Fotofestival

Les Rencontres de la Photographie d’Arles

Seit Juli füllen Fotografien und Kunstinteressierte die Gassen und Räume von Arles: „Les Rencontres de la Photographie d’Arles“ verwandeln die südfranzösische Kleinstadt verlässlich in einen Fotografieort. Jetzt sind die letzten Wochen der diesjährigen Ausgabe des international großen Fotofestivals angebrochen. Eine Rundschau zu Schwerpunkten und Highlights für den Last-Minute-Besuch.


Die Edelstahlrauten des von Frank Gehry entworfenen Turms reflektieren die Sonne, auch durch die eigenwillige Form zieht der Bau über das Kulturzentrum Luma hinaus Blicke auf sich. Einen kulturellen Aufschwung wie in Bilbao sollte das 2021 eröffnete Projekt für die Kleinstadt in der Provence bringen: Mit interdisziplinärem Angebot, Gehrys Architektur und weiteren prominenten Namen bei der Gestaltung (einer Rutsche von Carsten Höller etwa). Viel länger schon, seit 1970, beleben auch die Rencontres Arles mit einem Publikum, das im Sommer durch den historischen Ortskern mit römischen Bauwerken und am Ufer der Rhone entlang zu Fotokunst spaziert: Dieses Jahr in der bereits 54. Ausgabe und mit über 50 Ausstellungen.

Sozialpolitischer Fokus und junge kunst

Eine Fülle, zu der Workshops, Führungen, Diskussionen und mehr kommen. Die Reizüberflutung droht hier schnell. Das Jahresmotto „un état de conscience“ – ein Bewusstseinszustand – legt nahe, dass es dabei und dieses Mal verstärkt nicht um eine Nabelschau und den State of the Art mit einer Vielzahl an Werken, sondern auch um „gobales soziales Bewusstsein“ gehen soll, so Festivaldirektor Hubert Védrine im Geleitwort zum aktuellen Fotoparcours. In der Gruppenausstellung "Søsterskap" –Schwesternschaft – verhandeln skandinavische Fotografinnen etwa den Zustand des nordischen Sozialmodells aus intersektional-feministischer Perspektive: Muttersein, Care-Arbeit, Familienmodelle oder Gender. Die 17 Positionen sind in der Kirche Sainte-Anne ausgestellt, darunter das Titelbild der Festivalausgabe von Emma Sarpaniemi: Das „Selbstportät als Cindy“ geht wie andere ihrer Arbeiten performativ und farbenfroh mit Konzeptionen von Weiblichkeit um, eine spielerische Selbstermächtigung. Sarpaniemi gehört zum fotografischen Nachwuchs, den das Festival vielerorts vorstellt. In der Croisière – ein Treffpunkt mit Bibliothek, Bar und acht Schauen – läuft unter dem Titel „Night of the Year“ ein Best Of der Eröffnungswoche in Filmschleife, mit vierzig Positionen, die es zu entdecken gibt: Durchaus spannend, einen Blick in die Projektion zu werfen.

Fotopioniere und Filmisches

Auch große Namen der Fotogeschichte hält die Festivalausgabe bereit. Darunter sticht die Würdigung von Saul Leitner im Palais de l'Archevêché hervor: Frühe Farbfotografien, die der Malerei nahe sind, sowie poetische Momentaufnahmen. Gleich ums Eck wartet in der Kathedrale Saint-Trophime ein weiteres Pionierwerk: Das von Agnès Varda. Hier lässt sich nachverfolgen, wie der Filmemacherin Fotos zur Vorbereitung auf ihren ersten Film „La Pointe Courte“ diente, wegweisend für die Nouvelle Vague.

Emma Sarpaniemi. Self-portrait as Cindy, 2022, Two Ways to Carry a Cauliflower series. Courtesy of the artist.

Generell hat man diesmal einen Filmschwerpunkt gesetzt, so zeigt man im Espace van Gogh Polaroids von Wim Wenders und Fotoalben von Filmemachern. Viel Zeit bedarf die Schau des US-Amerikaners Gregory Crewdson: Nicht nur, weil sie umfangreich Werke der letzten zehn Jahre präsentiert; die filmische Inszenierung der großformatigen Fotografien ist das genaue Betrachten ebenso wert wie gesellschaftspolitische Fragen, die mitschwingen – Umweltzerstörung etwa.

DIE UMGEBUNG ERSCHLIEßEN

Die Schau zu Crewdson ist eine von fünf im Kulturzentrum um den Luma-Turm: Darunter die großangelegte (und so ein wenig beliebige) Zusammenstellung von Arbeiten von Diane Arbus, eine weitere Schau zu Agnès Varda oder – eine schöne Entdeckung – die Arbeit „Belonging“ der palästinensischen Fotografin Ahlam Shibli, die während einer Residency bei Luma entstand und sich mit Arles und örtlichen Communities auseinandersetzt. Und über Luma hinaus besucht man mit den Ausstellungen auch stets ungewöhnliche Schauplätze. Im Supermarkt lohnt sich die Preisträgerschau der Book Awards, im Park Jardin d´été sollte man an „The River´s Children“ nicht vorbeigehen: Porträts von Charakteren im Rhône-Delta, von Yohanne Lamoulère bei einer Flussreise geschossen. So erschließt man beim Festival nicht nur Zugänge zum Medium Fotografie, sondern immer auch die Umgebung.

Yohanne Lamoulère. Léo, The River’s Children series, Genève, 2022. Courtesy of the artist / Tendance Floue.

ARLES 2023

bis 24. September 2023

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