Timisoara: Kulturhauptstadt 2023

My Rhino is Not a Myth | Art Encounters Biennial

Unter dem Titel „My Rhino is Not a Myth. art science fictions” findet von 19. Mai bis 16. Juli 2023 die fünfte Ausgabe der Art Encounters Biennial statt, organisiert von der Stiftung Art Encounters mit Sitz in der Stadt Timișoara, die dieses Jahr eine der drei Kulturhauptstädte Europas ist. Unter der Leitung von Adrian Notz hat das junge kuratorische Team mehrere Ausstellungen und ein umfassendes Programm erarbeitet, das sich vor allem durch seine intensive Vermittlung auszeichnet.


Der Fokus der diesjährigen Biennale liegt auf den Schnittstellen von Kunst, Wissenschaft und Fiktion, an welchen sie sich kreuzen, dynamisch überlagern und gegenseitig beeinflussen. Zwischen wissenschaftlicher Forschung und Kunst, fantastischer Vision und lustvoller, gewagter Spekulation entwickelt sich ein Geflecht komplexer Zusammenhänge und Prozesse, das sich als (eine) aktuelle Realität herauskristallisiert und ein vielfältiges, ausuferndes Potenzial birgt. Der Titel spielt zum einen auf Eugène Ionescos Theater des Absurden mit dem Titel Rhinocéros an. Zum anderen ist die Idee am historischen Exempel des indischen Rhinozerosses Ganda veranschaulicht, das Albrecht Dürer 1515 in seinem berühmten Holzstich darstellte, ohne das Tier jemals gesehen zu haben.

Dennoch hatte dieses Abbild über Jahrhunderte den Status wissenschaftlicher Gültigkeit. Ganda hatte 1515 als erstes Nashorn seit der Antike lebendig Europa erreicht und hätte Papst Leo X. vorgeführt werden sollen, kam aber bei einem Schiffbruch um. Das Beispiel Ganda reflektiert die Macht des Imaginären und der Fiktion, des Künstlerischen, des Wissenschaftlichen, wie des imperialen Kolonialismus und nicht zuletzt des Anthropozentrismus mit all seiner Brutalität als eine komplexe und verwobene Geschichte.

Anhand des Begriffs der Moderne werden zwei weitere historische Brennpunkte postuliert, in welchen Geschichte und Geschichten nicht klar zu trennen sind: die Definition der Moderne durch Papst Julius II., nach dessen erstmaligem Auf- und Ausstellen antiker Skulpturen um 1503 und die darauffolgende künstlerische Rezeption, sowie deren Kulmination in der „Ikone der Moderne“, im Schwarzen Quadrat von Malewitsch. Von hier aus führen an verschiedenen Ausstellungsorten vielgestaltige neue anarchische Erzählstränge in die Gegenwart.

Alicja Kwade, Medium Median (Homo-Mensura), 2016, Mixed Media Installation mit 24 iPhones, © courtesy of the artist;

In unterschiedlichsten Medien und neuen digitalen Technologien wirbeln regionale wie internationale künstlerische Positionen die Linearität der Geschichte und die Ordnung des Erkenntniszuwachs auf und entwerfen neue Ökonomien. Das Nebeneinander von Kunst, Natur, Wissenschaft und Spiritualität wird in Frage gestellt. Wissenschaftliche Methode verflicht sich mit Formen des Erfindens und der Spekulation. Alte Archetypen werden re-interpretiert und neue Mythologien, affirmativ wie mit Skepsis und Humor, beschworen. Der Ausstellungsraum wird zum Laboratorium für vieldeutige Experimente. Objekte, Installationen und Projektionen überlagern sich zum bewegten immersiven Kosmos, in dem sich das Dasein von seiner herkömmlichen Individualität entkoppelt, denn alles befindet sich in einem stetigen Zustand des Werdens und geht mit dem Gegenüber sich ständig wandelnde Verbindungen ein. In der alles umfassenden Metamorphose oder andersartigen Symbiose werden visionäre Wege des Zusammenlebens aufgezeigt und über Zeit und Raum hinweg neue Szenarien über die Welt konstruiert.

Libby Heaney, Ent-, 2022, pre-rendered 5-channel video for 360 projection with sound (surround), 10 ‘, photo credit: Andrea Rossetti, © courtesy of the artist

My Rhino is Not a Myth. art science fictions

Art Encounters Biennial

bis 16. Juli 2023

Timisoara, Rumänien (Art Encounters Foundation / Faber / The Garrison / ISHO D / ISHO Offices / SPTP Multiplexity / National Art Museum Timisoara / Banat Museum)

Zur Website

Das könnte Sie auch interessieren