Kunststreifzug durch New York

New York ist diesen Winter eine Reise wert. Welche Shows man aktuell nicht verpassen darf und zumindest aus der Ferne verfolgen sollte, fasst für PARNASS Anne Avramut aus New York zusammen. Ein Kunst Streifzug.


GUILLERMO DEL TORO: CRAFTING PINOCCHIO

MOMA

Das MoMA widmet ab dem 11. Dezember, gleichzeitig mit der Filmprämiere, eine Ausstellung der ersten Stop-Motion-Animation des gefeierten Regisseurs Guillermo del Toro: Pinocchio, eine Neuinterpretation des Buches, das von del Toro im faschistischen Italien angesiedelt wird. Diese Schau soll den gesamten Entstehungsprozess der Animation dokumentieren, sowie das Buch „Die Abenteuer des Pinocchio“ von Carlo Collodi (1883) in historischen Kontext stellen. Die Ausstellung wird von Vorführungen von „Pinocchio“, einer Retrospektive aller Filme del Toros und einer „Carte Blanche“-Serie, vom Regisseur kuratierten Filmauswahl begleitet. Zu sehen werden fünf Filmsets sein, Animationstests und Videoinstallationen, welche die komplexe Entstehungsgeschichte des Zeichentrickfilms veranschaulichen. Der Abschlussteil der Ausstellung ist eine immersive Installation mit Videos und Postern aus del Toros gesamter Filmografie.


Meret Oppenheim: My Exhibition

MoMA

Die erste umfassende Retrospektive der Schweizer Künstlerin im MoMA, entstanden in Zusammenarbeit mit dem Kunstmuseum Bern und der Menil Collection Houston, zeigt mit fast 200 Werken das gesamte Spektrum des künstlerischen Schaffens Oppenheims. Dieses reicht vom 1936 (als sie 23 Jahre alt war) entstandenen „Object“ – eines der bekanntesten Werke des Surrealismus, die Tasse mit Untertasse und Löffel, welche in Fell überzogen sind, bis zu den zwölf Zeichnungen „My Exhibition“, die zwei Jahre vor ihrem Tod entstanden sind und wo Oppenheim ihre eigene Retrospektive vorstellt. Die MoMA Ausstellung spannt einen Bogen über fünf Jahrzehnte im Schaffen der Künstlerin in allen Medien in denen Oppenheim gearbeitet hat: Objekte, Kollagen, Malerei, Skulptur und Zeichnungen. Ungefähr ein Drittel der Werke aus Oppenheims „My Exhibition“ haben es in dieser Schau geschafft, die chronologische Reihenfolge und der eklektische Mix aus kleinformatigen Zeichnungen und Skulpturen wurden in der Kuratierung der Ausstellung streng eingehalten.

Meret Oppenheim. Object (Objet). 1936. Fur-covered cup, saucer, and spoon. Cup 4 3/8″ (10.9 cm) in diameter; saucer 9 3/8″ (23.7 cm) in diameter; spoon 8″ (20.2 cm) long, overall height 2 7/8″ (7.3 cm).The Museum of Modern Art, New York. 

Rodrigo Valenzuela: New Works for a Post Worker’s World

BRIC

In seiner neuen Ausstellung in der Galerie im BRIC beschwört Valenzuela mittels Medien wie Fotografie, Skulptur, Siebdruck, Installation und Video eine Vision von einer postkapitalistischen Welt, bestimmt von sozialem Verfall und erdrückenden Authoritätssystemen. Die zwei Fotoserien „Afterwork“ und „Weapons“, die Valenzuela im BRIC zeigt, funktionieren sowohl als Dokumentationen, sowie auch als Fiktion über zeitgenössische Konzepte von Arbeit und der Realität der Arbeiterklasse. Die Fotografien zeigen aufwändig konstruierte Landschaften von urbanen Trümmer – Betonfragmente, Leitungsrohre, Paletten und Wellmettal, welche zu Ruinen zusammengestellt sind und Räume der Verlassenheit und Entfremdung darstellen. Der Arbeiter ist in dieser Landschaft komplett eliminiert, sowie auch sein Wert und seine Würde. Valenzuela hat für diese Ausstellung eine eigene architektonische Hängestruktur selbst gebaut – dieser Aspekt der Ausstellung, die manuelle Arbeit des Künstlers ist ein Rückblick auf die eigene Vergangenheit von Valenzuela, der als Bauarbeiter tätig war, als er in die USA emigriert ist.

Installation view of Rodrigo Valenzuela: New Works for a Post Worker’s World at BRIC House, September 22- December 23, 2023. Courtesy of BRIC. Photo Credit: Sebastian Bach


Alex Katz: Gathering

Guggenheim

Das Guggenheim zeigt eine Schau durch acht Jahrzehnte des Schaffens von Alex Katz, der ab den 1950er-Jahren eine Art figurativer Malerei geprägt hat, welche die Energie des Abstrakten Expressionismus mit dem amerikanischen Jargon der Magazine, der Werbeplakate und der Kinoleinwand vereint hat. Die Ausstellung, inszeniert in der Stadt in der Katz sein gesamtes Leben gelebt und gearbeitet hat, spult sich die Rampe des Guggenheims chronologisch hinauf und offenbart, dass die meisten charakteristischen Komponenten aus Katz' Arbeiten bereits sehr früh präsent waren. Gemälde, Ölskizzen, Kollagen, Zeichnungen, Drucke und freistehende Ausschnittfiguren ab den 1940er-Jahren zeigen die Evolution der Werke des Künstlers. Von Skizzen mit Reisenden im New Yorker U-Bahn System über die ersten Porträts auf monochromatischen Hintergrund zu den bekanntesten Werken der 1960er- und 1970er-Jahre (die bereits 1986 Schwerpunkt seiner Whitney Retrospektive gewesen sind) reicht die Ausstellung bis in die Gegenwart mit Arbeiten, die auf Landschaften aus New York und Maine fokussieren, wo Licht, Wetter und Stimmung thematisiert werden. Im letzten Teil der Ausstellung wird beeindruckend gezeigt wie Katz die Möglichkeiten des Figuralen komplett ausreizt und letztendlich mit monochromatischen Arbeiten komplett in die Abstraktion eintaucht.

Installation view, Alex Katz: Gathering, Solomon R. Guggenheim Museum, October 21, 2022–February 20, 2023. Photo: Ariel Ione Williams and Midge Wattles © Solomon R. Guggenheim Foundation, New York.


Nick Cave: Forothermore

Guggenheim

Die Überblicksausstellung zu den Arbeiten des in Chicago ansässigen Künstlers Nick Cave deckt alle Aspekte seines Schaffens, von seinen aufwändigen Installationen und Textilarbeiten, inklusive seiner ikonischen „Soundsuits“, welche Skulptur, Kostümdesign und Instrumente Herstellung verbinden. „Forothermore“, der Titel der Ausstellung, ist ein Neologismus, ein komplett neu erfundenes Wort, das dem lebenslangen Bestreben von Cave gerecht werden soll, Raum zu schaffen für jene die sich von der dominanten Kultur und Gesellschaft marginalisiert fühlen, vor allem die Arbeiterklasse und die Gemeinschaften Farbiger und Queeren. In drei Kapitel aufgeteilt: „Was war“, „Was ist“ und „Was sein soll“, versucht die Ausstellung anhand der Kunst Caves zu hinterfragen, inwiefern das späte 20. und das frühe 21. Jahrhundert die Versprechen von sozialer Gerechtigkeit an die „anderen“, an jene die nicht Teil der Leitkultur sind, erfüllt haben oder nicht. Die dreiteilige Ausstellung verfolgt chronologisch die Praxis von Cave: es werden frühe Arbeiten gezeigt, die bislang unbekannt waren, sowie die monumentalen „Tondo“-Arbeiten, die Überlebensstrategien angesichts Ungerechtigkeiten thematisieren.

Nick Cave, Garden Plot (aka Wall Relief), 2013. Steel, found textiles, and found ceramic, glass, and metal objects, with beads, four parts, 97 × 74 × 21 in. each. Courtesy the artist and Jack Shainman Gallery, New York. © Nick Cave. Photo: James Prinz


Edward Hopper’s New York

Whitney

Das Whitney, welches die weltweit größte Edward Hopper Sammlung beherbergt, zeigt nach fast zehn Jahren (nachdem 2013 seine Zeichnungen ausführlich präsentiert wurden) wieder eine Ausstellung des amerikanischen Realisten. Die New York zentrierte Schau untersucht Hoppers Leben und Arbeit in der Stadt, in der er fast sechs Jahrzehnte präsent war (1908-1967) und zeigt, wie er einzigartige, übersehene Aspekte der Stadt eingefangen hat, während er gleichzeitig visuelle Strategien entwickelt hat sie zu universalisieren. Es ist die erste Hopper Ausstellung, die seinem Leben in New York gewidmet ist, neben werden Malereien, Aquarellen, Drucken und Zeichnungen auch Materialen aus dem kürzlich erworbenen Sanborn Hopper Archiv präsentiert: Ephemera, Korrespondenzen, Fotos und Tagebücher geben neue Einsichten in Hoppers Leben in NY. Auch eine Auswahl von Aquarellen aus der Hand seiner Frau, der Künstlerin Josephine (Jo) Verstille Hopper, wird gezeigt.

Installation view of Edward Hopper’s New York (Whitney Museum of American Art, New York, October 19, 2022- March 5, 2023). From left to right:Approaching a City, 1946; New York City (From an Elevated Railroad), c. 1916; Room in Brooklyn, 1932; New York Restaurant, c.1922; Tables for Ladies, 1930; New York Pavements, 1924-25; Night on the El Train, 1918; The El Station, 1919-23. Photograph by Ron Amstutz


In the Balance: Between Painting and Sculpture 1965-1985

Whitney

Die Schau “In the Balance: Between Painting and Sculpture” bringt zwölf vorwiegend abstrakte Arbeiten aus der Sammlung des Whitney zusammen, alle entstanden in den zwei Jahrzehnten von der Mitte 1960er- bis Mitte 1980er-Jahre. Der Titel paraphrasiert ein Dorothea Rockburne Gemälde: „Balance“ (1985, Öl auf Leinen). Die Ausstellung soll Grenzen und Konventionen zwischen den Medien ausloten: die Skulpturen, unabhängig davon, ob sie über den Boden fließen oder darauf stehen, bewegen sich im Bereich der Malerei, indem sie Fragen nach Farbe, Oberfläche und optischen Wahrnehmung untersuchen. Die Malereien andererseits beschäftigen sich mit skulpturalen Fragestellungen nach Drei-Dimensionalität. Neben den vielen Übergangseffekten liegt allen gezeigten Werke inne, dass sie die Auseinandersetzung der Künstler dieser Zeit damit aufzeigen, wie wir im Verhältnis zu Raum stehen, wie wir darauf reagieren und wie wir hineinpassen. Zu sehen sind Arbeiten von Edna Andrade, Lynda Benglis, Judy Chicago, Tishan Hsu, Jane Kaufman, Alvin Loving, David Novros, Dorothea Rockburne, Freddy Rodriguez, Alma Thomas, May Ann Unger und Kay WalkingStick.

Installation view of In the Balance: Painting and Sculpture, 1965-1985 (Whitney Museum of American Art, New York, October 19, 2022 – March 5, 2023). From left to right: Alvin Loving, Rational Irrationalism, 1969; Dorothea Rockburne, Balance, 1985; Mary Ann Unger, Water Spout, 1980-81. Photograph by Ron Amstutz


Thierry Mugler: Couturissime

Brooklyn Museum

Die Retrospektive zum ausgefallenen Universum des kürzlich verstorbenen französischen Designers und Parfümeur Thierry Mugler zeigt 130 Outfits von Haute Couture bis Bühnenkostümen, die meisten davon zum ersten Mal öffentlich zu sehen, neben zahlreichen Accessoires, Videos, Fotos, Skizzen und Düften die seien futuristischen Zugang zu Mode und Design spiegeln. Der Designer, der ursprünglich seine Karriere als Balletttänzer angefangen hat, hat mit seinen unorthodoxen Techniken und Materialien (Glas, Plexiglas, Kunstpelz, Vinyl, Latex und Chrom) die Modeindustrie geprägt und ist in den 70er-Jahren mit seinem sogenannten „glamazon“ Chic bekannt geworden. Außerhalb des Runways hat er Kostüme für den Cirque de Soleil entworfen (Zumanity, 2003), Regie für George Michaels „Too Funky“ Video geführt (1992), und die Bühnenoutfits für Beyonces „I Am“ Tour entworfen. Die thematisch aufgeteilte Ausstellung erforscht Muglers Interesse in Fantasie, Glamour, Science-Fiction, Erotik und der natürlichen Welt.  Gezeigt werden auch Arbeiten von Kollaborationen mit anderen Künstler wie Lillian Bassman, Guy Bourdin, David LaChapelle, Sarah Moon, Pierre et Gilles, Herb Rittes und Ellen von Unwerth.

Installation Images, Brooklyn Museum, Thierry Mugler: Couturissime was initiated, produced and circulated by the Montreal Museum of Fine Arts, in collaboration with the Maison Mugler.


Ausflugstipp zur Dia Beacon

Jack Whitten: The Greek Alphabet Paintings

Dia Beacon zeigt diesen Herbst die erste Ausstellung, die Jack Whitten’s Serie „Griechisches Alphabet“ von 1975-78 gewidmet ist. 60 zusammengeführte Arbeiten aus unterschiedlichen privaten und institutionellen Sammlungen ermöglichen die Einsicht in einen Schlüsselaugenblick von Whittens Praxis. Während seiner Karriere von über 50 Jahren hat Whitten eine visuelle Sprache entwickelt, die gleichfalls von Konzept und Prozess bestimmt ist, sowie auch von Materialexperimenten. Seine Arbeiten aus den 1970er-Jahren markieren den kritischen Augenblick, in dem er die gestischen Pinselstriche des abstrakten Expressionismus abgelehnt hat und sich seitdem der Erforschung von experimentellen Prozessen und Materialien gewidmet hat. In dieser Serie, die in seinem Studio in Downtown NY entstanden ist, hat Whitten die 24 Buchstaben des griechischen Alphabets als organisatorisches Prinzip für seine Variationen von abstrakten, schwarz-weiß Kompositionen und Experimenten in Markierungen genutzt. Bei diesen Arbeiten mit komplexen Oberflächen hat Whitten handgemachte Werkzeuge wie Kämme und Rechen, sowie Techniken wie Prägung und Frottage eingesetzt. Dia Beacon hat im Zusammenhang mit dieser Ausstellung, und um Whittens Interesse für experimentelle Musik Tribut zu zollen, die Musikerin und Komponistin Wadada Leo Smith beauftragt, die Gemälde musikalisch zu interpretieren.

Das könnte Sie auch interessieren