Die Intelligenz des Materials

Maja Vukoje bei Galerie Wonnert Dejaco

In ihrer ersten Galerie-Solopräsentation seit acht Jahren zeigt die österreichisch-serbische Künstlerin Maja Vukoje neue Arbeiten. Thematisch knüpft sie dabei an Werkgruppen aus ihrer Einzelausstellung im Belvedere 21 (2020/2021) an. Ein feines Materialspiel sowie eine sinnliche und intellektuelle Erfahrung in der Galerie Wonnerth Dejaco in Wien.


Eine dogmatische Malerin war die in Belgrad aufgewachsene Künstlerin Maja Vukoje (*1969), die u.a. bei Maria Lassnig studiert hat, noch nie. Schon lange begeistert sie mit faszinierenden Hybriden aus unterschiedlichen Bildquellen und künstlerischen Techniken. Vom traditionellen Malgrund aus Leinen hat sie sich losgesagt, ihre Werke fertigt sie auf Jute. „Das Material fasziniert mich! Denn die Jute ist ein transluzides Material und zudem grob gewebt. Ihre Haptik ermöglicht es mir, die physische Beschaffenheit eines Bildes zu erfahren. Das durchschimmernde Kreuz des Keilrahmens wird damit zum motivischen Bestandteil der Darstellung und des Bildraums.“, erklärt die Künstlerin. Darüber hinaus erinnert das ikonografisch aufgeladene Holzkreuz, bzw. dessen physisch durchschimmernder Schatten an ein Platon´schen Spiel mit der Wahrnehmung der Wirklichkeit.

Im Dialog mit der Bildfläche hat Maja Vukoje die Rückseite des Bildträgers erfahren. Dieser gibt nicht nur den reduzierten Darstellungen die Richtung vor, selbst die Farbe wird von beiden Seiten aufgetragen bzw. durchgepresst. „Die Klassische Symmetrie zwischen Vorder- und Hinterseite verschwindet dadurch und wir nehmen das Bild mehr als dreidimensionales Objekt wahr, denn als eine zweidimensionale Fläche,“ beschreibt Maja Vukoje diesen subtilen, aber wirkmächtigen Effekt, aus dem ihre Werke eine unverwechselbare Plastizität gewinnen. „Denn bei Malerei haben wir es zwar mit einem flachen Bild zu tun, das aber eine unglaublich starke physische Präsenz entfalten kann,“ ist sie überzeugt.

Die Klassische Symmetrie zwischen Vorder- und Hinterseite verschwindet dadurch und wir nehmen das Bild mehr als dreidimensionales Objekt wahr, denn als eine zweidimensionale Fläche.

Maja Vukoje

Maja Vukoje, POPiD, installation view, Wonnerth Dejaco, Vienna 2023. Courtesy of Wonnerth Dejaco and the artist. Photo: Peter Mochi

Und während Maja Vukoje durch die beiden Ausstellungsräume der Galerie  Wonnerth Dejaco führt, wird eines schnell offensichtlich: Alles, was inhaltlich in ein Bild einfließt, findet sich im Gebrauch der Materialien rückgekoppelt. Das Oberflächenspiel in Vukojes Arbeiten ist aber nur eine Ebene. Denn unweigerlich verweist der Jutesack auf den Warencharakter des Tafelbildes selbst, erzeugt durch dessen Mobilität.

„Diese Arbeiten wirken daher auch selbstreflexiv und haben einen kritischen Ansatz zu dem eigenen Medium als Teil der europäische Moderne.“ Motive wie „Zwetschke“, „another Avocado“ oder „Babymelanzani“ schälen sich daher nicht zufällig elegant wie die Früchte auf einem Stillleben der Renaissance, gewürzt mit Assoziationen an die Pop Art.

Maja Vukoje, POPiD, installation view, Wonnerth Dejaco, Vienna 2023. Courtesy of Wonnerth Dejaco and the artist. Photo: Peter Mochi

In ähnlicher Weise verweist auch die Mohnblume in „McPop“ auf ihre traurige Rolle in kolonialer Vergangenheit und postkolonialer Gegenwart. „Diese Jute-Arbeit zieht die Farbe sogar aus dem Werkstoff selbst,“ verrät die Künstlerin den technischen Vorgang. Vukoje extrahiert dazu mit Bleichmittel das Motiv direkt aus dem Jutegrund. „Je nach Dauer des Auftrags der Bleiche – zwischen 20 Minuten und 3 Stunden – schreiben sich die Darstellung und ihre Tonalität in den Werkstoff hinein.“

Diese Jute-Arbeit zieht die Farbe sogar aus dem Werkstoff selbst.

Maja Vukoje

Maja Vukoje, POPiD, installation view, Wonnerth Dejaco, Vienna 2023. Courtesy of Wonnerth Dejaco and the artist. Photo: Peter Mochi

Und dann zeigt  Maja Vukoje - neben einer Hommage an Paul Klees „Vogelscheuche“ – noch eine weitere Werkserie: „Albers“, eine Verneigung vor Josef Albers’ „Homage to the Square“ – einem der einflussreichsten Werkserien der abstrakten Malerei. Doch wer jetzt glaubt einem alten Bekannten gegenüberzustehen, der irrt. Vukoje erweitert die berühmte Farb-Studie durch die Wahl der Materialien um mehrere Dimensionen. „Ich trage dazu Schichten von Kulturpflanzen auf, also Kaffee, Kakao und Zucker.

Also Handelsware, die normalerweise in diesen Transportsäcken um die Welt reist. Das Material aus den Jutesäcken wird nun aber außen appliziert, während die Aufdrucke sowie Firmenlogos der Säcke als motivischer Teil im Bild bleiben. Dadurch entsteht ein Interplay zwischen den aufgetragenen Elementen und den Originalgrafiken."

Albers´ berühmter Reihe wird so nicht nur um ein narratives Element erweitert – der Materialtausch mündet in eine Kontextverschiebung, bei der ein zuckersüßer Eislutscher den herben Geschmack einer sozial-ökonomischen und postkolonialen Kritik am Welthandel entfaltet. Ob der „Flutschfinger“ (2023) aber auch diese Tiefe entfaltet, wenn die Künstlerin nicht erklärend zur Seite steht - wer weiß? Wenn man aber will, dann verwandelt sich der poppige Schlecker in ein tiefsinniges Kunstwerk, die Jute in einen Verhandlungsspielraum unserer Gegenwart.

Galerie Wonnerth Dejaco

Ballgasse 6, 1010 Wien
Österreich

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