Bildrecht schafft raschen und unbürokratischen Überbrückungsfonds

Halbe Million für Kunstschaffende: Bildrecht stellt Soforthilfe bereit

GÜNTER SCHÖNBERGER, Foto: Eva Kelety

Viele Künstler und Kreative sind von der Corona-Krise stark betroffen. Für Kunstschaffende, die durch die weitreichenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens in wirtschaftliche Bedrängnis geraten, bietet die Bildrecht seit heute eine unbürokratische und rasche Überbrückungshilfe an. Anträge können ab sofort gestellt werden.
Die österreichische Verwertungs­gesellschaft stellt mit ihrem Corona Überbrückungsfonds Sondermittel von einer halben Million Euro zur Verfügung. Mehr als 5500 Mitglieder aus den Berufsfeldern bildende Kunst, Fotografie, Architektur, Grafik, Illustration, Karikatur, Comics, Design, Choreografie, Pantomime und Performance werden von der Bildrecht in Österreichvertreten. Der Antrag auf Überbrückungshilfe kann direkt auf www.bildrecht.at gestellt werden. PARNASS Chefredakteurin Silvie Aigner sprach mit Günter Schönberger, Geschäftsleitung der Bildrecht.


PARNASS: Die derzeitige Situation bedeutet eine enorme Belastung für die Kunst und Kultur.

Günter Schönberger: Der Shut Down der Kulturinstitutionen von Museen, über Galerien bis hin zur Absage der Messen war ein großer Schock und bringt sukzessive das Kunst- und Kulturleben zum Erliegen. Man kann getrost davon ausgehen, dass es die Kunst- und Kreativbranche härter treffen wird als andere Branchen. Die finanziellen und sozialen Folgen gerade für die bildenden Künstler und Fotografen aber auch für unser Repertoire der Architekten, Grafiker, Designer, Illustratoren, Choreografen und natürlich auch für die anderen Kunstsparten aus dem Musik-, Text- und Filmumfeld sind enorm. Kunst- und Kulturveranstaltungen werden abgesagt, laufende Ausstellungen müssen schließen, Kunstankäufe werden gestoppt, Aufträge storniert und bereits fixierte Projekte und Termine auf unbestimmte Zeit verschoben.

P: Mit dem Überbrückungsfond wird nun sehr rasch eine Hilfestellung angeboten.

GS: Für uns geht es daher jetzt vordergründig darum, finanzielle Notsituationen abzufedern. Bereits die Entwicklungen in Italien, die beginnenden regionalen Ausgangssperren, ließen erahnen, was auf uns zukommt und dass es dringend eine finanzielle Unterstützung für die in der Kreativwirtschaft arbeitenden Menschen benötigen wird. Daher haben wir mit Nachdruck die Möglichkeiten evaluiert und diesen Überbrückungsfonds ins Leben gerufen. Konkret geht es uns hier nicht um eine fortlaufende Sozialhilfe, sondern um eine Anlasshilfe, um rasche Unterstützung in der aktuellen Situation. Mit einem Teil des SKE Fonds, den für soziale und kulturelle Einrichtungen (SKE) gewidmeten Mitteln aus der Privatkopievergütung haben wir die Möglichkeit jetzt rasch, unbürokratisch und effektiv zu helfen.

P: Der SKE Fonds ist eine historische Kernaufgabe der Verwertungsgesellschaft.

GB: Ja, er existiert schon seit Jahrzehnten als soziale und kulturelle Einrichtung innerhalb der Verwertungsgesellschaften und wir kommen so unserer Verantwortung gegenüber Künstlerinnen und Künstlern nach, nämlich neben wirtschaftlich/rechtlicher Unterstützung auch sozial und kulturell aktiv zu werden. Teil davon sind auch unsere Aktivitäten in den Ausstellungsräumlichkeiten Bildraum 01, 07 und Bildraum Bodensee in Bregenz oder unser Atelierprogramm mit dem Bildraum Studio in der Brotfabrik in Wien.

Man kann getrost davon ausgehen, dass es die Kunst- und Kreativbranche härter treffen wird als andere Branchen.

Günter Schönberger

P: Doch wird diese halbe Million ausreichen?

GB: Die 500.000 Euro SKE-Mittel der Bildrecht werden bei weitem nicht ausreichen. Wir haben die Möglichkeit für Anträge heute um Mitternacht freigeschaltet und bereits in den wenigen Minuten danach über 20 Anträge im Eingang gehabt. Ebenso verzeichnen wir eine stark steigende Anzahl für eine Mitgliedschaft bei der Bildrecht. Diese zeigt auch, wie ernst die finanzielle Lage ist. Die Faktenlage anhand der bisher nachgewiesenen Schädigungen ist höchst beunruhigend. Viele Künstler stecken mitten in Produktionen für Ausstellungen und Messen, die nun abgesagt wurden. Künstler trifft die Schließungen der Häuser, die vielen Ausstellungs- und Veranstaltungs-, Messe-Absagen besonders hart. Bereits in den ersten Tagen kamen Klagen zu Verdienstentgängen. Es wurden berechtige Ängste von den Künstlerinnen und Künstler formuliert, wie es nun weitergehen soll. Die weltweit beachtete heimische Kunst- und Kreativszene droht an dieser Krise massiven Schiffbruch zu erleiden. Der Bildrecht-Überbrückungsfonds ist eine Soforthilfe für unsere Künstlerinnen und Künstler. Es wird aber nicht ausreichen. Zusätzliche finanzielle Anstrengungen werden notwendig sein.

P: Gibt es hier Anzeichen der Regierung, dass die Kunst- und Kulturbranche nicht vergessen wird?

GS: Erfreulicherweise ja. Wenn man von der Unterstützung der Wirtschaft spricht, meint man zumeist nicht die Kunst- und Kultureinrichtungen. Aber Wirtschaftsministerin Schramböck hat dezidiert auch den Einrichtungen in Kunst und Kultur ihre Unterstützung zugesagt. Es ist – so habe ich den Eindruck – der Politik bewusst, dass der Kulturstandort in Österreich massiv betroffen ist, viel zur Wertschöpfung beiträgt und erhalten bleiben muss. Dafür bedarf es weiterer finanzieller Mittel.

P: Kannst du die Gesamtmittel, die benötigt werden, beziffern? Und wie soll das Commitment der Regierung aussehen?

GS: Wir haben das hochgerechnet. Für die Künstlerinnen und Künstler wäre ein Betrag von etwa 10 bis 15 Millionen Euro für die nächsten Monate notwendig. Ein rascher Schulterschluss mit den Ministerien durch eine zusätzliche Dotierung des Überbrückungsfonds mit öffentlichen Mitteln ist notwendig. Dieser soll allen Künstlerinnen und Künstlern und Kreativen zur Verfügung stehen.

P: Du siehst die Bildrecht hier auch als organisatorischen Partner in Krisenbewältigung.

GS: Ja, denn wir sind nahe dran an der Arbeits- und Lebensrealität unserer Mitglieder, die sich in prekären Situationen seit jeher an uns wenden, uns liegen konkrete Anträge inklusive der Nachweise für die Notlage vor. Außerdem sind wir mit dem kürzlich in Betrieb genommenen Bildrecht-Online-Portal für solche Abwicklungen administrativ bestens vorbereitet. Aus der Verwertungsgesellschaft lässt sich in Zeiten der Not leicht eine Verteilungsgesellschaft machen.

Persönlich würde ich mir wünschen, dass diese Solidarität auch nach der Krise bleibt und wir gestärkt aus dieser Krise hervorgehen.

Günter Schönberger

P: Du siehst die Krise jedoch auch als Chance, in Bezug auf das Leben allgemein? Wir sehen ja, dass der erst kurze Shut Down auch im Bereich Klima bereits enorme Auswirkung hat, aber auch als Möglichkeit bereits lange diskutierte Forderungen für eine finanzielle Unterstützung der Kunst- und Kulturbranche nun zu realisieren. Welche sind das konkret?

GS: Vielfach konzentrieren sich die Menschen gerade aufs Wesentliche: Verantwortung übernehmen und weiterhelfen wo wir kompetent weiterhelfen können. Persönlich würde ich mir wünschen, dass diese Solidarität auch nach der Krise bleibt und wir gestärkt aus dieser Krise hervorgehen.
Als weitere sinnvolle und notwendige Maßnahmen möchte ich folgende Punkte nennen: 1. Stundungen: Nach Möglichkeit Streichung oder zumindest Stundung von Sozialversicherungsbeiträgen und Vorauszahlungen an das Finanzamt für die nächsten Monate. 2. Spendenabsetzbarkeit: Die steuerliche Absetzbarkeit von Kunstankäufen! Gezielte Aktionen im Netz könnten folgen, wie etwa leistbare Online-Auktionen bzw. Verkäufe, ein niederschwelliger Zugang zur Kunst, Kunst für das Home-Office, Angebote für neue Gruppen, die bisher weniger mit Kunst konfrontiert waren. 3. Künstlersozialversicherung: Verbesserungen in der Künstlersozialversicherung mit Kriterien, die die Einkommensstruktur freischaffender Künstler berücksichtigen.

GÜNTER SCHÖNBERGER, Foto: Eva Kelety

GÜNTER SCHÖNBERGER Foto: Eva Kelety

P: Ein Thema der Bildrecht war stets auch die neue EU-Urheberrechts-Richtlinie.

GS: Ja, das ist ein wichtiger Punkt. Mit dem Beschluss der Urheberrechts-Richtlinie, werden marktbeherrschende Tech-Plattformen wie Google, Youtube oder Facebook, die massenhaft Content – beispielsweise Fotos – gewinnbringend im Internet verwerten und damit Milliarden Gewinne machen, zukünftig Verantwortung übernehmen müssen. In der nationalen Umsetzung der Urheberrechts-Richtlinie fordern wir insbesondere die Berücksichtigung der Interessen der Bildurheberinnen und Bildurheber, denn diese sind anders gelagert als beispielsweise die Rechte der Musik oder des Films. Erweiterte kollektive Lizenzierungen, sogenannte Extended Collective Licensing Modelle haben sich vor allem in skandinavischen Ländern bereits seit Jahren sehr bewährt. Setzt man das ausgewogen um, würden zusätzliche Mittel frei werden.

P: Was meinen die „Extended Collective License-Modelle nach skandinavischem Vorbild“ konkret?

Verwertungsgesellschaften muss es erlaubt sein, kollektiv Lizenzen zu erteilen, die auch Außenseiter erfassen – also Rechteinhaber, die keinen Wahrnehmungsvertrag mit uns abgeschlossen haben. Denn im Bildbereich können individuelle Lizenzierungen aufgrund der großen Menge an Bildern für die Plattformbetreiber keine sinnvolle Lösung darstellen.

Das Instrumentarium der erweiterten kollektiven Lizenz bietet den Plattformen auch die gewünschte notwendige Rechtssicherheit. Und auch wir alle als Plattform-Nutzer müssen nicht befürchten, dass die Masse der hochgeladenen Bilder gefiltert oder gesperrt wird. Das Extended Collective License-Modell fördert darüber hinaus auch ein gemeinsames Vorgehen der europäischen Bildgesellschaften. Für die großen Plattformen kann ein gut händelbarer und unbürokratischer „One Stop Shop“ geschaffen werden. Aus diesem Grunde ist es elementar, den Artikel 12 der Richtlinie in österreichisches Recht umzusetzen.

P: Auch die Ausstellungen der Bildrecht wurden verschoben, wie geht es hier weiter?

GS:  Die Bildrecht selbst spürt die Auswirkungen der Coronakrise auch in ihrem eigenen Kulturprogramm. Mindestens neun geplante Ausstellungen sowie die begleitenden Veranstaltungen an den Ausstellungsorten in Wien und Bregenz mussten abgesagt werden. Wir planen diese zum Großteil im nächsten Jahr durchzuführen.

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