Portrait

Jorinde Voigt

Jorinde Voigt, From Below + From Above II", Berlin 2015 © Jorinde Voigt

Am Anfang war das Interesse am Adler. Jetzt interessieren die Berliner Künstlerin Jorinde Voigt vor allem Flügel. Auch Federn findet sie total interessant. Im November wird die Kunsthalle Krems eine erste Retrospektive der 1977 in Frankfurt am Main geborenen Künstlerin zeigen. Die neusten Werke, die Jorinde Voigt dort ausstellen wird, entstehen gerade. Die älteren begeistern durch feine Zeichnungen, dynamische Formen, verrätselte Schriften, Variationen ihrer Themen. Der Künstlerinnenkosmos ist weit und gänzlich individuell zugleich. „Mich interessieren generative und algorithmische Strukturen“, sagt die Künstlerin. PARNASS hat die Künstlerin in ihrem Berliner Atelier besucht.


Momentan interessieren sie Flügel. Flügel jeder Art. Flügel in der Kunstgeschichte. Flügel von Engeln und Menschen und Monstern, gefunden bei den Künstler-Kollegen früherer Jahrhunderte. Auch Federn sind total interessant. Das komme von der Faszination fürs Fliegen, sagt Jorinde Voigt, die zu den interessantesten, eigenständigsten und erfolgreichsten jüngeren deutschen Künstlerinnen gehört. Die frühen, wie Organe wirkenden Flügel von Paul Klee gefallen ihr besonders. Und solche, wie sie der italienische Künstler Pietro Cavallini (1250–1330) malte. Sie hat sein Flügel-Darstellungsprinzip analysiert und ins Unendliche vervielfacht. Aus dieser Beschäftigung entstand zum Beispiel eine Serie vergoldeter, bewegter Flächen, die an Flügel, Federn, Ikarus, Körper im Federkleid erinnern. Sie hat den Titel „Cavallini-Algorithmus“ bekommen. Zarte Linien kreuzen, umspielen, begleiten diese dynamischen Formen aus Blattgold. Für andere Blätter nutzt Jorinde Voigt schwarze Federn, die zu dichten Flächen vereint und ebenfalls in ein Liniensystem eingebunden sind. Das ist ganz fein nur, aber es bestimmt den Reiz der großen Blätter.

Meine Arbeit ist ein Prozess und zeigt eine Momentaufnahme. Deshalb entstehen so viele serielle Arbeiten. Mich interessieren generative und algorithmische Strukturen.

Jorinde Voigt

Eines davon heißt: „From Below + From Above II Now Rotationsrichtung Rotationsgeschwindigkeit 1–2 Umdrehungen/Tag Erdoberfläche Possible Now (1) Possible Now (2) Dauer: Heute “ ∞ Morgen “ ∞ Gestern “ ∞ Ausrichtung Oben Ausrichtung Erdmittelpunkt“. Der Titel ist ein typischer Jorinde Voigt-Titel: auf den ersten Blick logisch, auf den zweiten doch sehr rätselhaft, wie aus einem fremden Kosmos entliehen und das letzte, was ein Werk der Künstlerin bekommt. Danach ist es fertig und ein Unikat wie jedes vorherige und jedes folgende. „Meine Arbeit ist ein Prozess und zeigt eine Momentaufnahme. Deshalb entstehen so viele serielle Arbeiten. Mich interessieren generative und algorithmische Strukturen. Letztendlich fließt die Beschäftigung mit ihnen, das Erkennen dieser Strukturen in meine Arbeiten ein.“

Wenn am 14. November 2015 ihre Retrospektive in der Kunsthalle Krems eröffnet, zieht erstmals eine Ausstellung Bilanz des 16-jährigen Künstlerschaffens. Welche neuesten Arbeiten in Krems zu sehen sein werden, weiß die Künstlerin, wie immer vor Ausstellungen, noch nicht. Sie geht jeden Tag (außer an den Wochenenden, wenn es klappt) von zehn bis 19 Uhr ins Atelier und arbeitet.

Jorinde Voigt, From Below + From Above II", Berlin 2015 © Jorinde Voigt

Jorinde Voigt, From Below + From Above II", Berlin 2015 © Jorinde Voigt


Lesen Sie das vollständige Portrait in Parnass Ausgabe 4/2015.

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