Kunst im Kino: Diagonale 2024
Die starke Präsenz der bildenden Künste bei der diesjährigen Diagonale hat PARNASS mit einer Ankündigung des Maria-Lassnig-Films „Mit einem Tiger schlafen“ und des Programmschwerpunkts „Position Lisl Ponger“ bereits HIER besprochen. Wo fanden sich beim Festivals des österreichischen Films in Graz noch weitere kunstbezogene Highlights? Ein Lokalaugenschein und Tipps, wo sie auch nach der Diagonale auf der Leinwand laufen.
Die ängstliche Verkehrsteilnehmerin
Ein Regiedebüt, das überrascht hat: Martha Mechows „Die ängstliche Verkehrsteilnehmerin“ (2023) erzählt mit teils skurrilen und unkonventionellen Szenen davon, wie sich eine Gruppe von Frauen auf Sardinien von gesellschaftlichen Zwängen befreit. Im Mittelpunkt der Handlung steht die junge Flippa auf der Suche nach ihrer Schwester, die sich der Freiheitsliebe wegen nicht fassen lässt. „Es gibt Möglichkeiten, und die gilt es auszuprobieren“, sagt sie, bevor sie wieder verschwindet. Die Regisseurin Martha Mechow bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Theater, Film und bildender Kunst und wurde für diesen Film mit dem Großen Spielfilm-Preis der Diagonale ausgezeichnet.
13.4.-3.5., Metro Kinokulturhaus, www.filmarchiv.at
Beziehungs:szenen
Gibt es noch so etwas wie Emanzipation, sobald ein Paar ein Kind bekommt? Künstlerin Anja Krautgasser wirft in ihrem Experimentalfilm „Beziehungs:szenen“ (2024) eine Reihe von selbstreflexiven Fragen auf. Sie inszeniert vor der Kamera ihre eigene Familienaufstellung und wagt sich dabei an Themen, die aus einem Harmoniebedürfnis heraus oft nicht angesprochen werden. Krautgassers Familienmitglieder werden von Schauspieler:innen verkörpert, dennoch ist der Film sehr persönlich. Und das Private ist, wie wir seit der ersten Frauenbewegung wissen, politisch.
24.5., Breitenseer Lichtspiele: Personale, www.annjakrautgasser.net
Innovativer Kurzfilm
Ein besonders dichtes Programm hat die Diagonale beim innovativen Kurzfilm zusammengestellt. Mehrere Beiträge lieferte die Künstlerin Christiana Perschon: „Friedl“ (2023), eine Begegnung mit der Fotografin Friedl von Göller, oder auch „Abstillen“ (2023), ein intimes Werk über die eigenen milchgebenden Brüste. „Wenn ich mich zeichne, existiere ich dreifach“ (2023) über die Malerin und Zeichnerin Florentina Pakosta ist Teil eines Filmzyklus, der in der Begegnung mit Vertreterinnen einer älteren Künstlerinnengeneration deren Denk- und Arbeitsweisen vorstellt. Eine Hommage an eine feministische Künstlerin, die derzeit auch im Künstlerhaus Wien angeschaut werden kann.
Bis 9.6., in der Ausstellung „auf den Schultern von Riesinnen, www.kuenstlerhaus.at
Kunsthaus Graz
Die Arbeit von Eva Egermann und Cordula Thym war nicht zu übersehen: Von ihnen kam der Festivaltrailer mit dem Titel „Unter dem Image“. Unter Rückgriff auf Ausschnitte aus ihrem Film „C-TV: (Wenn ich Dir sage, ich habe dich gern…)“, der 2023 den Preis für Innovatives Kino erhielt, setzen sie sich widerständig für eine Veränderung der Gesellschaft hin zu mehr Inklusion ein. Dieses Anliegen verfolgt auch ihre Ausstellung im Kunsthaus. Bei „C-TV: Close Encounters oft he Hamster Kind“ machen sie mit Filmprojektionen und einem Lesebereich humorvoll klar: Es braucht gleichberechtigt Platz für marginalisierte Menschen, etwa mit Behinderung – und mehr Glitter.
Bis 5.5., Kunsthaus Graz, www.museum-joanneum.at
Kunstuni Linz in Graz
Wie stark die Kunstuniversität Linz auf der Diagonale vertreten war, hat PARNASS berichtet. Ein Film von zwei Absolvent:innen bedarf insbesondere Aufmerksamkeit und läuft auch nach dem Festival über Kinoleinwände: „Vista Mare“ (2023) von Julia Gutweniger und Florian Kofler. Der Dokumentarfilm nimmt sich dem dolce vita an der Adriaküste an – jedoch hinter den Postkartenmotiv-Kulissen. Surreale Bilder (Diagonlae-Preis Bildgestaltung!), schöne Beobachtungen des nicht gleich Offensichtlichen, eine erfrischende Auseinandersetzung mit Massentourismus.
Vista Mare ist regulär in österreichischen Kinos zu sehen, filminstitut.at/filme/vista-mare