Zukunftsvisionen: Vom Scherbenhaufen zur Weltmarke

Haus der Kunst stellt Weichen für einen Neuanfang

Haus der Kunst, Fassade, Foto: Marino Solokhov

Es gibt fast nichts, was im Haus der Kunst nicht schon einmal geschehen ist. Das Haus ist bekannt für eine wechselvolle und bewegte Geschichte. Aber die Dinge wiederholen sich. So wurde bereits Christoph Vitalis Vertrag nicht verlängert, obwohl er heute kaum fassbare Besucherrekorde (Barnes Collection – über 400.000 Besucher) vorweisen konnte. Nachdem bekannt wurde, dass Vitali im Lauf der Jahre ein Defizit von 600.000 Euro angesammelt hatte, bekam auch er eine kaufmännische Direktorin als Aufsicht. Heute, rund 15 Jahre später, sprechen wir über ein Defizit in Höhe von 4,5 Mio. Euro. Auch der letzte, international renommierte künstlerische Leiter, Okwui Enwezor ist nicht mehr im Amt, das Haus verwaist.


Die Lage im Haus der Kunst, das einmal zu den international renommiertesten Ausstellungshäusern zählte, kann nur als desolat beschrieben werden. Der Senior Kurator Ulrich Wilmes verlies als letzter im November das Haus und ging vorzeitig in Ruhestand. Zurückgeblieben sind verbrannter Boden, Skandale, eine desaströse Medienberichterstattung. Das Haus, einst ein kultureller Leuchtturm, steckt tief in der Krise. Doch mit dem neuen Jahr – erste Signale, die Hoffnung verbreiten, auf einen positiven Ausgang der Geschichte.


Silberstreifen am Horizont

Anfang der Woche lud der neue Bayerische Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, Bernd Sibler zusammen mit dem derzeitig alleinigen Leiter des Haus der Kunst, dem kaufmännischen Direktor Bernhard Spies, zu einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz ein. Sie fand unmittelbar nach der letzten Sitzung des Aufsichtsrates statt, in der sich eine erste Stabilisierung der Situation im Haus der Kunst abzeichnete. Eine erfreuliche Entscheidung aus dem Aufsichtsrat: Die wichtigste private Förderin, die Alexander Tutsek-Stiftung, die die Institution jährlich mit mindestens einer halbe Million Euro unterstützt, wird dem Haus der Kunst erst einmal erhalten bleiben. Zu den Finanzen gab der kaufmännische Direktor des Hauses, Bernhard Spies später bekannt: „man schreibe für 2018 schwarze Zahlen“. Gelingen konnte dies nur mit einem strengen Sparkurs. In diesem Zusammenhang ist auch zur vieldiskutierten Absage einer Kooperation mit dem New Yorker MoMa für eine geplante Ausstellung mit der Video- und Performance Künstlerin Joan Jonas zu sehen. Die Kosten hierfür sollen sich angeblich auf rund 430.000 Euro belaufen haben – zu viel für das Münchner Haus.

Haus der Kunst, 2007 mit Sprachskulptur von Lawrence Weiner Foto: Jens Weber, München

Haus der Kunst, 2007 mit Sprachskulptur von Lawrence Weiner Foto: Jens Weber, München


Neuer Expertenrat installiert

Der Minister mahnte „Ruhe und Stabilität“ an für die jetzt anstehende Phase der Konsolidierung. „Wir schauen nicht nach hinten, sondern nach vorne. Wichtig ist, dass sich das Haus der Kunst wirtschaftlich erholt. Hierfür ist ein strukturiertes Vorgehen notwendig. Dafür haben wir einen klaren Fahrplan,“ so Minister Bernd Sibler, der das Haus der Kunst wieder zu einer „Weltmarke“ machen möchte.

Hauptanlass der Pressekonferenz war daher die Vorstellung eines neu berufenen Expertengremiums für das Haus der Kunst. Der Expertenrat soll dem Haus und dem Ministerium ab sofort beratend zur Seite stehen. Initiiert hatte die Maßnahme der Aufsichtsrat des Haus der Kunst. Konstituiert hatte sich das Gremium bereits Ende letzten Jahres. Jetzt legte es eine erste Analyse und seine Empfehlungen vor.

Vorsitzende des Expertenrats ist die Schweizerin Bice Curiger. Sie ist Kunstwissenschaftlerin, Kuratorin und Künstlerische Direktorin der Fondation Vincent van Gogh in Arles (hinter der die Schweizer Sammlerin und Mäzenin Maja Hoffmann steht). Curiger, die auch als Herausgeberin der Kunstzeitschrift PARKETT bekannt wurde, hat zahlreiche wegweisende Ausstellungen kuratiert unter anderem über Sigmar Polke, Katharina Fritsch und Meret Oppenheim. Ihr zur Seite stehen die mit dem Haus verbundene Münchner Sammlerin Ingvild Goetz. Teile Ihrer Videokunst-Sammlung werden seit 2011 in wechselnden Präsentationen im ehemaligen Luftschutzkeller des Haus der Kunst gezeigt. Achim Hochdörfer, Kunsthistoriker, Kurator und Direktor des Museum Brandhorst ergänzt das Gremium. Der Expertenrat vereint somit institutionelle Leitungserfahrung, verfügt gleichermaßen über die notwendigen betriebswirtschaftlichen Kenntnisse wie auch über langjährige kuratorische Expertise und ausgezeichnete Kenntnisse der internationalen zeitgenössischen Kunst.


Empfehlungen der Experten

Basierend auf einer ersten Analyse, in der das Potenzial des Haus der Kunst untersucht wurde, erarbeitet der Expertenrat ein erstes strategisches Konzeptpapier. In ihm sind die Eckpunkte für eine erfolgreiche Zukunft des Hauses definiert. Empfohlen wird für die Ausrichtung des Ausstellungshauses u.a. die Entwicklung eines inhaltlich eigenständigen, global ausgerichteten, spartenübergreifenden Ausstellungsprogamms (keine Kunsthalle mit Übernahme von Wechselausstellungen). Dies allerdings ist nichts Neues und knüpft an die bisherige inhaltliche Ausrichtung von Vitali, über Dercon bis zu Enwezor an. Auch die Empfehlung dem Spannungsverhältnis zwischen lokaler Verankerung und internationalem Anspruch noch stärker gerecht zu werden, kommt einem bekannt vor. Gab es nicht zu allen Zeiten bereits zahlreiche Kooperationen mit Institutionen und lokalen Partnern wie den Kammerspielen, der Staatsoper, der Akademie, Münchner Künstlern, Bands und Unternehmen. Natürlich wurde die Vernetzung mit der Stadt von den einzelnen Leitern bisher sehr unterschiedlich gelebt und realisiert.

Jörg Immendorff: Für alle Lieben in der Welt. For all Beloved in the World, Ausstellungsansicht , Haus der Kunst, 2018 Foto: Maximilian Geuter

Jörg Immendorff: Für alle Lieben in der Welt. For all Beloved in the World, Ausstellungsansicht , Haus der Kunst, 2018
Foto: Maximilian Geuter

 

Ohne die Verpflichtung, eine eigene Sammlung zeigen, betreuen und weiter auszubauen zu müssen, könnte das Haus der Kunst viel schneller und flexibler auf gesellschaftliche und kulturelle Umbrüche und Herausforderungen unserer Zeit reagieren

Klar heraus arbeitete der Expertenrat die mögliche Differenzierung zu anderen Münchner Kulturinstitutionen. Ohne die Verpflichtung, eine eigene Sammlung zeigen, betreuen und weiter auszubauen zu müssen, könne eine Institution wie das Haus der Kunst viel schneller und flexibler auf gesellschaftliche und kulturelle Umbrüche und Herausforderungen unserer Zeit reagieren, formulierten die Experten. Zusätzliches Potenzial ergäbe sich für das Haus nach Meinung der Experten auch durch seine Anbindung an den Englischen Garten. Nachvollziehbar, dass sich dadurch für das Haus der Kunst ganz andere Möglichkeiten im Bereich Freizeitkultur bieten, die andere Häuser nicht haben. Auch das Umbau- und Sanierungskonzept von David Chipperfield sieht einen weiteren Ausbau dieser Möglichkeiten in Zusammenhang mit Gastronomie und Eventräumen vor. Vielleicht liegt gerade hierin das besondere Alleinstellungsmerkmal, das es dem Haus zukünftig noch stärker ermöglichen wird, eine breites Publikum anzusprechen.


Nächste Schritte: Berufung einer Findungskommission und Erarbeitung einer Shortlist

Klar formulierte Bice Curiger am Anfang ihres Statements über das führungslose Haus: „Es gibt ein Vakuum“. Neben der strukturellen Neuorganisation, der Unterstützung des neuen Kuratorenteams in der Interimszeit, steht daher vor allem eines auf der Agenda des auf zwei Jahre berufenen Gremiums, das ehrenamtlich arbeitet: die Suche nach einer neuen charismatischen, inhaltlich international auf zeitgenössische Kunst profilierten, bestens vernetzten und auch wirtschaftlich erfahrenen künstlerischen Geschäftsführung, die Verständnis für die Geschichte des Hauses und das spezifische lokale Umfeld mitbringt.

Für diese Stellenbesetzung hatte der Aufsichtsrat Ende letzten Jahres eine Findungskommission eingesetzt. Vier Mitglieder wurden bereits berufen, eine Position soll noch besetzt werden. Für die Kommission erstellt das Expertengremium bis März eine Shortlist. Erste Initiativbewerbungen und Vorschläge für die Stellenbesetzung liegen bereits vor. Eine zeitnahe Neubesetzung noch möglichst während oder in den Sommermonaten ist geplant.

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