Klaus Mosettig (Foto: © Tatiana Lecomte/Detail)

Seit seiner Ausstellung in der Wiener Secession im Jahr 2009 ist es um Klaus Mosettig etwas ruhiger geworden –zumindest in Wien. Auf internationaler Ebene durfte man seine überdimensionalen Zeichnungen etwa in der Saatchi Gallery London, in Berlin, New York, der Kunsthalle Karlsruhe und Nürnberg bestaunen. Nun wird die von Edelbert Köb kuratierte Ausstellung „Withdrawal“ vom 14. März bis 09. Mai 2015 in den erst kürzlich eröffneten Räumen von Hofstätter Projekte zu sehen sein. Fokussiert werden in dem Projektraum kunsthistorische Fragestellungen, die einen Dialog zwischen Gegenwart und Geschichte eröffnen. Der Leitgedanke der Hofstätter Projekte „All Art has been Contemporary“ von Maurizio Nannucci ist damit auch in den Werken von Mosettig lesbar. Bei einem Atelierbesuch sprach Sabrina Möller mit ihm über seine Arbeitsweise und die jüngsten Serie.


Du arbeitest unter anderem mit Fotografien von Kunstwerken, die kunsthistorisch in der Moderne wichtige Positionen besetzen: Indem du sie auf das Papier projizierst und mittels einer Schraffur von Links nach Rechts in ihren Tonwerten nachzeichnest. Man könnte denken, dass du damit Kopien anfertigst, doch berücksichtigt du weitaus mehr. Du zeichnest ebenso die Verschmutzungen der Linse des Diaprojektors um das transportierende Medium freizulegen. Gab es eine Art Ursprungsmoment oder wie kam es zu dieser Technik?

Angefangen hat es mit Kuhfladen: Aus einer Kritik an Künstlern heraus, die mittels der Fotografie Malerei herstellen. Dieses utilitaristische Vorgehen, Fotografie zu verwenden um damit freie Malerei zu produzieren, war mir suspekt, und ich wollte es durch meine Art, der Fotografie möglichst treu zu sein – noch dazu bei einem so „niederen“ Motiv – kritisieren. Inzwischen ist dieser kritische Ansatz gegenüber anderen Künstlern aber nicht mehr wichtig. Vielmehr ist das jetzt einfach mein Arbeitsmedium geworden und andere Dinge sind in den Vordergrund getreten.

Außerdem wollte ich die in meinen früheren Arbeiten spürbare Zeitlichkeit auch in diesem platzsparenden und einfachen Medium weiter entwickeln. Davor haben Lebewesen, wie Ameisen und Pflanzen, für mich gearbeitet. Ich habe bestimmt, was sie machen und sie mussten dann die Arbeit erledigen. Mit den Kuhfladen gab es eine Art Umkehrung: Jetzt darf die Kuh einmal genussvoll scheißen und ich mache die zeitintensive Arbeit. Dabei zeichne ich ganz mechanisch das Licht vom Foto – eine erneute Unterordnung.

Worum geht es dir dabei auf inhaltlicher Ebene?

Das ist eine sehr umfangreiche Frage, sodass ich nur Aspekte darstellen kann. Es ist zum Einen der Versuch, die umgebende Welt – zu der auch Kunstwerke gehören – immer gleich zu behandeln. Egal ob es Staub, Kinderzeichnungen, Kuhscheiße, oder die Werke berühmter sowie nicht-berühmter Künstler sind. Ich gliedere die Motive ins immer gleiche System meines Arbeitsprozesses ein, das wie ein Lager funktioniert: Alles ist in der gleichen Art behandelt, ist in das System eingegliedert und gehört somit zusammen. Unabhängig vom Motiv. Eine weitere Intention ist es, die Zeitlichkeit sichtbar zu machen. Alle Arbeiten sind wie ein kleines Stück von meinem Leben.

Nach welchen Kriterien wählst du dann die Werke oder Motive, die sozusagen als Vorlage fungieren, aus?

Es gibt viele Kriterien, aber neue Serien entstehen immer aus meinem eigenen Werkprozess heraus. Ich beschäftige mich nicht absichtlich mit bestimmten Künstlern, ich zeichne wirklich Motive. Zum Beispiel: Bei Pollock begann die Beschäftigung mit anderen Künstlern. Es war eine klare Opposition hinsichtlich der Zeitlichkeit, aber auch in Hinblick auf die Platzierung der Arbeiten in der Secession. Ich zeichne an der Wand und habe die Zeichnungen dort auf dem Boden liegend präsentiert, während Pollock sie liegend malte aber an der Wand hängend zeigte. Bei den Selbstporträts ist die Technik – das Zeichnen – meiner eigenen sehr nahe, die Intention jedoch eine völlig andere. Mich hat interessiert, wieso manche Künstler sich dauernd selber zeichnen und ausstellen. Diese Faszination von sich selbst. Deswegen habe ich die Selbstporträts auch nummeriert und nicht nach den Künstlern benannt. Es ist aber nie einfach als eine Kritik zu verstehen, sondern ich zeichne vielmehr Dinge, die ich auch auf eine bestimmte Art schätze.

Klaus Mosettig, Withdrawal, Ausstellungsansicht, Hofstätter Projekte, Wien © Marie Alice Brandner Wolfszahn

Klaus Mosettig, Withdrawal, Ausstellungsansicht, Hofstätter Projekte, Wien © Marie Alice Brandner Wolfszahn

Inwiefern unterscheiden sich die Reaktionen auf deine Arbeiten hinsichtlich des Motivs? Sei es eben ein berühmtes Werk oder die Darstellung vom Staub der Linse des Diaprojektors

Man lebt als Künstler extrem mit, gegen, und von Missverständnissen. Manchmal machen sie einen wahnsinnig. Mir geht es etwa unglaublich auf die Nerven, dass in den meisten Texten die ‚lange‘ Herstellungsdauer meiner Arbeiten so betont wird. In den letzten zwei Jahren habe ich immerhin 38 Zeichnungen gemacht. Vermeer hat sein ganzes Leben lang nicht mehr gemalt. Ich will mich jetzt nicht mit Vermeer vergleichen, aber es ist in Wirklichkeit einfach gar nicht so schlimm, an einer 2 x 3 Meter großen Zeichnung vier Monate zu arbeiten: Das hat man die ganze Kunstgeschichte hindurch gemacht. Heute ist es wohl anders, und für Andere ist das so überwältigend, dass sie dadurch etwas Besonderes finden. Ein Missverständnis, das mir neben dem Ärger andererseits durchaus auch viel bringt.

Ich will mich jetzt nicht mit Vermeer vergleichen, aber es ist in Wirklichkeit einfach gar nicht so schlimm, an einer 2 x 3 Meter großen Zeichnung vier Monate zu arbeiten: Das hat man die ganze Kunstgeschichte hindurch gemacht.

Klaus Mosettig

Ein weiteres Missverständnis gab es hinsichtlich der Arbeiten von Pollock. Denn bei den Amerikanern – die ja dieses ‚Heiligtum‘ Pollock haben – kamen sie wahnsinnig gut an. Mir ging es aber nicht so sehr um Pollock: Es ist ein Ausschnitt, ein Motiv aus der umgebenden Welt, und ästhetisch gleichzeitig eine Brücke zu den Mondoberflächen davor, wobei wir da jetzt auch noch gleich über Pollocks Selbstauffassung „als Natur“ sprechen könnten. Manche stehen also auf meine Arbeit, egal ob das Motiv auf die Kunstgeschichte verweist oder es die Zeichnungen meiner Tochter sind. Und dann gibt es eben die ‚Touristen‘, die z.B. Pollock super finden oder Josef Albers, oder Kühe besonders lieben...

Aufgrund des Einsatzes der Fotografie und ihrer visuellen Übertragung auf das Papier werden die Grenzen zwischen gegenständlich und abstrakt für den Betrachter zunächst unklar. Wie würdest du deine Arbeiten selber einordnen?

Ich sehe meine Arbeiten ganz klar als gegenständlich, wobei dieser Begriff auch zu reflektieren ist. Aber auch das ist ein häufiges Missverständnis meiner Arbeiten. Bei den Selbstporträts sagten manche: „Jetzt zeichnest du plötzlich gegenständlich?“ Für mich sind die Pollocks genauso gegenständlich. Das Motiv ist ein anderes, aber meine Technik und die Zeichnung ist nie weniger oder mehr gegenständlich als bei Pollock, es ist einfach eine konzeptuelle Gegenständlichkeit.

Edelbert Köb, der deine Arbeiten seit vielen Jahren begleitet, hat deine Arbeit als Antithese zu Walter Benjamins Behauptung des Verlusts der Aura des Kunstwerkes im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit gelesen. Bzw. ist das vermutlich eine von dir selbst formulierte Antithese. Aber ist es für dich wirklich eine Form der technischen Reproduktion, wenn du doch selber mit anderen Materialien, Techniken und zudem auch mechanisch arbeitest?

Diese These stammt nicht von mir, sondern von Edelbert, und um präzise antworten zu können, müsste ich erst darüber nachdenken. Aber ich finde Edelberts Gedanken zu dieser Thematik, die er kürzlich niedergeschrieben hat, durchaus interessant. Zumal er meine Arbeit dabei stark in Adornos Ästhetik verortet hat, ohne zu wissen, dass Adorno in meinen Studienjahren für mich extrem wichtig war. Ich denke also, dass er da schon einiges richtig verstanden hat.

Diese Expressivität, der ich aber als künstlerischer Handlung nicht voll und ganz vertrauen kann. Nur im gebrochenen, analytischen Zustand kann ich sie als Kunst akzeptieren.

Klaus Mosettig

In der Ausstellung Withdrawal wirst du neben Arbeiten aus der gleichnamigen Serie auch Werke aus den Serien Selbstporträts sowie der eben erst begonnenen Werkgruppe Informel zeigen. Warum hast du dich für diese Kombination entschieden?

Es gibt Ausstellungen, in denen ich nur eine Serie präsentiere, und die für mich als Ganzes schlüssig sind. Doch wenn man so viel Raum zur Verfügung hat, wie bei Hofstätter Projekte, finde ich es spannend, wenn eine Serie die andere relativiert und wiederum einen neuen Aspekt frei legt. Das Konzept von Hofstätter Projekte basiert auf Kunst im Dialog mit anderer Kunst – und das möchte ich auch brechen, wie ich immer versuche, Raumkonzepte gegen den Strich zu bürsten. Daher war es mir wichtig, auch die ganz neue Serie ‚Informel‘ zu zeigen. Es soll eben keine Hommage an andere Kunst sein, sondern mein Vorgehen – alles gleichwertig zu behandeln – darlegen. Die Arbeiten sollen sich sowohl gegenseitig erklären als auch brechen.

Informel ist eine Serie, die sich durch eine gewisse Ambivalenz auszeichnet: Die Merkmale der Leichtigkeit und Spontanität dieser Kunstrichtung treffen auf deine Akribie und eine mechanische Wiederholung. Wie kam es zu dieser Serie?

‚Informel‘ basiert auf Kinderzeichnungen meiner Tochter und ist im Prozess der Albers-Serie entstanden. Jede Serie verstehe ich auch in gewisser Weise als ein Gegenstück zur vorhergehenden: Während meiner langen Arbeitsprozesse kommt das Gefühl auf, dass mir auch andere Aspekte wichtig sind. Das ist nicht für den Betrachter konzipiert, sondern ergibt sich aus einer eigenen Notwendigkeit heraus. Im gemeinsamen Gespräch mit Wolfram Pichler bin ich unlängst darauf gekommen, dass mich an den Zeichnungen meiner Tochter der unreflektierte Ausdruckswille anzieht. Diese Expressivität, der ich aber als künstlerischer Handlung nicht voll und ganz vertrauen kann. Nur im gebrochenen, analytischen Zustand kann ich sie als Kunst akzeptieren. Und zu guter Letzt ist es mir als leidenschaftlichem Arbeiter nicht leicht gefallen, sieben Monate Karenz wahrzunehmen, ohne nicht auch ein bisschen das Gefühl von Arbeit zu haben... und so habe ich Liliths Zeichnungen, die ästhetisch ja irgendwo zwischen Pollock und Cy Twombly liegen, gesammelt...

Das Konzept von Hofstätter Projekte All art has been Contemporary offeriert den ausstellenden Künstlern auch, dass sie innerhalb der Ausstellung mit dem Bestand des Kunsthandels arbeiten können. Warum hast du dich entschieden, diese Möglichkeit in deiner Ausstellung nicht zu berücksichtigen?

Ich mache sozusagen „uninspirierte“ Kunst. Ich arbeite an einer Serie durchschnittlich zwei Jahre – je nachdem, wie umfangreich sie wird. In dieser Zeit baut sich die Reflexion für die nächste Serie kontinuierlich auf. Meine Serien sind immer durch die davor bedingt und bedingen auch selbst die nächste. Mich interessiert es nicht, auf Fremdeinflüsse einzugehen, weil ich die Suche nach dem, was einen so beschäftigt, dass man künstlerisch tätig sein will, für das eigentlich Wesentliche an der zeitgenössischen Kunst halte. Ich möchte mich nicht mit etwas auseinandersetzen, nur weil es gerade vorhanden ist.

Klaus Mosettig, Withdrawal, Ausstellungsansicht, Hofstätter Projekte, Wien © Marie Alice Brandner Wolfszahn

Klaus Mosettig, Withdrawal, Ausstellungsansicht, Hofstätter Projekte, Wien © Marie Alice Brandner Wolfszahn

Kurzporträt Klaus Mosettig

Klaus Mosettig’s gegenwärtiges Interesse gilt der Übertragung projizierter Dia’s in das Medium der Zeichnung. Die Motive seiner Arbeiten variieren zwischen historisch aufgeladenen Kunstwerken der Moderne bis hin zu Kindermalereien, Kuhfladen und Staub. Eine scheinbare Ambivalenz, die sich in dem Moment auflöst, in dem die Gleichrangigkeit sämtlicher Motive im Werk von Mosettig deutlich wird: Die Projektion selbst wird zum Motiv erhoben, während der Autor der Bildvorlage oder die historische Dimension weitestgehend außer Acht gelassen wird. Doch Mosettig geht über die reine Projektion von Fotografien hinaus, indem er das transportierende Medium des Diaprojektors, mitsamt den Verschmutzungen auf der Linse, in seinen Arbeiten einfängt und freilegt. Reduziert auf ein einziges formgebendes Element – der Schraffur von Links nach Rechts – zeichnet er die Tonwerte nach und entzieht den ursprünglichen Vorlagen damit ihre Farbigkeit. Eine Arbeitsweise, die etwa in der Werkgruppe „Withdrawal“, deren Motive auf der Serie „Homage to the Square“ von Josef Albers basieren, durch die Reduktion der Farbe zu einem Verlust des Kerncharakteristikums führen.

Mosettig, der 1975 in Graz geboren wurde, lebt und arbeitet heute in Wien. Nach der Meisterschule für Malerei in Graz, studierte er an der Akademie der bildenden Künste in Wien sowie an der Gerrit Rietveld Akademie in Amsterdam. Bevor der sich dem Medium der Zeichnung zuwandte, beschäftigte er sich als Schüler von Bruno Gironcoli mit einem Skulpturbegriff, der auf prozessual langfristig angelegten Verfahren und einer Auseinandersetzung mit der Natur basierte: Er züchtete Apfelbäume, ließ Ameisen für seine Werke arbeiten und machte damit die Natur zu seinem Material.

Für sein zeichnerisches Werk wurde Mosettig 2005 mit dem 1. Walter Koschatzky Preis ausgezeichnet. Neben seiner Einzelausstellung „Pradolux“ in der Wiener Secession im Jahr 2009 stellte er institutionell u.a. in Dornbirn, Schwaz, Tokio sowie in den Kunsthallen Karlsruhe und Nürnberg aus. Darüber hinaus wurde er international in Galerien wie der Saatchi Gallery in London, der Buchmann Galerie in Berlin, in Istanbul, Cleveland (Ohio) und New York City ausgestellt.

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