflegen, zu erforschen und zu vermitteln – und vielleicht auch wieder einmal zu erweitern. Anhand einiger prominenter Leihgaben wollen wir aber auch zeigen, welche internationale Qualität unsere Sammlung hat, die heute einen internationalen Ruf genießt und ein wesentliches kulturelles Erbe Salzburgs darstellt.
Domquartier Salzburg
Residenzplatz 1
Domplatz 1a
5020 Salzburg
Österreich