Michael Armitage im Kunsthaus Bregenz
Auf der Kunstbiennale in Venedig hat er ebenso für Aufregung gesorgt, wie mit sechsstelligen Auktionserlösen. Der britisch-kenianische Künstler Michael Armitage (*1984) gilt als einer der wichtigsten Maler der Gegenwart. Das Kunsthaus Bregenz zeigt aktuell die erste umfassende Präsentation von Michael Armitage in Österreich.
„Es sind ästhetische Historienbilder der Gegenwart", zeigt sich KUB-Direktor Thomas Trummer beeindruckt. "Pathos and the twilight of the idle - das titelgebende Werk der Ausstellung - stellt etwa eine Figur ins Zentrum, die kampfbereit auf die Betracher:innen zugeht. In den Händen hält sie sandfarbene Schleudern, vor ihrem Körper baumeln zwei Dosen mit Tränengas." 2017, nach einer Kundgebung der größten kenianischen Oppositionspartei entstanden, wartet das Hochformat mit grotesk verkleideten Demonstrant:innen ebenso auf wie mit einer muskulösen Figur im hellen Bikini-Oberteil.
"Die Erzählungen in Michael Armitages Bildern sind stets aus seinem direkten Umfeld entnommen und thematisieren oft tagespolitische Ereignisse. Armitage konfrontiert uns mit diesen sehr persönlichen Erlebnissen aber nicht direkt, sondern in einer abstrahierten, surreal verfremdeten Form. Damit erreichen seine Bildlegenden eine universale Ebene, eine Allgemeingültigkeit," betont Thomas Trummer und verweist etwa auf ein kraftvolles Gemälde das eine afrikanische Boxerin (Conjestina, 2017) porträtiert, die zuerst als Heldin gefeiert und später, nach einer psychischen Erkrankung, als Hexe stigmatisiert wurde.
Überhaupt zeugen die großformatige Bilder von einer erstaunlichen inhaltlichen wie visuellen Mehrdeutigkeit. Denn Michael Armitage - selbst Sohn eines britischen Vaters und einer kenianischen Mutter - gelingt es eine Brücke zwischeneuropäischer Kunstgeschichte und afrikanischer Farbpalette zu schlagen. Eindrucksvoll entfalten die stimmigen Farbakkorde - manche en plein air gemalt - auf den Betonwänden des KUB ihre prachtvolle Wirkung. "Rituale, Mythen, politische Kundgebungen, Landschaft und Tiere sind zwar aus der Gegenwart Ostafrikas entnommen, knüpfen aber in ihrer Farbbehandlung nicht weniger als an die großen Impressionisten [Anm.: Baikoko at the mouth of the Mwachema River, 2016] an und erreichen in nahezu allen Ausformungen deren meisterliche Qualität," ist der Direktor des Kunsthauses überzeugt. Doch auch wenn das farbstarke Violett, Lachsrosa und Grün des afrikanischen Kontinents die Sehgewohnheiten nahezu blenden, lohnt einer näherer Blick, meint Thomas Trummer: "Armitage verwendet Lubugo als Leinwand, das aus der Rinde des ugandischen Feigenbaums gewonnen wird. Ursprünglich diente der Stoff für Grabtücher, heute findet man ihn aber auch in Touristenshops." Der semantisch stark aufgeladene Bildgrund und vielschichten Geschichten gehen so eine untrennbare Symbiose ein und übersetzen den Verlust des Kulturgutes in greifbare Materialtät. Unebenheiten, Nähte und Löcher im Stoff formen essenzielle Bestandteile der Kompositionen. "Nicht nur die Sujets zeigen oft Verletzte, auch der Bildträger ist von Verletzungen und Wunden gekennzeichnet." Bis die historischen Narben des Kontinents, das dem Zerfall preisgegebene Paradies schließlich mit Mensch und Tier verschwimmen während sich leuchtende pulsierende Schatten traumwandlerisch zwischen Fakten und Fiktion bewegen.
KUB Kunsthaus Bregenz
Karl-Tizian-Platz, 6900 Bregenz
Österreich